Trampled By Turtles: Alpenglow
Die Americana-Band aus Minnesota legt ihr zehntes und vielleicht auch stärkstes Album vor.
Musikgeschichte wird oftmals abseits der großen kommerziellen Erfolge und Chart-Paraden geschrieben. So gibt es Künstler, die ohne je einen Top-Ten-Hit zu haben, große Hallen füllen, Menschen begeistern und es schaffen, ein festes Band zu ihren Fans zu knüpfen. So wie die Americana-Stringband Trampled By Turtles, die längst Kultcharakter erlangt hat. Sie haben die traditionelle Stringband-Musik auf ein neues Fundament gestellt, in dem sie Rockmusik mit Streichinstrumenten spielen und stilprägend geworden sind. Seit fast 20 Jahren, als sich die sechs Jungs aus Minnesota im Folge der Renaissance der Old Time Music (ausgelöst durch den Filmsoundtrack von „O Brother Where Art Thou?“) zusammenfanden, sind sie On The Road und bringen Menschen zum tanzen, singen, lachen und weinen.
Nun haben sie mit Hilfe von Jeff Tweedy von Wilco ihr zehntes Album veröffentlicht und es ist einfach eine große Freude. Der Titel Alpenglow, also „Alpenglühen“, ist der Begriff dafür, wenn die Sonne in der Morgen- und Abenddämmerung ein rötliches Leuchten über die Berge wirft. Ein Zeichen, das Hoffnung und Wärme gibt. Und so auch dieses Album. Es feiert schlichtweg das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen und Songwriter und Leadsänger Dave Simonett bringt es fertig, diese Gefühle in wunderschöne, eingängige Songs zu übertragen. Songwriting as it’s best. Kein Wunder, dass die sechs Minnesota-Boys in ihrem Programm auch immer einen Song des anderen großen Songwriters aus Minnesota, Mr. Bob Dylan, haben.
Es geht los mit der melancholischen Schönheit von „It’s So Hard To Hold On“. Hier geht es um die Schönheit des Vergänglichen und dass man jeden Moment genießen soll, solange man noch die Möglichkeit dazu hat. Zu diesem Song gibt es ein wunderschönes Video, in dessen Mittelpunkt Fanerinnerungen an Konzerte der Turtles stehen. Ein tolles Zeichen der Verbundenheit der Band mit ihrem Publikum. Beim schwungvollen „On The Highway“ geht es um die klassischen amerikanischen Fragen des Umherziehens in der Weite des Landes und dass es trotzdem wichtig ist, irgendwo Wurzeln schlagen. Dazu kontrastiert genial das Video dazu, das uns auf einen Spaziergang mitten durch Downtown Chicago am Fluss entlang mitnimmt.
Ganz zurückgenommen, musikalisch spartanisch besetzt und menschlich zerbrechlich klingt dagegen der „Central Hillside Blues“, der die Vergangenheit und den Verlust thematisiert. Schneller wird es wieder bei „Burlesque Desert Window“, der die Verlorenheit und die Schicksale des amerikanischen Heartlands mit fast schon Dylan’scher Surrealität schildert. Einen einzigen Song hat nicht Dave Simonett geschrieben, sondern Jeff Tweedy. „A Lifetime To Find“ ist ein Song über den Tod und passt daher genau auf diese Platte, denn er gehört ja bekanntlich zum Leben dazu. Das Album endet dann völlig angemessen mit „The Party’s Over“, einer sentimentalen Ballade von einem, der sich an seine Jugend, an sein Feuer, an seine Liebe erinnert. Da kann man schon mal ein paar Träne vergießen. Herrlich!
Fazit: Ein fast schon perfektes Album. Stimmungen und Tempi wechseln, die Melodien sind eingängig, die Musik wunderschön, die Reihenfolge der Songs ist richtig so. Eines der besten Americana-Alben der letzten Jahre.
Trampled By Turtles – Alpenglow: Das 2022er Album
Titel: Alpenglow
Künstler: Trampled By Turtles
Veröffentlichungstermin: 28. Oktober 2022
Label: Banjodad, Thirty Tigers (Membran)
Formate: CD, Vinyl & Digital
Tracks: 11
Genre: Americana
Trackliste: (Alpenglow)
01. It’s So Hard To Hold On
02. Starting Over
03. Central Hillside Blues
04. On The Highway
05. A Lifetime to Find
06. Nothing But Blue Skies
07. Burlesque Desert Window
08. All The Good Times Are Gone
09. We’re Alright
10. Quitting Is Rough
11. The Party’s Over