Brad Paisley: Play
Es ist schon eine mutige Entscheidung, wenn man sich als Mainstream-Künstler auf dem vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere dazu entschließt, ein Album aufzunehmen, das so überhaupt nicht den Erwartungen seines Publikums entsprechen mag. Auf den ersten Blick zumindest. Denn Brad Paisley ist seit jeher dafür bekannt, auf jedes seiner Alben eine Instrumentalnummer zu packen. Eine davon – „Throttleneck“ – wurde sogar kürzlich mit einem Grammy veredelt. Trotzdem standen und stehen seine „richtigen“ Songs immer im Vordergrund und deshalb sollte und konnte auch dieses ursprünglich als rein instrumentales Werk geplante Album nicht ganz ohne sie auskommen. Schließlich will man auch ein wenig Material für die Charts in der Hinterhand haben, um den kommerziellen Erfolg wenigstens ein bisschen abzusichern. Und somit stehen dann letztendlich vier Gesangsnummern im Kontrast zu sage und schreibe elf Gitarrengewittern.
Das ist ’ne ganze Menge, bei der sich Brad Paisley einmal quer durch den Stil- und Genregarten pickt. Da gibt es elektrifizierten Bluegrass in Form von „Kentucky Jelly“, Classic Rock mit „Departure“ und „Cliffs of Rock City“, eine Verneigung vor einem oder vielleicht sogar DEM Gitarrengroßmeister schlechthin, Les Paul (gleichzeitig auch Schöpfer des berühmten Gibson Les Paul Modells) mit „Les Is More“ und sogar einen Ausflug in den Surfsound der 60er: „Turf’s Up“. Einiges davon hätte man sich auch gut auf einem seiner früheren Alben vorstellen können. Instrumentale Dauerfeuer wie das bluesige „Playing With Fire“ oder „Cluster Pluck“ dagegen werden wohl nur bei Musikern punkten können – wenn überhaupt. Dabei hatte man sich für letzteres gerade so viel Mühe gegeben und sage und schreibe sieben (!!!) Telecaster-Legenden ins Studio geholt: Vince Gill, James Burton, Albert Lee, John Jorgensen, Brent Mason, Redd Volkaert und Steve Wariner dürfen bei dieser Nummer mal allesamt ordentlich „von den Saiten ziehen“. Leider ist so gut wie nicht herauszuhören, wer hier welches Solo, welches Lick beigesteuert hat. Großes Gitarreninferno – noch größeres Chaos.
Angenehmer sind da schon die anderen musikalischen Gäste hier, wie z.B. Keith Urban, der sich mit Brad auf der ersten Singleauskopplung, „Start a Band“, nicht nur ein Duett, sondern sogar ein kleines Duell liefert. Wer den Gitarrenstil der beiden kennt und sie auseinander halten kann, wird am Finale des Songs seine wahre Freude haben. Traditioneller wird’s dann bei „Come On In“, einem bisher unfertigen Song von Buck Owens, den dieser kurze Zeit vor seinem Tod im Frühjahr 2006 noch auf einem Demoband festgehalten hatte. Ein Duett mit der Legende des Bakersfield-Sounds war schon lange ein Wunsch von Brad und hier konnte er ihn nun endlich umsetzen. Halb Brad, halb Buck – das macht richtig Spaß und ist traditioneller Country der feinsten Sorte. Gemeinsam mit Schmusekater Steve Wariner wird dann bei „More Than Just This Song“ den beiden Herren gehuldigt, die Brad und Steve das Spielen beigebracht und sie mit ihrem Stil maßgeblich geprägt haben: Clarence „Hank“ Goddard bei Brad und kein Geringerer als Chet Atkins bei Steve. Dass der Song dann etwas arg rührselig ausfällt, sei den beiden verziehen. Schließlich sind beide „Lehrer“ schon vor einigen Jahren gestorben und da ist es kein Wunder, wenn bei den Aufnahmen etwas Sentimentalität herrschte. Das schwächste der vier Duette ist wohl das mit der größten musikalischen Legende: B.B. King. Gemeinsam mit Brad lässt er „The Good Times Roll“ und verliert sich dabei in einer Standard-Bluesnummer. Schade, da wäre bei B.B. und B.P. sicherlich mehr drin gewesen.
Als Zugabe gibt es dann noch eine neue Version von „Waitin‘ On A Woman“, das bereits auf Brads 2005er Album „Time Well Wasted“ erschienen ist, allerdings erst kürzlich als Single ausgekoppelt wurde. Die hier enthaltene Version ist die, wie man sie auch im dazugehörigen Videoclip sehen konnte – inklusive gesprochener Sequenzen von Schauspieler Andy Griffith und einem ganz im Sinne des Albums verlängerten Gitarrensolo am Ende.
Famous last words: Zweifellos ein mutiger Schritt und ein großes Risiko, das Brad Paisley hier mit diesem Projekt eingegangen ist. Leider zahlt es sich nur teilweise aus und wirkt stellenweise nur wie eine halbherzige Angelegenheit, obwohl es sich laut Brad um die Erfüllung eines Traums handelt. Vielen Fans werden die vier Gesangsnummern zu wenig sein. Die Gitarristen werden wiederum bemängeln, dass eben diese vier Songs einen natürlichen Fluss des Albums verhindern. Trotz aller Kritik ist und bleibt „Play“ eines der interessantesten Projekte, die dieses Jahr in der Music City produziert wurden.
Trackliste:
01. Huckleberry Jam |