Kris Kristofferson – Live in Frankfurt
Der große Singer & Songwriter Kris Kristofferson begeistert in Frankfurt.
„… while they’re here, let’s cherish them, before all the legends are gone.“ Lasst sie uns wertschätzen, solange sie noch hier sind, bevor alle Legenden verschwunden sind. So schrieb und sang Dale Watson vor unzähligen Jahren, als die Reihen der Legenden noch nicht so ausgedünnt waren wie heute. Von den im Song „Legends (What If)“ erwähnten Künstlern lebt kaum noch einer, heute, im Jahr 2017. Kris Kristofferson ist dort nicht erwähnt, aber er gehört in diesen Kreis, zweifelsfrei, unstrittig.
So machte ich mich also auf den weiten Weg von Oldenburg nach Frankfurt am Main, um mir ein weiteres Mal diesen für mich begnadetsten aller Songwriter live anzuschauen. Viel hatte man gehört über seinen Gesundheitszustand, auch zum Teil über peinliche Aussetzer auf der Bühne. Seit gut zwei Wochen war er nun in Europa auf Tournee, als er am Vorabend des Independence Day die Bühne der Jahrhunderthalle betrat.
Auf der Bühne fanden sich ein Drumset, ein Gitarrenamp nebst Gitarre und eine Bassanlage. Auf dem Resonanzfell der Bassdrum prangt der Schriftzug „Rocket To Stardom“, und so betreten erneut die Jungs aus Düsseldorf die Bühne und beginnen den Abend. Grinsend erzählt Julian Wiethoff alias Julian Juliantofferson, es gebe ja drei Regeln im Musikgeschäft: 1. Der Voract darf nicht lauter als der Hauptact sein, 2. Der Voract darf keine Coverband sein und 3. Wenn schon Coverband, dann aber nicht vom Hauptact. Sie würden gleich alle drei Regeln brechen, „weil Kris das so will“. Kris Kristofferson produzierte das Debütalbum dieser Band, die eigentlich Black Raven heisst.
Nach drei Songs sagt er den Star des Abends an, und Kris Kristofferson betritt die Bühne, um sich für die ersten fünf Songs von seinen Freunden begleiten zu lassen. Danach verlassen die Jungs die Bühne und der große Songwriter packt das große Songbook aus. 81 Jahre alt ist er, und er ist fitter, als ich gedacht hatte. In bekannter und bewährter Manier präsentiert er eine Perle nach der Anderen. Das Publikum lauscht, bei vielen Songs gibt es am Anfang Szenenapplaus, Ausdruck der Freude im Publikum, dass er diesen Song spielt.
Ruhig und konzentriert geht er von Song zu Song, beendet die Songs meistens mit einem „Thank You!“ Ich lasse mich tragen, so wie immer. Ich denke an die Größen, die ich nicht mehr sehen kann, weil sie nicht mehr unter uns weilen. Ist es nicht fantastisch, dass der Großmeister des Songwriting gerade hier auf der Bühne steht? Wie viele dieser Songs habe ich zuerst von Johnny Cash gehört? Er spielt „Here Comes That Rainbow Again“, „They Killed Him“, aber er hat auch wieder Songs dabei, die ich von ihm kenne und schätze. „Duvalier’s Dream“, „Darby’s Castle“, „Jody And The Kid“, zum Glück „The Silver-Tongued Devil And I“, bei dem er vor der letzten Zeile kurz innehält und erzählt, dass sein jüngster Sohn im Alter von fünf Jahren gesagt habe, dies sei kein guter Song, weil er alle seine Fehler auf eine andere Person schiebe. Grinsend fügt Kris an, sein Sohn habe inzwischen erkannt, dass sie quasi identisch seien und singt dann den Schluß: „… the silver-tongued devil and I“.
Irgendwann bemerke ich, wie sehr ich auf diesen einen Song warte, und mit „The Pilgrim – Chapter 33“ reisst er mich aus diesem Gedanken heraus. Ja, auch auf diesen Song habe ich gewartet. Und bevor ich ihn verarbeiten kann, beginnt er auch schon mit „To Beat The Devil“. Ja, die „Nationalhymne der Songwriter“, wie ich diesen Song inoffiziell nenne, drückt er doch so treffend aus, was uns immer wieder aufs Neue motiviert, mit unseren Songs auf die Bühne zu gehen, im festen Glauben daran, dass es immer einen Menschen geben muss, der das hören möchte. Die Tränen laufen mir im Dunkel der Halle die Wangen herunter, während ich leise mitsinge. Und dann, endlich, „Sunday Mornin‘ Comin‘ Down“. Als gäbe es nur diesen einen Song, zwischen all den „Me And Bobby McGee“, „Help Me Make It Through The Night“, „Lovin‘ Her Was Easier“, „Shipwrecked In The Eighties“ (mit dem er den Abend eröffnet hatte), „For The Good Times“ und den anderen ungezählten Knallern, die er geschrieben hat und die zum Teil quer durch alle Musikstile hindurch Welthits wurden.
Natürlich ist es bei „Sunday Mornin‘ Comin‘ Down“ eine Mischung aus Kris Kristofferson und Johnny Cash, die mich durchschüttelt. Nächste Woche wird dies wieder mal der dritte Song des Abends sein, beim Johnny Cash Tribute Konzert meiner Band Texas Heat. Und schlagartig wird mir erneut an diesem Abend bewusst, dass Kris Kristofferson keine Erinnerung an vergangene Tage ist, so wie Johnny Cash, sondern Realität, jetzt und hier. In tiefer Dankbarkeit genieße ich dieses Konzert weiter, bevor dann die Rückkehr der Band den Schluss einläutet.
Mit „Why Me Lord“ beendet er den regulären Teil, kommt dann wieder mit der Band zurück und spielt noch zwei weitere Songs. Als er zum endgültigen Abschluss des Abends dann „Please Don’t Tell Me How This Story Ends“ anstimmt, wird mir klar, dass dies der Abschied sein kann, aber nicht sein muss. Alles Gute, Kris, bleib weiter fit und, wie die große Inschrift auf dem Bahnhof in Wangerooge uns sagt, „Kehre wieder!“ Sollte er nochmal kommen, werde ich da sein. Er ist es wert, immer und immer wieder.