Was für ein schönes Geräusch!
Tourstart in Dresden mit neuen Songs: Peter Maffay feiert sein 50. Bühnenjubiläum nach.
Es war alles geplant. Und es sollte eine wunderbare Reise durch die musikalische Welt des Peter Maffay von den Anfängen bis zur Gegenwart zu seinem 50. Bühnenjubiläum werden, mit einer großen Tour! Die Stadien waren gebucht, dann kam Corona und alles wurde anders. Glücklicherweise sind diese Zeiten (zumindest) in Ansätzen vorbei, Konzerte können – wenn auch mit Auflagen, wieder stattfinden und so machte sich auch der Deutschrocker Peter Maffay am vergangenen Wochenende auf, mit drei Open Air Konzerten in der Dresdner Freilichtbühne Junge Garde endlich seine Tournee zum 50-jährigen Jubiläum zu beginnen.
Nun mag sich manch einer fragen: Peter Maffay und Country, geht das zusammen? Doch! In der Zeitleiste weit zurück, nämlich in den 1970er Jahren, hat der Sänger nicht nur mit Schlager-Songs seine Popularität begründet. Schon davor trat er mit seiner ehemaligen Schulkameradin Margaret Kraus auf und sang Lieder von Bob Dylan und Pete Seeger. Gemeinsam mit Johnny Tame hat er 1977 auch ein Country-Rock-Album eingespielt und veröffentlicht, das zwei Jahre später sogar noch eine Fortsetzung fand. Zum anderen aber hat Peter Maffay vor einigen Tagen sein neues Album So weit (Sony) und versprochen, dass es ein sehr persönliches, intimes und in der Singer-Songwriter-Tradition stehendes Album wird. Die neue Scheibe werde „autobiografisch und persönlich, nachdenklich, reduziert und ohne Filter“ sein, schreibt Maffay auf Facebook. Und: Er könne sich nicht daran erinnern, wann es ein ähnliches Album von ihm gegeben habe. „So weit“ sei die „Quintessenz einer lebenslangen Reise – vom eigenen Ursprung bis heute.“ Kehrt er damit musikalisch zu seinen Wurzeln zurück? Noch wissen wir es nicht, aber das alles macht sehr neugierig auf die neuen Lieder und mündet in die Frage: Wird er in seinem Konzert Einblicke in seine neue Musik geben? Wie wird sie klingen?
Auf die Antwort mußen am ersten Konzertabend seine 3500 Fans noch etwas warten. Zwar startete er seinen Auftritt mit dem Song „Jetzt“ vom bisher letzten Studioalbum, griff dann aber erst einmal tief in seine Musikkiste, holte dabei „Liebe wird verboten“ vom 1980er Album „Revanche“ hervor, den er im Duett mit der stimmgewaltigen Linda Teodisio sang. Die Halbfinalistin der fünften Staffel der Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ ist seit 2013 Background-Sängerin in der Peter-Maffay-Band, hier streifte sie für einige Minuten das grelle Rampenlicht. Dieses Lied, wie auch viele andere an diesem Abend, wurden musikalisch ausgewalzt und oft mit minutenlangen instrumentalen Improvisationen angereichert. Hier ist es vor allem das Honkytonk Klavier von Pascal Kravetz, das im Ohr hängen blieb. Ebenfalls aus „Revanche“ stammte das nachfolgende „Weil es dich gibt“, das zunächst akustisch beginnt, sich nach und nach zu einer Popballade entwickelt, aber dann wird gnadenlos gerockt.
Schon jetzt hielt es kaum einen der Besucher auf den Sitzen. Zu sehr waren sie begeistert von diesem Mann und seiner Musik, der dort oben auf der Bühne ein Unterhaltungsprogramm ohne gleichen ablieferte. Jetzt feierte Maffay sein 50. Bühnenjubiläum nach und die Fans wollten mitfeiern. Und obwohl zu Beginn der Tourmanager verlauten ließ: „Bitte bleibt sitzen, solange es geht, aus Respekt vor dem nächsten Publikum. Wir wollen keine neuen Auflagen“, ließ sich die Begeisterung der Besucher kaum zügeln. Im Sitzen die Arme nach oben zu reißen, zu klatschen und mitzusingen, das kann ziemlich beschwerlich sein. Und doch bot sich ein stimmungsvolles Bild, was den Sänger, der sich zudem auch immer wieder nach vorne an den Bühnenrand wagte, zur Bemerkung hinreißen ließ: „Was für ein schönes Geräusch!“
Und wieder ging es musikalisch weit zurück. „Und es war Sommer“, ein Lied, das untrennbar mit dem frühen Peter Maffay verbunden ist. Lange Zeit galt es als eine sogenannte Schnulze, aber den Text und auch die Melodie kennt bis heute fast Jeder. Im Konzert hörte man dem Song sein Alter überhaupt nicht an, ganz im Gegenteil. Dann: „Alles begann mit zwei Buchstaben. Das Lied heißt „Du“, sagte der in wenigen Tagen 72-jährige und pustete mit einer fingerfertigen Bewegung auf den Gitarrensaiten und seiner kräftigen Stimme die 50 Jahre alte Staubschicht auf den Noten weg und machte das Lied zu einem zeitgemäßen, modernen Statement.
Gleich zehn Musiker scharrte Peter Maffay um sich, deren Spielfreude man jedem von ihnen in jedem Moment ansah. Jeder beherrschte sein Instrument hervorragend und viele von ihnen stehen schon Jahre an der Seite von Maffay auf der Bühne. Der Frontmann selbst trug zwar die meiste Verantwortung an diesem Abend, wirkte aber offenbar sehr locker und entspannt. Selbst als sein „langjähriger“ Gitarrist Carl Carlton mit Feedbackproblemen seines Monitors zu kämpfen hatte, nahm er es sehr gelassen und plauderte mit dem Publikum bis alles wieder stimmig war. Spaßeshalber tauschten die zwei auch mal ganz kurz den Platz hinter ihren Mikrofonen, was angesichts des Größenunterschiedes einige Lacher hervorrief.
Dann aber war es endlich soweit, die neuen Songs kamen an die Reihe und wurden an diesem Abend zum erstmalig auf einer Live-Bühne präsentiert. Als erstes: „Wenn wir uns wiedersehen“, ein sehr persönliches und intimes Lied über die Beziehung zu seinem Vater, der erst im Mai verstorben ist. „Wir wussten, dass es passieren wird. Deshalb habe ich ein Lied für ihn geschrieben.“ Im Text heißt es unter anderem: „Du hast mich zu dem gemacht was ich heute im Spiegel sehe.“ Eine großartige akustische Performance mit deutlichen Folk- und Country-Spuren. Der „Lockdown Blues“ dagegen war wieder kraftvoller, erinnerte im Sound an Südstaaten Rock. Für den dritten Song aus dem kommenden Album nahm Maffay am Klavier Platz. Dabei war es ihm etwas „unbehaglich“, da er „Respekt vor diesen Tasten“ habe. Dennoch gelang ihm eine wunderbare, sehr persönliche und emotionale Aufführung des Songs „Wann immer“, gewidmet seinen Kindern, aber vor allem seiner jüngsten Tochter Anouk. Das waren drei Lieder seines neuen Albums „So weit“, das am 17. September 2021 erscheint und die Fans in Dresden zum ersten Mal live hören konnten. Man darf gespannt sein auf den Sound des „Lockdown-Maffay“. Hier konnten Sie schon einmal überzeugen!
Klar, musste jetzt noch einmal gerockt werden, mit vielen bekannten Hits, und selbst die Balladen waren auf dieser Bühne keine Balladen mehr: Das nachdenkliche „Eiszeit“, das expressive „Karneval der Nacht“ und „Tiefer“, gespielt mit drei Akustikgitarren. Höhepunkt war zweifelsohne „Sonne in der Nacht“, wo besonders Gitarrist Carl Carlton und Keyboarder Pascal Kravetz auf ihren Instrumenten mit langen Soli glänzten. Fast schien es, als ende dieser Song nie, die Begeisterung des Publikums grenzenlos. Die wurden nach zweieinhalb Konzertstunden und bester Unterhaltung zurück in die Nacht geschickt. Fazit: Auch für den Country-Rock-Fan hat ein Peter Maffay Konzert einiges zu bieten. Sehr gespannt darf man auf die Lieder des neuen Albums sein, die eine Rückbesinnung auf die Folk-, Country- und Rock-Wurzeln Maffays versprechen.
Setlist: Dresden 2021
1000 Wege (Overtüre)
Jetzt!
Morgen
Luft & Liebe
100.000 Stunden
Liebe wird verboten
Weil es Dich gibt
Gelobtes Land
Und es war Sommer
Samstag Abend in unserer Straße
Du
Wenn wir uns wieder sehen
Lockdown Blues
Wann immer
Glaub an mich
Eiszeit
Tiefer
Karneval der Nacht
So bist du
Sonne in der Nacht
Über sieben Brücken mußt Du gehn (Zugabe)
Freiheit, die ich meine (Zugabe)
Peter Maffay – So weit: Das Album
Titel: So weit
Künstler: Peter Maffay
Veröffentlichungstermin: 10. September 2021
Label: RCA Deutschland (Sony Music)
Formate: CD, Vinyl & Digital
Tracks: 11
Genre: Rock, Country & Folk
Trackliste: (So weit)
01. Jedes Ende wird ein Anfang sein
02. Wenn wir uns wiedersehen
03. Wounded Knee
04. Odyssee
05. So weit
06. Weiter
07. Lockdown Blues
08. Nie mehr
09. Wir
10. Wann immer
11. Wir zwei