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Hogan & Moss: Old Time Music für das Hier und Jetzt

Überhaupt nicht rückwärtsgewandt: "Jon Hogan & Maria Moss & The Old Weird America" aus Texas machen Old Time Music für heute und halten sie dadurch lebendig.

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Jon Hogan & Maria Moss Jon Hogan & Maria Moss. Bildrechte: Künstler, Promo

Im nächsten Jahr jährt sich das Erscheinen der „Anthology Of American Folk Music“ zum siebzigsten Mal. Volkskundler und Musiksammler Harry Smith gebührt der Verdienst, 1952 auf sechs Langspielplatten obskure Folksongs aus den 1920er und 1930er Jahren aus allen amerikanischen Folkmusikbereichen – von Blues, über Spirituals, Gospels und Sacred-Harp-Hymnen bis hin zu Cajun- und Hillbilly-Stücken, zusammengestellt zu haben. Popkritik-Papst Greil Marcus hörte in diesen Songs „the old weird Amerika“ (das alte, unheimliche Amerika), entdeckte sie wieder in der Musik von Bob Dylan & The Band auf den Basement Tapes aus dem Keller von Big Pink 1967, und schrieb ein Buch darüber, dem er diesen Titel gab.

Jon Hogan & Maria Moss & The Old Weird America

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Die „Anthology Of American Folk Music“ und ihre Protagonisten wie Fiddlin‘ John Carson oder die Carter Family mit ihrer ebenso archaischen wie zeitlosen Musik begeisterten die Folkszene in den 1950er und 1960er Jahren. Und viele Jahre später auch John Hogan und Maria Moss. Die beiden Texaner lassen die Atmosphäre, die Musik und die Songs dieses alten, unheimlichen Amerika wieder lebendig werden. Mehr noch: Sie spielen nicht einfach nur nach, sondern adaptieren den Gedanken des old weird America für die Jetztzeit.

Beide haben sich 2008 auf dem Kerrville Folk Festival kennengelernt. Ein seltener Wink des Schicksals. Während Jon Hogan da schon gut 15 Jahre als Singer & Songwriter sowie Folk- und Bluegrassmusiker unterwegs war, den amerikanischen Westen und seine Kultur und Musik für sich entdeckt hatte und 2005 sich in Austin niederließ, war Maria Moss als Musikerin eine Spätberufene. Sie lebte und arbeitete viele Jahre lang in Houston als Journalistin und Autorin. Während der Genesung von einer schweren Erkrankung entdeckte sie das Gitarrenspiel für sich und Hogan in Kerrville das Potential ihres ungewöhnlichen Fingerpicking. Die beiden taten sich zusammen und touren seitdem von Austin aus durch Texas, New Mexico und Colorado.

„Meine Eltern waren Arbeiter und könnten früher als Hillbillies angesehen worden sein“, erklärt Hogan seine Wurzeln. „Wir haben zu Hause viel traditionelle amerikanische Country- und Gospelmusik gehört.“ Und selbst wenn Maria erst spät Musik zu einem zentralen Thema ihres Lebens gemacht hat, bekräftigt sie eine lebenslange persönliche Bindung an die Tradition der südlichen Wurzeln: „Mein Vater stammte aus East Tennessee, und ich habe mich seit meiner Kindheit mit der Bergmusik verbunden gefühlt. Alle Carter Family-Songs, die Jon und ich spielen, sind solche, die meine Mutter zu Hause gesungen hat.“

Und so spielen sie die alten Songs der Carter-Family, West Texas Walzer, Appalachian Mystery Rants, Vintage Country, Blues und Soul oder Midcentury Swing. All das trifft sich im musikalischen Tableau der beiden. Und wird für das Hier und Heute adaptiert, wenn sie dann Songs von Tom Waits, Townes Van Zandt, Amy Winehouse, Nirvana, Warren Zevon oder Billy Joel so spielen , als wären sie von Hank Williams, Jimmie Rodgers oder Bob Wills neu arrangiert worden. Es treffen sich Geeshie Wiley, AP Carter. und der Geist von Blaze Foley. Wer mittels YouTube das Vergnügen hat, Live-Aufnahmen der beiden anzuschauen, der spürt zu allererst die große Energie, das Feuer, das von Ihnen für diese Musik ausgeht.

Segen vom Popkritikpapst

Apropos Geeshie Wiley. Jon und Maria hatten mit Greil Marcus korrespondiert, nachdem sie John Jeremiah Sullivans Artikel über Wiley in der New York Times gelesen hatten. Sie schickten ihm ihre CD mit alten Songs, „Go Lightning“, kombiniert mit der Frage, ob sie seinen Buchtitel als Bandnamen verwenden könnten. „Greil hat uns die Genehmigung ohne Probleme gegeben“, sagte Hogan, der sich immer noch sehr über den „Segen“ von Greil Marcus freut.

Apropos Blaze Foley. Marsha Weldon, die Schwester des verstorbenen Blaze Foley, bat Jon Anfang 2009 an, Musik für einige von Blazes unvollendeten Songs zu schreiben. Als großer Fan des Texas Country nahm Jon gerne dieses Angebot an. Die Songs befinden sich auf dem Album „Every Now and Then: Songs von Townes Van Zandt und Blaze Foley“. Auch auf den beiden Hogan & Moss-Alben „In Dreams I Go Back Home“ (2016) und „In The Golden West“ (2020) sind zwei Blaze-Foley-Songs enthalten.

In The Golden West – das aktuelle Album

Ende letzten Jahres erschien ihr Album „In The Golden West“ (hier in Deutschland u.a. bei Amazon und bei Bear Family erhältlich). Die 15 Songs klingen nach Old Time sind aber zum Großteil jüngeren Datums. Neben einem Song der Carter Family, „In The Shadow Of The Clinch Mountain“ ist es das unverwüstliche „You Are My Sunshine“ von Jimmie Davis, das hier als Klassiker erklingt. Aber wie es intoniert wird, ist das Besondere. Eine bluesige Variante, die nur ein bisschen an die von Yusuf Islam alias Cat Stevens erinnert, denn sie ist kraftvoller und dramatischer, dazu mit einem bisschen Cosmic Space angereichert, als dessen leicht konsumierbare Laid Back Blues-Version.

Vier Songs – „Beyond The Wall“, „Caroline“, „The Golden Frame“ und „Let Tomorrow Be The Day“ – stammen aus der Feder von Hogan selbst, dazu kommen neben anderen noch zwei Songs von Townes van Zandt – darunter das legendäre „Pancho And Lefty“ – und einer von Blaze Foley.

Die größte Überraschung aber ist sicherlich „Love Is A Losing Game“ von Amy Winehouse. Wie kommt die auf das Album? John Hogan erklärt es so: „Ich sah eine Dokumentation über Amy Winehouse, dass dunkle Gedanken und menschliche Tragik immer wieder eng verstrickt mit der Musik sind. Auch mit dem alten unheimlichen Amerika. Daher musste der Song auf das Album.“

Traditionen bewahren, ohne Fehler zu beschönigen

Aber jeder, der glaubt, die beiden würden ihre Musik romantisieren, und die Zeit, aus der sie kommt, völlig unkritisch sehen, fehlt. Jon Hogan weiß sehr wohl um die nicht so guten Seiten der Countrymusik-Geschichtsschreibung in den Südstaaten. So hebt er den fälschlicherweise unterschätzten Beitrag von Sara und Maybelle Carter für den Erfolg der Carter Family hervor und bekräftigt: „In erster Linie waren es Frauen, die im Mittelpunkt des tiefsten, wahrsten Teils der Musik stehen, die wir Country nennen – und der Vereinigten Staaten selbst.“

Und er weiß sehr gut, dass Country-Musik im Süden aus einer rassistischen Gesellschaft hervorgegangen ist. Kein Wunder, dass Leslie Riddles Einfluss – er war ein wichtiger musikalischer Partner, Helfer und Freund der Carter-Familie – auch oft übersehen wird: „Diese Auslassung ignorierte die gesamte Geschichte des afroamerikanischen Beitrags zum Gesamtbild der Carter-Familie und der Countrymusik. Ein Beispiel für systemischen Rassismus, denke ich.“

So spielen Hogan & Moss in der Tat eine Old Time Music für das Hier und Jetzt. Sie bewahren die musikalischen Ausdrucksformen der einfachen Leute des alten unheimlichen Amerika, kritisieren das nicht hinnehmbare Unrecht in der Geschichte des Südens und wenden die musikalische Form in großartiger Weise auf die heutige Welt an.

Hogan & Moss – In The Golden West: Das 2020er Album

Hogan & Moss - In The Golden West

Titel: In The Golden West
Künstler: Hogan & Moss & The Old Weird America
Veröffentlichungstermin: 1. Januar 2020
Label & Vertrieb: Hogan & Moss
Format: CD & Digital
Tracks: 15
Genre: Americana, Country

Bestellen: In The Golden West

Trackliste: (In The Golden West)

01. The Highway Kind
02. Love Is A Losing Game
03. Ethel’s Lounge
04. Pepper
05. Too Long In The Wasteland
06. Pancho And Lefty
07. Beyond The Wall
08. Anything Less
09. You Are My Sunshine
10. Free From The Chain Gang Now
11. Caroline
12. Let Tomorrow Be The Day
13. The Golden Frame
14. Nothing
15. In The Shadow Of Clinch Mountain

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Über Thomas Waldherr (841 Artikel)
Redakteur. Fachgebiet: Bob Dylan, Country & Folk, Americana. Rezensionen, Specials.
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