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Die Musiker hinter den Stars

Ohne Songwriter und Studiomusiker keine Countrystars: Zwei ungewöhnliche "Off Broadway-Shows" in Nashville.

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Sam Williams in der Hit Songwriter Show Sam Williams und Kollegen in der Hit Songwriter Show. Bildrechte: Thomas Waldherr, Country.de

Wenn wir bislang auf unseren Amerika-Rundreisen in Nashville ankamen, dann war das stets wie „heimkommen“. Diesmal jedoch machte die Stadt es uns nicht einfach. Denn sie präsentierte sich so, wie wir sie noch nicht erlebt hatten. Denn im Gegensatz zur Beale Street in Memphis oder zur Bourbon Street in New Orleans erschien uns der Broadway trotz seiner Ansammlung von Musikkneipen und Cowboy-Outfit-Shops noch recht normal. Diesmal allerdings am Sonntagabend bevor das das CMA-Fest losging, war der Broadway brechend voll, die Musik auf der Straße ohrenbetäubend laut und neben den Menschenmassen waren auch unzählige Partybusse und Bierbikes unterwegs.

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Also waren wir recht froh, dass wir für den Montagabend Karten für ein Konzert abseits des Broadway-Trubels gebucht hatten. The Time Jumpers, eine Western Swing-Kapelle spielte im Musikclub „3rd/ Lindley“. Bereits nachmittags machten wir uns auf den Weg zum Veranstaltungslokal durch die Gegend südlich des Broadway, gekennzeichnet durch menschenleere Straßen und rege Bautätigkeit. Auf dem Weg fanden wir u.a. auch den Ort, wo künftig der Sitz von Bob Dylans Whisky Distillery „Heavens’s Door“ sein soll. Bei „3rd/ Lindley“ – einem schmucklosen Flachbau – angekommen, wollten wir unsere Karten holen und platzten stattdessen aber gegen 14.30 Uhr in den Anfang einer Show hinein, wie sie wahrscheinlich wirklich nur in Nashville möglich ist.

Hit Songwriter Show

Jeden Montag findet hier die „BIG STAGE MONDAYS Hit Songwriters Show“ statt. Die Songwriter hinter den Hits der großen Nashville Stars treten hier auf, singen ihre Lieder und erzählen aus dem Showbusiness. Ungeplant kamen wir in den Genuss einer sehr interessanten und unterhaltsamen Show. Auf dem Programm standen Raquel Cole, Ray Stephenson, Bobby Tomberlin und – Trommelwirbel und Fanfare! – Sam Williams, ein Enkel des legendären Hank Williams und Sohn aus dritter Ehe von Hank Williams Jr. aka „Bocephus“.

Raquel Cole ist eine junge preisgekrönte Songwriterin, deren Songs u.a. von Marie Osmond und „The Railers“ aufgenommen worden sind. Allerdings zeigt sie auf, warum einen der aktuelle Nashville-Sound mit seinen immer gleichen Harmoniefolgen schon ein bisschen nervt. Miss Cole ist uns nicht so recht in Erinnerung geblieben. Ihr aber folgte Ray Stephenson. Der ist nicht nur einer der angesagtesten Songwriter der Music City – er schrieb und schreibt u.a. für Guy Clark, John Anderson, Willie Nelson, Blake Shelton und Kenny Chesney – sondern er ist auch Maler und wird als der „Andy Warhol des Südens“ bezeichnet. Einige seiner farbenfrohen prächtigen Gemälde von großen Musikern wie Willie Nelson, Bob Marley, Louis Armstrong oder Bob Dylan sind im „3rd/Lindley“ zu sehen. Er singt an diesem Nachmittag u.a. „Hemingways Whiskey“, das er für Guy Clark zusammen mit ihm geschrieben hat, und das Kris Kristofferson für ein Clark-Tribute eingespielt hat, sowie „Willie’s Guitar“ über Willie Nelsons Gitarre „Trigger“. Zu beiden Songs erzählt er humorvolle Geschichten von Umgang mit den Country-Legenden.

Ein Enkel von Hank Williams

Nach ihm weht ein Hauch von Musikgeschichte durch den Saal. Sam Williams, ein Enkel von Country-Ikone Hank Williams tritt auf. Die Familienähnlichkeit ist verblüffend. Lang, schlaksig und etwas zurückhaltend hat er mehr vom Opa als von seinem Vater, der gerne mal den Lautsprecher spielt. Er ist bereits in jungen Jahren ein in Nashville anerkannter Singer-Songwriter und singt an diesem Nachmittag ohne Instrument begleitet von Stephenson und Bobby Tomberline u.a. „Nickel Song“ und „Lost Grandchilds Plea“.

Höhepunkt der Show ist dann der Solo-Auftritt von Bobby Tomberline, der u.a. Hits für Willie Nelson, Blake Shelton, Faith Hill und Diamond Rio geschrieben hat. Im Zentrum seiner Erzählungen steht im Grunde seine immer noch große Verblüffung darüber, seine Träume erfüllt bekommen zu haben. Bereits mit elf Jahren war er Radio-DJ in Alabama und interviewte die Größen der Countrymusik, später schreibt er Songs für sie und teilt sich mit ihnen die Bühne der Grand Ole Opry. Klar, dass die Songs, die er zum Programm beisteuert „Grand Ole Opry“ und „The Songwriter“ heißen.

Die Show ist kurzweilig und gegen16.15 Uhr vorbei. Wir müssen den Club vor der Abendshow nochmal verlassen und werden Punkt 17 Uhr wieder reingelassen. In Windeseile füllt sich der Club, bis er zu Konzertbeginn gegen 20 Uhr picke-packe-voll ist. In der Zwischenzeit kann man dort ordentlich zu Abend essen.

The Time Jumpers

Um 20:00 Uhr stehen sie dann auf der Bühne. „The Time Jumpers“ sind eine Western Swing-Band, die aus den besten Studiomusikern besteht, die Nashville zu bieten hat. An diesem Abend bestehen sie aus Brad Albin (upright bass), Larry Franklin (fiddle), Paul Franklin (steel guitar), „Ranger Doug“ Green (guitar, vocals), Andy Reiss (electric guitar), Kenny Sears (fiddle, vocals), Joe Spivey (fiddle, vocals), Jeff Taylor (accordion, piano) und Billy Thomas (drums, vocals). Nicht mit dabei heute ist Countrystar Vince Gill. Doch der hat seine Gesangspartnerin Wendy Moten vorbeigeschickt. Und die ist mehr als eine Vertretung. Sie hat einige Solo-Gesangsparts und interpretiert u.a. Bobby Gentrys „Ode To Billie Joe“ in fantastischer Manier.

Ranger Doug & The Time Jumpers

Ranger Doug & The Time Jumpers. Bildrechte: Thomas Waldherr, Country.de


Einen satten Western Swing Sound hauen die 9 Musiker raus. Die drei (!) Geiger Larry Franklin, Kenny Sears und Joe Spivey spielen in einer synchronen Präzision miteinander, die atemberaubend ist. Paul Franklin an der Steel Guitar glänzt immer wieder mit fantastisch perlenden Soli und Riffs. Ebenso Andy Reiss an der Gitarre. Kenny Sears steuert als Leadsänger Songs wie „Nothin‘ But The Blues“ bei, der Bringer als Sänger aber ist „Ranger Doug“, der die alte Cowboy-Songtradition pflegt. Mit „Ridin‘ On The Rio“ hat er einen alt klingenden Song geschrieben, der wunderbar die Cowboy-Romantik pflegt und mit dem „Yodel Blues“ erinnert er daran, dass das „Yodeling“ ganz fest zur Country- und Western-Tradition gehört. Er ist einer der beim Publikum beliebtesten Musiker und ist beim Bad in der Menge während der Pause ein gern genommenes Fotomotiv. Überhaupt sind das allesamt Musiker zum Anfassen, die sich ganz selbstverständlich unter das Publikum mischen.

Einen starken Solo-Auftritt hat dann nach der Pause auch Schlagzeuger Billy Thoms mit „Blue Highway Blue“. Mit Jeff Tailor, dem Künstler an den Tasteninstrumenten, liefert er sich großartige musikalische Duelle, fordert ihn immer wieder heraus, seinen Schlagzeugfiguren entsprechende melodische Passagen folgen zu lassen. Das Publikum ist schier aus dem Häuschen ob der Virtiosität und Spielfreude jedes einzelnen Akteurs. „Ranger Doug“ beendet den Abend dann standesgemäß mit mitreißendem Jodeln und hinter uns liegt eines der beeindruckendsten Konzerte der letzten Zeit.

An diesem Tag in Nashville haben wir auf alle Fälle musikalisch mehr geboten bekommen, als von manchem Opry-Act. Ohne Songwriter und Studiomusiker wäre das „Nashville Stardom“ gar nicht möglich. Und wenn man sie das machen lässt, was ihnen wirklich am Herzen liegt, fern des kalkulierten kommerziellen Mainstreams, dann zeigt sich erst die große musikalische Klasse so vieler Musiker in Nashville. Ein Tag in der Music City, den wir lange nicht vergessen werden.

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Über Thomas Waldherr (806 Artikel)
Redakteur. Fachgebiet: Bob Dylan, Country & Folk, Americana. Rezensionen, Specials.
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