Swamp Dogg: Blackgrass. From West Virginia To 125th St
Mit seinem neuen Album geht der legendäre schwarze Musiker seinen Weg in die Countrymusik ebenso konsequent wie brilliant weiter.
Vor vier Jahren haben wir an dieser Stelle das Album „Sorry You Couldn’t Make It“ des Soul & R&B-Urgesteins Swamp Dogg alias Jerry Williams Jr. vorgestellt. Er erfüllte sich damals einen lang gehegten Traum, in dem er sein erstes Countrymusik-Album seiner Karriere veröffentlichte. Wichtiger Partner damals: Die inzwischen verstorbene Country-Singer-Songwriter-Legende John Prine. Nun geht Swamp Dogg noch einen Schritt weiter. Auf seinem neuen Album „Blackgrass: From West Virginia To 125th St“ ergänzt er die Countrymusik um das Bluegrass-Genre. Und mit dem Titel weist er auf den Weg der Musik hin: Aus den Appalachen bis nach Harlem, New York City.
Die schwarzen Ursprünge des Bluegrass
„Nicht viele Leute sprechen über die wahren Ursprünge der Bluegrass-Musik“, sagt Swamp Dogg, „aber sie stammt von Schwarzen. Das Banjo, der Waschtrog, all das hat mit Afroamerikanern begonnen. Wir haben es schon gespielt, bevor es überhaupt einen Namen hatte.“ Und in der Tat hatte Bill Monroe, der allgemein als „Vater des Bluegrass“ gilt, ganz bewusst afroamerikanische Musikelemente – er war ja direkt von dem schwarzen Musiker Arnold Shultz beeinflusst – mit der alten Mountain Music der Appalachen gemischt. Und das Banjo, das im Folk- und Bluegrass so eine wichtige Rolle spielt, ist ursprünglich ein afrikanisches Instrument.
Illustre Musikerschar
Für dieses Album hat Swamp Dogg nun eine illustre Musikerschar angeheuert. Mit dabei sind u.a. Chris Scruggs, Enkel des Banjo-Virtuosen Earl Scruggs und Mitglied von Marty Stuarts „Fabolous Superlatives“, Scruggs’ Marty Suart-Bandmate Kenny Vaughan, Bluegrass-Legende Jerry Douglas, Bluegrass-Jungstar Sierra Hull und Country-Singer-Songwriterin Margo Price. Entstanden ist ein großartiger, wunderbar vielfältiger Bluegrass-Country-Soul-Longplayer. Mit 81 Jahren hat das ehemalige Enfant Terrible der Soul und R&B-Szene scheinbar endlich seinen sicheren Hafen gefunden, in dem er zu seinen Wurzeln gefunden hat und sich trotzdem zu seiner Vielfalt bekennt. „Ich versuche, jede Art von Musik anzusprechen, mit der ich aufgewachsen bin und die ich liebe und höre. Das ist meine Art, die Leute wissen zu lassen, dass ich nicht nur ein Soulsänger bin oder was auch immer sie denken, dass ich es bin. Ich bin so viel mehr“, so seine selbstbewusste Ansage.
Countrymusik mit anarchistischem Humor
Und so startet das Album mit „Mess Under That Dress“ mit einem wunderbar flotten Bluegrass-Stück. Dass Swamp Dogg seinen wunderbar anarchistischen Humor nicht verloren hat, zeigt dann das Bluegrass-Crooner-Stück „Ugly Man’s Wife“. Aber Williams Jr. gibt uns mit „Curtains On The Window“ auch einen richtigen Honky Tonk-Song, der mit originellen Bildern das alte Thema „verlassen werden“ variiert. Ein feines Kabinettstückchen ist dann „The Other Woman“, bei der Margo Price und Swamp Dogg das ewige Country-Thema der betrogenen Ehefrau genüsslich aufspießen.
Williams Jr. lässt so gut wie kein Country-Thema aus. Denn zwischendurch streut er immer wieder Klassiker ein wie „Have A Good Time“ (Boudleaux Bryant, Felice Bryant) oder „Gotta Have My Baby Back“ (Floyd Tillman), die so arrangiert sind, dass sie Chet Atkins‘ Nashville Sound alle Ehre machen und ein bisschen an Songs von Eddy Arnold oder Patsy Cline erinnern. Uns zum Album-Abschluss gibt es dann auch noch eine Mörderballade. Und diese ist höchst furios, voll bösem Humor und mit einer bitteren Aktualität. Hier ist ein Mörder unterwegs, der so verkorkst ist, dass er aus reiner Mordgier tötet, der seine Eltern hasst und ihnen zugleich stolz seinen zweifelhaften Ruhm aus den Nachrichtenkanälen präsentiert und am Ende als weißer Junge in einer Reihe mit den schwarzen Jungs, von denen er sich laut seinem Vater ja so seht unterscheidet, in schwarz-weiß gestreiften Klamotten auf dem elektrischen Stuhl endet. Bämm!
Ein Album, das ausgezeichnet gehört
Es ist ein fantastisches Album auf dem sich Swamp Dogg auch als Countrysänger treu bleibt. „Ab 1970 sang ich über Sex, Nigger, Liebe, Rednecks, Krieg, Frieden, tote Fliegen, Hausräuber, Sly Stone, meine Töchter, Politik, Revolution und Bluttransfusionen (um nur einige Themen zu nennen“, sagte er zum Erscheinen des Vorgängeralbums. Mit „Blackgrass“ hat er ein Album am Start das mit großer Liebe ans Country-Genre gemacht ist, in seiner Respektlosigkeit aber oftmals darüber hinaus geht. Und da merkt man, warum er sich so gut mit John Prine verstanden hat. Für den stand auch immer der Mensch im Mittelpunkt des Countrysongs. Nicht Religion, nicht die heilige Familie oder das Land, sondern immer der Mensch. Dass das Album nun auf dem von John Prine gegründeten „Oh Bay“-Label veröffentlicht worden ist, schließt den Kreis. Ebenso, dass Swamp Dogg in Alice Randalls Buch „My Black Conutry” als ganz wichtiger schwarzer Country-Protagonist genannt wird. Und das begleitende Musikalbum ebenso bei „Oh Boy“ erschienen ist.
Fazit: Ein Album, das ausgezeichnet gehört. Weil es so viel großartige Musik enthält, weil es so tolle Geschichten erzählt, weil es die im Country-Business leider immer noch viel zu oft vorhandenen Rassenschranken schlichtweg wegfegt und damit Country-Geschichte schreibt. Outstanding!
Swamp Dogg – Blackgrass. From West Virginia To 125th St: Das 2024er Album
Titel: Blackgrass. From West Virginia To 125th St
Künstler: Swamp Dogg
Veröffentlichungstermin: 31. Mai 2024
Label: Oh Boy Records
Vertrieb: Membran
Formate: CD, Vinyl & Digital
Tracks: 12
Genre: Country, Bluegrass
Trackliste: (Blackgrass. From West Virginia To 125th St)
01. Mess Under That Dress
02. Ugly Man’s Wife
03. Curtains On The Window
04. Have A Good Time
05. The Other Woman (feat. Margo Price)
06. Songs To Sing
07. Count The Days (feat. Jenny Lewis)
08. Gotta Have My Baby Back
09. Your Best Friend
10. This Is My Dream
11. Rise Up (feat. Vernon Reid)
12. Murder Ballad