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Rosanne Cash im Gespräch

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Anlässlich ihres einzigen Deutschlandkonzertes im Frühjahr 2014 im Schlachthof in Bremen nahm sich Rosanne Cash gut 20 Minuten Zeit, mit uns über ihr aktuelles Album „The River & The Thread“ zu sprechen, das sie durch ihre Tour dem Publikum live präsentierte.

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Auch ihr Ehemann, Produzent und Gitarrist John Leventhal, war trotz der Vorbereitung des Soundchecks teilweise zugegen. Das Gespräch führten wir in ihrer Garderobe backstage ca. drei Stunden vor dem Konzert. Rosanne präsentierte sich sehr gesprächsfreudig und natürlich und erzeugte damit eine sehr angenehme Atmosphäre für ein Interview.

Nachdem ich mich für diese Möglichkeit bedankte und ihr zu diesem wirklich großartigen Album gratulierte, ein Kompliment, für das sie sich freudig bedankte, sprach ich die „Luxus“ oder „Deluxe“ Ausgabe dieses Albums an, die sich als kleines Buch präsentiert und sagte, dass meiner Ansicht nach diese Ausführung dem Album sehr gerecht wird, denn dieses Album mit seinen elf Songs (die Luxusausgabe enthält drei Bonustracks zusätzlich) ist doch wirklich wie ein Buch, eine Sichtweise, die sie deutlich unterstützte. Sie sei ihrem Label sehr dankbar, dass es auch die finanziellen Möglichkeiten habe, solch eine Ausgabe überhaupt herauszubringen.

Ob dieses Album so etwas wie Teil drei einer Trilogie sein könnte, fragte ich sie. Sie habe das in einer Äußerung seit Erscheinen des Albums angedeutet. „Ja, vielleicht ist es das. Dieses Gefühl hatte ich zunächst, als wir das Album fertig gestellt hatten. „Black Cadillac“ behandelt Verlust, „The List“ beschreibt den Umstand, etwas zu erhalten, und dieses Album behandelt alle diese Dinge. Es erzählt von der gesamten (auch inneren) Landschaft, es hilft herauszufinden, was Zuhause bedeutet, und es beantwortet all diese Fragen über Dich selbst.“ Ja, es könne in der Tat der dritte Teil einer Trilogie sein, aber es könne auch der Anfang von etwas Anderem sein.

Es sei ja ein Werk, dass auch ihre Beziehung zu Familie und Freunden beschreibe, spreche ich dann an. Es gehe nicht so sehr um Familie, entgegnet sie. Ja, es habe auch mit Familie zu tun. „The Sunken Lands“ sei ein Song über ihre Großmutter, und Etta und Marshall Grant („Etta’s Tune“) seien so etwas wie Familie. Aber der Rest des Albums erzähle eher davon, was Zuhause bedeutet, vor allem das Zuhause, das man in sich trägt, oft auch unbewusst. Es sei ihr nicht klar gewesen, wie sehr Memphis (ihr Geburtsort, in dem sie aber nur kurz gelebt hat) noch immer ein Teil von ihr sei. Es sei nur eine Anekdote in ihrem Leben, habe sie gedacht, aber es bedeute ihr doch noch immer sehr viel. Und jeder Rootsmusiker sei in der Schuld des Mississippi Deltas, fügt sie an, und das gelte auch für die Appalachian Mountains.

Rosanne Cash im Gespräch mit Bernd Wolf

Während der nächsten Frage betritt John Leventhal den Raum, und Rosanne lädt mich ein, ihm schnell einige Fragen zu stellen, während er anwesend ist, eine Gelegenheit, die ich gerne nutze. Ich sammle mich kurz, verdränge alle Fragen, die der Gitarrist aus persönlichem Interesse stellen könnte (und möchte), und spreche auch ihn auf seine Arbeit am Album an. Ich stelle seine großartige musikalische Arbeit an diesem Werk heraus, spreche ihn auf die persönlichen Anmerkungen von ihm und Rosanne zu jedem einzelnen Song an, und sofort steigt Rosanne darauf ein und sagt, sie wären beide zunächst gegenüber dieser Idee sehr abweisend gewesen, denn sie wollte nicht die Vorstellungskraft der Hörer einengen, aber sie sei mittlerweile sehr froh darüber, diese Anmerkungen doch im Booklet verewigt zu haben, denn wenn sie das Album live präsentieren, erzähle sie ja die Geschichten zu und hinter den Songs, und sie habe den Eindruck, dass dadurch die Songs noch mehr Gewicht bekommen, und dem Publikum schien das sehr zu gefallen.

Ja, das sei wahr, bemerkt John. Er sei zunächst sehr stark dagegen gewesen, die Anmerkungen zu formulieren, denn er erkläre nicht gerne seine Arbeit. Das Album habe schon etwas von Kino, bemerkt dann Rosanne, und ich spreche den Titel an und füge hinzu, wie sehr der Titel des Albums Sinn macht. Der „River“ sei natürlich der Mississippi, und ob der „Thread“ der Süden sei? Der Titel des Albums sei sowohl wörtlich als auch metaphorisch zu verstehen, sagt Rosanne. John fügt an, der Fluß sei mehr als der Süden. Es ginge darum, ein Mensch zu sein. Sie haben eine Welt kreieren wollen, und diese Welt sei halt der Süden gewesen. Und der Faden (thread), über den Rosanne im ersten Song singt, sei der Faden, der uns alle zusammenhalte.

Von mir auf die Personen in den Geschichten, die die Songs dieses Albums erzählen, angesprochen, erzählt Rosanne die Entstehungsgeschichte von „When The Master Calls The Roll“, und dass John Leventhal eine Melodie hatte und Rodney Crowell einen großartigen Text. Zwei ihrer Kinder hätten Texte über den amerikanischen Bürgerkrieg geschrieben, und der Song behandele ihre Vorfahren. Auch das ältere Ehepaar aus dem Song „Night School“, das aber nicht real existiere, würde sie weiterhin interessieren.

Nachdem ich ihr erneut zu diesem wunderbaren Album gratuliere und John Leventhal anmerkt, ich habe das Album offenbar verstanden, erwähne ich die von mir bereits angesprochene mögliche Trilogie und verweise auf die Unterschiede zwischen diesen drei Alben, und Rosanne sagt mit (berechtigtem) Stolz, sie und John hätten schon so lange zusammen gearbeitet, und sie sei der Meinung, für das aktuelle Album hätten sie die besten Songs geschrieben, die sie bisher geschrieben hätten.

Ich merke an, dass ich mich nach diesem Werk bereits auf ihr nächstes Album freue, und Rosanne antwortet, sie hätte schon oft gedacht, sie könne ihr aktuelles Werk nicht mehr toppen und hätte darüber nachgedacht, kein weiteres Album mehr aufzunehmen, so auch diesmal. Aber sie glaube, sie würde wohl doch ein weiteres Album angehen.

Das Gespräch wendet sich dem Zustand der Musikindustrie zu, denn ich frage sie, ob sie vonseiten ihres Labels den Druck verspüre, ein Album aufnehmen zu müssen, so wie es z.B. in Nashville an der Tagesordnung ist. Ihre Antwort überrascht. Die Musikindustrie falle auseinander, und Niemand könne sagen, wie es in zwei Jahren aussähe. Die meisten Künstler in ihrem Alter seien bei Independant Labels, also unabhängigen Plattenfirmen, unter Vertrag, sie sei aber bei einer großen Firma mit einem tollen Team. Es gäbe sogar Mitarbeiter, die die Macht hätten, Piratenseiten zu schließen, was sie sehr begrüße. Trotzdem gebe es aber keinen Druck, denn es wisse ja Niemand, was in zwei Jahren sei.

Ich frage sie nach der Idee, über die viele Künstler heutzutage nachzudenken scheinen, keine Alben mehr aufzunehmen, sondern nur noch einzelne Songs. Fast fällt sie mir ins Wort. Sie hasse das. Sie habe ja nun quasi das Altmodischste gemacht, was man überhaupt machen könne, nämlich nicht nur ein Album, sondern sogar ein Konzeptalbum aufzunehmen, und sie sähe keinen Sinn darin darin, einzelne Songs aufzunehmen und möglicherweise einen Hit zu haben, denn das sei für sie Zeitverschwendung. Sie und John seien besessen von der Reihenfolge der Songs auf einem Album. Ungefähr 40 verschiedene mögliche Reihenfolgen hätten sie diskutiert. Sie habe aber gedacht, dass die Reihenfolge der Songs auf einem Album heute uninteressant sei und habe das auf Twitter zur Diskussion gestellt. Hunderte Antworten habe sie bekommen von Hörern und Fans, die sie darin bestätigt hätten, dass die Reihenfolge und das Erlebnis „Album“ sehr wichtig seien.

Und ja, antwortet sie auf meinen Verweis auf die Konzeptalben ihres Vaters hin, Alben ihres Vaters wie „The Ballads Of The True West“ und „Bitter Tears“, aber auch spätere Konzeptalben wie „Tommy“ und vielleicht auch „Blue“ von Joni Mitchell seien für sie extrem wichtig und prägend gewesen. Schließlich spreche ich darauf an, dass „The River And The Thread“ ja auch auf Vinyl veröffentlicht worden sei, und sie sagt fasziniert, sie hätte hunderte von Vinylausgaben über ihre Webseite verkauft. Sie und John seien fast schon schockiert gewesen, und es hätte tatsächlich sogar Vinyl nachgepresst werden müssen.

Ich bedankte mich für das lange Gespräch und wünschte ihr gutes Gelingen für das Konzert, das tatsächlich ausverkauft war und vor einem begeisterten Publikum stattfand. Ich kann jedem Musikliebhaber nur dazu raten, sich die knapp zweistündige Ausstrahlung am Sonntag, den 1. Juni ab 20.05 Uhr im Nordwestradio anzuhören. Es lohnt sich! Das Konzert kann über Internetstream verfolgt werden.

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Über Bernd Wolf (147 Artikel)
Redakteur. Fachgebiet: Johnny Cash, Singer & Songwriter. Rezensionen und Biografien.