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Eric Bibb: Dear America

Das neue Album des Folksängers ist eine schonungslose Bestandsaufnahme Amerikas und doch auch ein Liebesbrief an dieses zerrissene Land. Und eines seiner besten Alben überhaupt.

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Eric Bibb - Dear America Eric Bibb - Dear America. Bildrechte: Mascot Label Group (Rough Trade)

Eric Bibb lebt schon seit einiger Zeit in Europa, er ist in Schweden heimisch geworden. Und doch lässt ihn sein Geburtsland nicht los. Am 16. August 1951 in New York City geboren – er feierte vor wenigen Wochen seinen 70. Geburtstag – wuchs er mitten im Greenwich Village, in der dortigen Folkszene auf. Sein Vater Leon war Folksänger, in seinem Haus gingen Pete Seeger und der junge Bob Dylan ein und aus. Und der legendäre afroamerikanische Bass-Bariton Paul Robeson war Erics Patenonkel. So war der Heranwachsende hautnah dran am gesellschaftlichen Aufbruch in den Sixites. Aber natürlich hat er auch den Rassismus erfahren und trauerte um den ermordeten Martin Luther King.

Die vielen Gesichter Amerikas

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So hat Bibb in seinem Leben die vielen Gesichter Amerikas kennengelernt: Das gute, das schlechte und das hässliche. Seit 1972 veröffentlicht er Platten und war und ist ein steter Wanderer. Erst durch die USA und dann um die Welt. Und hat immer schon in seinen Liedern Mißstände besungen. „Diese ganze Verbindung zwischen Musik und zukunftsweisenden sozialen Bewegungen war schon immer das Fundament. Ich habe nie ‚beschlossen‘, dass ich ein Autor von sozial pointierten Songs werden wollte. Es war in mir. Es muss einfach da sein. Ich schreibe, was ich sehe.“ Seine musikalische Grundierung legten Musiker wie Leadbelly, Woody Guthrie oder Odetta. Und wie diese auch, war und ist er immer auch von der Hoffnung durchdrungen. Wer ihn im Konzert erleben dufte, hat immer einen Sänger erlebt, der letztendlich mit einer frohen Botschaft unterwegs war.

Heimkehr als Inspiration

Im November 2019 kam er nach New York City zurück, um im Studio G in Brooklyn Dear America mit Produzent und Co-Autor Glen Scott, einer erstklassigen Studioband und Gästen wie dem Schlagzeuger Steve Jordan und der Gitarrensensation Eric Gales aus Memphis aufzunehmen. Es war die Zeit vor der Pandemie und dem Tod George Floyds. Aber die durch den damaligen Präsidenten Donald Trump befeuerte politische Polarisierung und gesellschaftliche Zerrissenheit war schon damals so präsent, dass sie Bibb zu starken Songs und Statements inspirierte. So wie der Titeltrack „Dear America“, sein eindringlicher Weckruf, dem er ein Martin Luther King-Zitat voranstellt. Oder „Emmett’s Ghost“. Hier lässt er den schrecklichen Mord an Emmett Till Revue passieren, dessen aufrührerischer Lynchmord im Jahr 1955 die Bürgerrechtsbewegung anheizte. „Der Song wurde vor dem George-Floyd-Fall geschrieben“, erklärt er, „aber ich habe das Gefühl, dass er gerade jetzt eine besondere Resonanz hat.“ Auf dem düsteren „Whole World’s Got The Blues“ zeigt Bibb ein Gespür, um das Unbehagen auf der Straße in seinem Heimatland und darüber hinaus zu erfassen. „Man braucht nur die Nachrichten einzuschalten, und schon sieht man einen Konflikt nach dem anderen“, sagt er zur aktuellen Situation in Amerika.

Konflikte und Hoffnung

Arm/Reich, Weiß/Schwarz, Abtreibungsgegner gegen Frauenrechte, Verschwörungsideologen gegen Corona-Maßnahmen, Republikaner gegen Demokraten – wo man hinschaut Konflikte wie Pulverfässer. Doch Bibb wäre nicht Bibb, wenn seine Botschaft nicht doch am Ende von Hoffnung durchdrungen wäre. In den optimistischen Schlusssongs „Love’s Kingdom“ (mit schönem Groove!) und „Oneness Of Love“ (mit berührendem Gesang von Lida Mills), lässt er keinen Zweifel daran. „Ich wäre kein Stadtschreier für schlechte Nachrichten“, sagt er, „wenn ich nicht denken würde, dass das Verbreiten schlechter Nachrichten ein Schritt hin zu guten Nachrichten ist. Dieses Album ist ein Liebesbrief“, sagt Bibb, „denn all die Leiden Amerikas und der Welt können nur durch diese Energie, die wir Liebe nennen, in eine Art Heilung und Gleichgewicht kommen. Das ist meine Überzeugung. Man sieht jetzt junge Leute die sich zum Beispiel der Black-Lives-Matter-Bewegung anschließen. Es gibt eine Art Nachhall dieser Energie aus den Sechzigern. Man kann eine gute Sache nicht aufhalten. Jetzt sind wir in diesem ‚watch and pray‘-Moment, und es ist eine unglaublich inspirierende Zeit, um Songs zu schreiben.“ Und dies hat er getan und das Ergebnis ist ein denkwürdiges Statemnt zu unseren Zeiten und eines seiner besten Alben überhaupt.

Fazit: Seit vielen Jahren ist er eine feste Größe auf den Konzertbühnen der Welt. Im reifen Alter hat er nun sein Meisterwerk als Songwriter geschaffen. Chapeau, Mr. Eric Bibb!

Eric Bibb – Dear America: Das Album

Eric Bibb - Dear America

Titel: Dear America
Künstler: Eric Bibb
Veröffentlichungstermin: 10. September 2021
Label: Mascot Label Group (Rough Trade)
Formate: CD, Vinyl & Digital
Tracks: 13
Genre: Folk, Americana

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Trackliste: (Dear America)

01. Whole Lotta Lovin‘ – mit Ron Carter
02. Born Of A Woman – mit Shaneeka Simon
03. Whole World’s Got The Blues – mit Eric Gales
04. Dear America
05. Different Picture – mit Chuck Campbell
06. Tell Yourself
07. Emmett’s Ghost – mit Ron Carter
08. White & Black
09. Along The Way
10. Talkin‘ ‚Bout A Train Part 1 – mit Billy Branch
11. Talkin‘ ‚Bout A Train Part 2
12. Love’s Kingdom – mit Tommy Sims & Glen Scott
13. One-ness Of Love – mit Lisa Mills

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Über Thomas Waldherr (806 Artikel)
Redakteur. Fachgebiet: Bob Dylan, Country & Folk, Americana. Rezensionen, Specials.
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