Mac Wiseman
Auch wenn man mit dem Begriff vorsichtig umgehen sollte, auf Mac Wiseman trifft er eindeutig zu: Kultfigur. Eine solche ist er seit Jahren bereits in der Bluegrass-Szene. Dabei ist er eher einer der Stillen im Lande, ein so gefeierter Star wie manche seiner Kollegen aus der Bluegrass Music war er nie, gleichwohl darf man seine Bedeutung nicht unterschätzen. Mac Wiseman hat sich an manche Dinge herangetraut, vor denen andere Musiker eher zurückschreckten. Berührungsängste hat der Mann aus Virginia nie gehabt.
Geboren wurde Malcolm B. Wiseman am 23. Mai 1925 in Crimora, einem kleinen Ort in der Nähe von Waynesboro, Virginia. Im Shenandoah Valley also, einem für Mountain und Bluegrass Music prädestinierten Gebiet. Zwar wächst man fast automatisch mit der traditionellen Musik der Region auf, doch Wiseman entwickelte schon als Kind eine besondere Affinität dazu.
In erstaunlich jungen Jahren schaute er bereits über den Tellerrand hinaus, denn nicht nur die Musik seiner Heimat machte ihn neugierig sondern auch Western Songs, Jimmie Rodgers und Wilf Carter verinnerlichte er. Gern erzählte er über die Anfänge und über die Musik überhaupt, wenn ich ihn bei verschiedenen Gelegenheiten traf. „Mit 12 oder 13 Jahren bekam ich meine erste Gitarre, wusste aber nichts damit anzufangen. Bei uns gab es Niemanden, der ein solches Instrument spielte und es mir beibringen konnte. Als dann ein Wanderprediger Station bei uns machte, sah ich, dass er eine Gitarre dabei hatte. Er hat mir auf mein Drängen hin die ersten Griffe beigebracht. Den Rest habe ich mir selbst erarbeitet und dann konnte ich mich beim Singen endlich begleiten. So hat das angefangen“, erinnerte er sich mit leuchtenden Augen.
Wie wichtig dies für ihn war, zeigte sich schon bald. In der Kindheit erkrankte er an Polio, deren Folgen ihn sein Leben lang behindern würden. Vor allem eine Gehbehinderung blieb zurück. In der Musik allerdings konnte er sich frei entfalten. Während der Schulzeit gehörte er einer Amateur Band an. Nach dem Schulabschluss fand er zunächst keinen Job, deshalb tingelte er ein Jahr lang mit Woody Williams. Zu verdienen war dabei kaum etwas, frustriert und ohne Hoffnung auf eine Karriere in der Musik, nahm er einen Job in der chemischen Industrie an. Dann half ihm seine Behinderung zum entscheidenden Kurswechsel, denn Wiseman erhielt dank der Vermittlung der Foundation of Polio ein Stipendium am Musik-Konservatorium in Dayton, Virginia. Dort lernte er alles, was man beim Radio benötigt, inclusive Technik, Sprache und Manuskripte verfassen.
Mit dieser Ausbildung startete er 1944 eine Job beim Sender WSVA in Harrisonburg, Virginia. Beim gleichen Sender tätig war auch der Sänger Buddy Starcher, der Wiseman ermutigte, selbst Musik zu machen. 1945 startete er mit einer ersten Band, ein Jahr später holte ihn Molly O’Day in ihre Band, dann stellte Wiseman wieder eine eigene Band zusammen. Dazu muss man wissen, dass viele Künstler und Bands in jenen Jahren feste Engagements bei Radiosendern hatten, wo sie Live auf Sendung gingen. Mac Wiseman fiel von Anfang an durch besonderen Ehrgeiz auf. Der veranlasste ihn etwa 1948 dazu, als Solist den Erfolg zu suchen. Dazu nahm er durchaus Umwege in Kauf, wenn sie ihn weiterzubringen schienen. Wie sein Engagement in der ersten Band, die Lester Flatt und Earl Scruggs nach der Trennung von Bill Monroe starteten. Auch bei deren ersten Plattenaufnahmen gehörte Wiseman zur Band. Doch Wiseman behielt seinen Schlingerkurs bei. Er arbeitete als Solist, ging mit Bill Carlisle auf Tour, schloss sich für einige Monate den Bluegrass Boys von Bill Monroe an und kehrte frustriert zum Sender WCBY in Bristol, Tennessee zurück, für den er schon mehrfach gearbeitet hatte. Auch das war nicht von Dauer, denn mit einer neuen Band machte sich Wiseman auf nach Shreveport zum „Louisiana Hayride“. Dort endlich wurden die Weichen in die Richtung gestellt, die er immer gehen wollte. Er bekam beim neuen Label DOT Records einen Vertrag als Countrysänger.
Der Erfolg, auf den er hoffte, ließ auf sich warten. Wiseman: „Die ersten Singles fanden kaum Beachtung, was aber an mir lag. Ich versuchte zu sehr, mich an den etablierten Stars wie Monroe zu orientieren. Erst als ich mich auf meinen eigenen Stil konzentrierte, ging es besser.“ In der Tat, Mac Wiseman hat eine auffallend helle und hohe Stimme, die ihn mit der Art, in der er sie verwendet, unverwechselbar macht. Ein Journalist hat es mal so ausgedrückt: Wiseman singt so, wie Gene Vincent aussieht, er sieht so aus, wie Ernest Tubb singt.
1955 gelang Mac Wiseman sein erster Hit. „The Ballad Of Davy Crockett“ schob sich auf Platz 10 bei Billboard und machte ihn landesweit bekannt. Doch mit seiner Art von Musik, die immer mehr zu Bluegrass tendierte, kann man in den an Verkaufszahlen orientierten Charts nicht viel bewirken. Darum ging es Wiseman auch nicht. Er konnte jetzt zunehmend die Musik machen, die ihm am Herzen lag: Bluegrass. Dazu wechselte er zum „Old Dominion Barn Dance“ in Richmond, Virginia. Erneut stellte er eine Band zusammen, in der zeitweise spätere Stars mitwirkten wie „Uncle“ Josh Graves, Eddie Adcock, Allen Shelton und Bennie Williams. Mac Wiseman wurde einer der beliebtesten Künstler in der Bluegrass Szene und das hatte durchaus Auswirkungen auf die Verkaufszahlen seiner Platten. Mit seiner Version vom „Jimmie Brown The Newsboy“ schaffte er 1959 eine Nr. 5 und damit seine beste Platzierung. Anfang der 1960er Jahre hatte er schon so einiges Musikalische ausgelotet. Sogar seine Versionen von sogenannten Teenager Songs wie „I Hear You Knockin'“ (ein Hit für Gale Storm), „One Mint Julip“ aber auch von „‚Tis Sweet To Be Remembered“, ein Lied, an das er fest glaubte und das er bei seinen Live Gigs fast immer im Programm hatte. Immerhin, bis 1979 tauchte er sporadisch immer mal wieder in den Singles Charts auf.
Mac Wiseman war stets ein wachsamer Beobachter von Entwicklungen in der Musik und bereit, Kompromisse einzugehen. Deshalb arbeitete er zeitweise für eine Plattenfirma, produzierte selbst wieder mehr Country als Bluegrass, ohne dabei auf Bluegrass zu verzichten. Vor allem live blieb er bei seiner Linie. Er gab Konzerte in der Carnegie Hall wie in der Hollywood Bowl, gehörte zu den Highlights vieler Festivals vor allem in den Appalachen und Smokey Mountains und organisierte selbst Festivals wie in Renfro Valley, Kentucky. Mitte der 60er Jahre übernahm er das Management des berühmten Jamboree in Wheeling,. West Virginia, er machte weiter Platten, die er teilweise auf eigenem Label veröffentlichte und er hatte zeitweise sogar einen Plattenladen.
1970 war Mac Wiseman wieder in Nashville. Aus dieser Zeit ist sein Album „Johnny’s Cash And Charley’s Pride“ noch in guter Erinnerung. Seine LP mit Lester Flatt „Lester ‚N‘ Mac“ gehört ebenso zu den Highlights wie sein Tribute-Album an Gordon Lightfoot.
Bis deutlich in die 1990er Jahre hinein ging Mac Wiseman auf ausgedehnte Tourneen, die ihn rund um die Welt führten. Natürlich auch nach Europa, wo er beim legendären Wembley Festival mehrfach gefeiert wurde und man konnte ihn regelmäßig in Deutschland und Holland erleben. In den 1980er Jahren erschienen eine Reihe neuer Alben bei CMH Records, die erfreulicherweise auch in Europa erhältlich waren und ihn im Gespräch hielten.
Erst als sein hohes Alter und die Gesundheit es ratsam erscheinen ließen, trat Mac Wiseman kürzer und ging in den mehr als verdienten Ruhestand. Leider ist es in den letzten Jahren um diesen ebenso großartigen wie bescheidenen Künstler viel zu ruhig geworden. Seine Lebensleistung wäre längst einer entsprechenden Anerkennung würdig, einen Platz in der Country Music Hall of Fame hätte er längst verdient. Vielleicht erinnert man sich in Nashville noch zu Lebzeiten an diesen sympathischen Künstler.