Lucinda Williams und Stuart Mathis live in Dresden
Ein intimer Abend mit einem grandiosen Duo.
Auf einen Star wartet man schon einmal. Auch Lucinda Williams ließ ihr Publikum beim Konzert im Alten Schlachthof Dresden eine ganze Weile warten. Warum, blieb offen. Doch als sie dann gemeinsam mit ihrem Begleiter Stuart Mathis auf der Bühne erschien, war der „Groll“ der Fans vergessen. Sofort zog die Sängerin mit der auffälligen, wilden und blonden Mähne die Besucher in ihren musikalischen Bann. Doch ihr Pfad ist irgendwie düster, staubig, zwischen viel Blues, mit ein wenig Folk, einem Schuß Country und in vielen Molltönen.
Es ist die Tour zum aktuellen Album „The Ghosts Of Highway 20“, das Geschichten typisch US-amerikanischer Art erzählt. Geschichten aus ihrem Leben. Wie es ist, dort aufzuwachsen, zu leben, aber auch von dort weg zu rennen und später wieder zu kehren. Schließt man die Augen, sieht man die flirrende Hitze über dem Asphalt, aus dem Sand herausragende Kakteen, und die Gas-Stations, wo das Leben sich trifft, wo dicke Bohnen serviert werden und heißer Kaffee aus großen Kannen.
Lucinda Williams nährt Illusionen, Vorstellungen und läßt die Zuhörer teilhaben am Leben neben dem Highway 20, jener Verbindung von South Carolina bis ins westliche Texas. Mit brüchiger, rauher und oft zersetzter Stimme zelebriert sie Songs wie „I Just Wanted To See You So Bad“, „West Memphis“, aber erst mit „Are You Alright?“ läuft sie zu einer Form auf, die erste Begeisterung schürt. „Compassion“, eine einfühlsame Vertonung eines Textes ihres kürzlich verstorbenen Vaters Miller Williams ist eines der Highlights.
So einfühlsam, so intensiv, so eindringlich wie die 63-jährige ihre Songs zum Besten gibt, so sehr wirkt sie beim Singen im Dresdner Schlachthof aber auch abwesend, in sich gekehrt, versunken. Vielleicht sind es die Songs, in deren Geschichten sie beim Singen tief eintaucht und sie alles vergessen läßt, was um sie herum ist. Funken der Leidenschaft sprühen nur sehr selten aus ihr heraus. Doch das ist es wohl nicht, was die Zuhörer an diesem Abend von ihr erwarten. Lucinda Williams hatte noch nie Ambitionen, sich dem Publikum zu ergeben, sich Erwartungen zu beugen. Und so war es auch hier. Sie zog „ihr“ Ding durch, spielte sich durch ihr umfangreiches Repertoire, neben dem aktuellen Material auch aus früheren Zeiten, wie Songs aus ihrem – sagen wir mal „Durchbruch-Album – „Car Wheels On A Gravel Road“.
Während Stuart Mathis seine Gitarren – von denen immerhin einige an seiner Seite standen – zurückhaltend, aber stets emotional und effektvoll benutzte, wurde er dabei von der Sängerin kaum beachtet. Er selbst drängte sich nie in den Vordergrund, agierte bescheiden, aber mit voller Hingabe. Der Ex-The-Wallflowers-Gitarrero erfüllte eine wichtige Rolle, indem er stets den richtigen Sound auf den Saiten zelebrierte und auch mit seiner Stimme eine grandiose Stütze für die Sängerin darstellte und ihr damit den Weg zum Publikum ebnete. Die hörten genau zu, ließen sogar das eine oder andere Mal Sachkenntnis durchblicken, indem einzelne Stücke durch Raunen oder spontanen Beifall hervor gehoben wurden.
Schnell vergangen die mehr als 90 Konzert-Minuten, deren Abschluß dieses Mal keine Countrymelodien zierten, sondern erdiger Blues von Freddy Mc Dowell und Skip James. Ganz stark für ihr Dresden-Debüt!