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Red Sovine: Nie einen Nachfolger gefunden

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Am 4. April 1980 starb Red Sovine in Nashville an den Folgen eines Autounfalles. 62 Jahre alt war er nur geworden. Vermutlich hatte er kurz vorher im Auto einen Herzanfall erlitten und war deshalb bei „Rot“ über eine Ampel gefahren und mit einem anderen Fahrzeug zusammen gestoßen. Red Sovine, dessen Markenzeichen ein roter Haarschopf, seine markante Brille und der tiefe Bariton waren, hatte mit einem für ihn typischen Sound über Jahre hinaus Erfolg. Der Mann war unverwechselbar und – wenn es um Recitations ging – unübertroffen.

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Seine bekanntesten Songs sind und waren „Giddyup Go“ (1965), „Phantom 309“ (1967) und vor allem „Teddy Bear“ (1976). Wer sich mit Country Music befasst, stolpert irgendwann über diese Songs. Es sind im Sprechgesang vorgetragene, oft zu Herzen gehende Geschichten. In dieser Sparte konnte niemand Red Sovine das Wasser reichen. Ich konnte ihn im letzten Abschnitt seiner Karriere oft sehen und immer war die Reaktion des Publikums ähnlich. Als Verfechter der reinen, bodenständigen, ehrlichen Country Music machte er keine Zugeständnisse, verkaufte dennoch in seiner Zeit viele Schallplatten und lockte die Fans zu seinen Auftritten.

Red SovineSovine war kein ausgesprochener Showman, er lieferte eine eher biedere Vorstellung. Ein wenig kann man ihn mit Don Williams vergleichen. Wie der „Gentle Giant“ wirkte Sovine durch sein bloßes Erscheinen und die Art wie er seine Lieder vortrug. Er war einer aus der Familie, der den anderen ein wenig Unterhaltung in den Alltag brachte. Sang er neue Songs oder stinknormale Country-Titel, dann wurde das höflich honoriert, schon bald aber wurden Rufe nach seinen Balladen laut. Es war ihm unmöglich, die Bühne zu verlassen, ohne vorher wenigstens vier oder fünf seiner so genannten Recitations gebracht zu haben. Und das, wo das Publikum bei den meisten davon jedes Wort auswendig kannte. Warum das so war, ließ sich leicht erklären. Red Sovine erzählte seine Geschichten so fesselnd, dass es für den Zuhörer stets ein neues Erlebnis wurde. Selbst in den bekanntlich unruhigen Militär-Clubs hätte man dann eine Stecknadel fallen hören können. Man hing ihm an den Lippen. Es erwies sich bei diesen Gelegenheiten, dass der Mensch an sich immer eine Ader für Sentimentalität hat. Ich gestehe, auch ich war jedes Mal wieder gefesselt und auch Red Sovine ging es ähnlich. Er steigerte sich so in seinen Vortrag, dass ihm gelegentlich selbst die Tränen in den Augen standen.

Ich will versuchen, Red Sovine anhand einer ganzen Serie von Gesprächen, die ich mit ihm hatte, ein wenig zu portraitieren. Da mir die Begegnungen noch in lebhafter Erinnerung sind, lasse ich Red Sovine mit seinen eigenen Worten erzählen.

„Geboren bin ich in Charleston, West Virginia. Aus der Gegend sind viele Sänger gekommen, Jimmy Dickens, Hawkshaw Hawkins, die Bailes Brothers … es sind einfach Menschen dort in West Virginia, sie lieben Bodenständiges und eben auch solche Musik. Wenn Du mich früher gefragt hättest, was Country Music ist, wäre die Antwort einfach gewesen. Viele nennen sich heute (1974) Country, sind es aber nicht. Viele Boys aus dem Rock- und Pop-Bereich sind zu Country gestoßen, weil ihnen im bisherigen Bereich die Erfolge ausblieben. Bei den Sendern ist das nicht viel anders, da ist man mitunter froh, innerhalb einer Stunde wenigstens zwei oder drei richtige Country-Songs zu hören. Ich möchte hier Niemanden anprangern oder abwerten, sondern einfach nur meine Meinung dazu klar ausdrücken. Was Eddy Arnold, Lynn Anderson oder Ray Price heute (1974) machen, ist für mich kein Country mehr. Ich habe schon vor Jahren gesagt, wenn die Entwicklung so weiter geht, verlieren wir unsere Identität – ich glaube, wir haben sie schon verloren. Es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber ich hoffe, sie wird einen Ausweg aus dem Dilemma finden. Es sind ja erfreuliche Bemühungen im Gange. (Sovine hat die Kehrtwendung zum traditionellen Country-Sound Mitte der 1980er Jahre leider nicht mehr erleben können.) Für mich bedeutet Country Music den Lebensunterhalt, sie bedeutet mit die Erziehung von vier Kindern, sie ist mein Leben. Alles in mir ist Country. Ich suche immer nach guten Liedern, versuche auch mal, selbst welche zu schreiben. Die mit Musik untermalten Balladen sind für mich Country. Ich hatte Glück, dass einige davon sicht gut verkauften. Etwa „Little Rosa“, „Giddyup Go“, „Phantom 309“, „Dreamhouse For Sale“, „The Old Pine Tree“, „The Greatest Grand Ole Opry“. Wenn ich die vortrage, gehe ich ganz darin auf, dann rollte mir auch mal eine Träne die Backe runter. Dafür schäme ich mich nicht. Ich glaube einfach an das, was ich tue.“

Natürlich komme ich auf eine besondere Geschichte zu sprechen, die mit einem seiner Kollegen zu tun hat:

„Du fragst mich nach Charley Pride, ich will Dir davon erzählen. Charley ist ein großartiger Mensch, ich bin sehr stolz auf ihn, weil er der große Star geworden ist aber der gleiche Charley Pride blieb, den ich damals in Montana getroffen habe. Beim ihm kann man sicher sein, alles, was er singt, ist Country. Ich weiß nicht mehr, welches Jahr es war aber Red Foley und ich hatten eine Show in Helena, Montana. Da kam vor der Show dieser farbige Junge in die Garderobe, lachte über’s ganze Gesicht und war voller Enthusiasmus. Unaufhaltsam redete er, dann nahm er die Gitarre, die an der Wand stand und fragte: „Habt ihr was dagegen, wenn ich mal spiele?“ Und er sang Hank Williams Songs, dass ich eine Gänsehaut bekam. Nach einigen Songs sagte ich zu ihm: „Boy, du siehst nicht so aus wie du singst und du klingst nicht so wie du aussiehst.“ Er wisse das, grinste er zurück, er habe aber immer nur Country gesungen. Aus Mississippi sei er und er habe Bilder von Uncle Dave Macon (Anmerkung: früher Grand Ole Opry Star). Wir haben ihn dann später in unserer Show singen lassen, die Leute waren aus dem Häuschen. Ich versprach ihm, etwas für ihn zu tun: Wenn wir Jemanden finden, der Platten mit dir macht, kannst du für die Country Music werden, was Jack Robertson für den Baseball ist! Charley kam bei nächster Gelegenheit nach Nashville aber es dauerte noch über ein halbes Jahr, ehe RCA sich entschloss, eine Platte mit ihm zu machen. Viele Sender waren zurückhaltend – um es milde zu formulieren – wollten die Platte nicht spielen, weil er schwarz war. Manche wussten es auch nicht, da man auf ein Foto von Charley auf dem Cover verzichtet hatte. Ich habe den DJs immer gesagt, welche Rolle spielt die Hautfarbe dabei ob etwas Country ist. Charley setzte sich durch, der Rest ist ja genug bekannt. Ich habe übrigens nie einen Vertrag mit Charley gehabt. Der einzige Grund, weshalb ich ihm geholfen habe, war mein Glaube daran, dass er eine Bereicherung für die Country-Music sein würde. Er hat es allen gezeigt, deshalb bin ich stolz auf ihn.“

So war Red Sovine, sprach lieber über Andere als über sich selbst. Dabei hatte er es ganz gewiss nicht leicht. Zum Superstar ist er nie geworden, vielleicht wollte er ein solcher auch nicht sein.

Seine erste Platte nahm Red Sovine bereits 1945 auf. Er zeichnete sich früh dadurch aus, dass er einen guten Song erkannte, wenn er ihn hörte. „Giddyup Go“ stand immerhin acht Wochen auf Platz 1. Aber der so herrlich unkompliziert gebliebene Mann aus West Virginia hatte nicht nur glückliche Zeiten. Ehe ihm gut zwei Jahre vor seinem Tod mit „Teddy Bear“ noch einmal ein Knüller gelang, mußte er eine Durststrecke durchstehen. Er sagte darüber 1978: „Da bist du jahrelang ohne irgendeinen Hit und hast dann plötzlich die heißeste Scheibe im Land. Das ist wie ein Märchen und fast nicht zu glauben.“ „Teddy Bear“ ist ein zeitloser Klassiker geblieben, auf ewig mit ihm verbunden und auch in anderen Ländern wurde der Song ein Dauerbrenner. In Deutschland kann Jonny Hill auch heute noch kein Konzert geben, ohne „Teddy Bear“ vorzutragen. Hill mit seiner deutschen Version steht Sovine in Nichts nach.

Seine größten Erfolge hat Red Sovine thematisch im Trucker-Milieu angesiedelt. Er war froh, ein wenig dazu beigetragen zu haben, das Bild des Truckers in ein besseres Licht zu rücken. „Die Trucker haben es wirklich nicht leicht. Sie waren als Säufer, Schläger und Weiberhelden verschrieen. Lieder wie ich sie bringe oder Dave Dudley, Dick Curless und Red Simpson haben dieses Image doch ein wenig korrigiert.“ Sovine wusste, wovon er sang. Vier Kinder galt es zu ernähren in Zeiten, in denen ihm das Sangesglück nicht unbedingt hold war. Zu seinen Jobs jener Tage zählte auch der des Truckers. Sovine fuhr Bier von Chicago nach Charleston, dreimal die Woche. Als er seine Karriere während der Jahre der Weltwirtschaftskrise begann und vom Beruf des Sängers träumte, hatten er und Ehefrau Eleanor schwere Zeiten. Dabei zeichnete ihn auch im damaligen Berufsleben schon seine Zähigkeit aus. Ende der 40er Jahre aber gab er einen gut bezahlten Job in einer Mühle auf und zog der Musik wegen nach Shreveport, Louisiana. Er bekam 10 Minuten Sendezeit morgens um 5 Uhr im Radio und das, so meinte er, bringt dir keine Gigs: „Nach drei Monaten war ich pleite!“ Dass sich das änderte, lag an Hank Williams. Der verschaffte Sovine einen Job beim Sender WSFA in Montgomery, Alabama. Zwölf Jahre blieb Sovine dort. Als Hank Williams zur Opry ging, übernahm Sovine seinen Spot beim Louisiana Hayride. Und dann bekam er einen Vertrag bei MGM Records. Im Radio landete er einen Hit mit seiner 15minütigen Show. Die von Johnny Fair Syrup gesponsort wurde. Man gründete einen Club und Red Sovine schaffte es, dass innerhalb eines halben Jahres über 50.000 Mitglieder eingeschrieben waren. Was aber wichtiger war, das beworbene Produkt machte einen Umsatzsprung um 280 Prozent! In der Folgezeit arbeitete Red Sovine viel mit Webb Pierce zusammen. Sie schrieben auch gemeinsam Songs. Als Pierce der Durchbruch gelang und er nach Nashville ging, holte er Red Sovine als seinen Frontman nach.

Es dauerte bis 1964, ehe Red Sovine mit „Dream House For Sale“ sein erster echter Hit gelang. Danach ersang er sich rasch den Beinamen „King of Trucker Songs and Narrations“. Er ist einer der beliebtesten und gradlinigsten Künstler der Country Music. Von seinen Fans geliebt, von der Industrie geachtet. Das Schicksal ereilte ihn als er gerade mal wieder die Sonnenseiten seines Berufes erleben durfte. „Teddy Bear“ hatte dafür gesorgt, ein Lied, das übrigens von Dale Royal geschrieben wurde, einem Trucker aus Greenville, South Carolina. Es war dessen erster Song überhaupt, der aufgenommen wurde. Das Schicksal ist manchmal makaber. Wie anders soll man es sehen, wenn der beliebte Truckersänger ausgerechnet bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt?

Red Sovine ist einzigartig geblieben. Einen Nachfolger hat er nie gefunden. Das ist wohl auch gut so. Sicher behalte nicht nur ich ihn in lebhafter Erinnerung. Für mich war eine Begegnung mit ihm, immer so, als träfe ich einen guten alten Freund wieder – wenn ich ihn in einem der US-Clubs sah, in denen er oft gastierte. Red Sovine lebt nicht mehr – seine Songs aber sind auch ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod weiter lebendig und in guter Erinnerung.

   

Honky Tonks,Truckers & Tears-Hits 1964-80
CD: „Honky Tonks,Truckers & Tears-Hits 1964-80“
Erscheinungsdatum: 2005
Label: Soulfood Music
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Trackliste:

01. I Didn’t Jump The Fence
02. Loser Makin‘ Good
03. Freightliner Fever
04. Class Of ’49
05. Dream House For Sale
06. In Your Heart
07. Long Night
08. Little Rosa
09. I Know You’re Married (But I Love You Still)
10. Normally Norma Loves Me
11. Phantom 309
12. Why Baby Why
13. Tell Maude I Slipped
14. Giddy-Up Go
15. Who Am I
16. Lay Down Sally
17. Daddy
18. Woman Behind The Man Behind The Wheel
19. Little Joe
20. The Days Of Me And You
21. Last Goodbye
22. Just Gettin‘ By
23. It’ll Come Back
24. Teddy Bear

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