Bri Bagwell: When A Heart Breaks
Das ein oder andere weibliche Gesangstalent hat der lebensnahen, texanischen Honkytonkszene in den letzten Jahren in Richtung Nashville den Rücken gekehrt. Die zur All-American-Country-Ikone aufgestiegene Miranda Lambert und Kritikerliebling Kacey Musgraves sind prominente Beispiele für die Verwirklichung ihrer künstlerischen Freiheit. Nur sehr wenige Countrysängerinnen sind heute bereit, sich mit der speziellen Themenwelt der männlichen Top-Acts auseinanderzusetzen. Dabei sind es gerade die simplen Merkmale des Blue-Collar-Lifestyle, mit denen sich beim breiten Szenepublikum immer wieder punkten lässt.
Briana „Bri“ Bagwell zählt neben der erfahrenen Nummer-Eins-Interpretin Sunny Sweeney zu den Countryladys, die sich in der urigen Atmosphäre der Lone-Star-Honkytonks und Dancehalls zu Hause fühlen. Die zweifache texanische Sängerin des Jahres ist ein Musterbeispiel dafür, dass guter Female Country nicht nur zart bis sozialkritisch sein darf, sondern auch mit packenden, derben Alltagsthemen umzugehen weiß. Songs über Bier, Cowboy Boots und des Farmers bestes Stück (seinen Traktor!) gehören ebenso zu ihrem Repertoire wie die getragenen, schicksalhaften Love-Stories.
Die in Las Cruces in New Mexico geborene Bagwell ist im Jahr 2011 mit ihrer ergreifenden Beziehungsballade „Whiskey“ erstmalig in den regionalen Playlisten aufgetaucht. Mit dem Country Rocker „Hound Dog“ gelang ihr im letzten Jahr der für Ladies eher seltene Sprung unter die Texas-Radio-Top-10. Nun hat die 27-jährige Independent Label-Interpretin mit When A Heart Breaks ihr zweites Fullsize-Album veröffentlicht und nimmt sich vom launigen Drinking Song bis zum ergreifenden Heartbreaker die volle Themenpalette vor.
Dieses 10-teilige Machwerk ist letztlich eine Offenbarung für alle, die die Bodenständigkeit eines guten Countrysongs zu schätzen wissen. Bri Bagwell – stimmlich als kleine Outlawschwester von Carrie Underwood einzuordnen – bietet ein beeindruckend-kurzweiliges Variantenspiel und lässt ihr bislang unterschätztes Starpotenzial auf jedem einzelnen Track gnadenlos durchscheinen.
Das Album startet mit der Leadsingle „My Boots“, einem feisten Outlawrocker, der in Sachen Dynamik an die Upbeat-Nummern einer Miranda Lambert erinnert. Wann hat eine Countrylady schon mal das männliche Verlangen nach Bier zum Thema eines Songs gemacht? Auf „Beer Pressure“ huldigt die Outlaw-Blondine dem Freizeitgetränk Nr. 1 mit spielerischem Charme in einer hinreißenden Honkytonk-Schmonzette– ein echtes Highlight. Es folgt der Titelsong, eine beziehungsintensive Powerballade, die mit Hilfe ihrer markanten Riffs für die Radiocharts wie gemacht erscheint. Nun wird es „country-funky“ mit „Spill It Sister“, einem abgefahrenen „Lady-Bro“, während auf dem anschließenden „Half As Good“ erneut die melodische Beziehungskiste ausgepackt wird. Auch „Anything But You“ überzeugt als starker und stimmlich prägnanter Love-Song, bevor mit den nächsten drei Titeln das ohnehin hohe Niveau endgültig durch die Decke getrieben wird.
„Mexican Beer“ ist ein an sich simpler Song über das regionale Bierangebot von Dos Equis bis Corona. Doch mit Hilfe einer herzerfrischenden Harmonika-Begleitung zaubert Bri Bagwell diese Tex-Mex-Nummer stimmlich unwiderstehlich auf ein höheres Level – hier schlummert das Potenzial zum Kult-Song. Der wohl stärkste Beitrag des Albums heißt „Dear John Deere“. Es wäre schon überraschend, wenn Miss Bagwell diesen zärtlichen Countryleckerbissen über die Härte des Farmerlebens nicht als kommende Single auswählen würde. „My Fisherman“ bewegt sich mit seinem wunderschönen Mandolinenintro auf ähnlichem Niveau und liefert eine aufmunternde, positiv-gestimmte Love-Story ab. Schließlich wird das Album nach einer guten halben Stunde Spielzeit mit der intensiven Break-Up-Ballade „Don’t Call“ viel zu früh beendet. Doch dieser kleine Wermutstropfen kann dem hinreißend-stilechten Werk einer hochtalentierten Countryinterpretin in keinster Weise Abbruch tun. Da darf man uneingeschränkt begeistert sein!
Fazit: Die Countryladies sind auf dem Vormarsch und werden mit den hochgelobten aktuellen Alben von Kacey Musgraves und Ashley Monroe jenseits des Radioplaylisten für Furore sorgen. Die außerhalb von Texas unbeschriebene Bri Bagwell vertritt mit ihrem aufrichtigen, regional verwurzelten New-Country-Style eine Mischung, die sich originell und hitverdächtig zugleich anfühlt. Auch wenn das auf den Texas-Markt zugeschnittene „When A Heart Breaks“ das vielleicht beste, unbeachtete Szenealbum des Jahres bleiben wird, darf sich der geneigte Countryfan hierzulande durch den melodischen Charme von Songperlen wie „Mexican Beer“, „Dear John Deere“ oder „My Fisherman“ verzaubern lassen.
Titel: When A Heart Breaks
Künstler: Bri Bagwell
Veröffentlichungstermin: 30. Juni 2015
Label: Ruby Reds Records
Format: CD & Digital
Tracks: 10
Genre: Country
Bewertung: 5 von 5 möglichen Punkten
Trackliste:
01. My Boots
02. Beer Pressure
03. When A Heart Breaks
04. Spill It Sister
05. Half As Good
06. Anything But You
07. Mexican Beer
08. Dear John Deere
09. My Fisherman
10. Don’t Call