Brad Paisley: American Saturday Night
Im Voraus angekündigt als sein bisher persönlichstes Album mit dem – seiner Meinung nach – bisher wichtigsten Song seiner Karriere, wurde „American Saturday Night“ mit einer Spannung erwartet, wie selten zuvor eine CD von Brad Paisley. Der Superstar aus Glen Dale, West Virginia, der erst wenige Wochen vor der Veröffentlichung mit der ersten Auskopplung „Then“ seine zehnte Nr. 1 Single in Folge in den Billboard Country Charts feiern konnte, hat in den letzten Jahren sowieso einen absoluten Lauf.
Alles was er anpackt, scheint ihm zu gelingen und sich in Gold- und Platinauszeichnungen zu verwandeln. Er weiß inzwischen genau, wie er den Nerv seines Publikums treffen kann und mit welchen Songs sich die Erfolge einfahren lassen. Dass aber bei aller Erwartungserfüllung die Innovation und Weiterentwicklung dennoch nicht zu kurz kommt, ist ein weiterer Beweis für sein „glückliches Händchen“.
Vergleicht man das neue Album mit dem Vorgänger „5th Gear“ – das größtenteils instrumentale „Play“ von 2007 außen vor gelassen – fällt einem vor allem auf, dass die an allen Ecken lauernde „Witz komm raus“-Taktik diesmal einen Gang – wie passend – zurückgeschaltet wurde. „American Saturday Night“ schafft es vor allem durch seine Gelassenheit und Unangestrengtheit zu überzeugen – auch wenn hinter den Songs natürlich wie immer harte Arbeit gesteckt hat. Eine weitere Neuerung ist der erstmals vorhandene Anteil an Selbstreferenzen auf’s eigene musikalische Schaffen. Denn eine ganze Reihe von Songs hat bereits „größere Brüder“ auf anderen Alben von Brad Paisley.
Fangen wir an mit dem Titelsong, bei dem eine Verwandtschaft zu „The World“ vom 2005er Album „Time Well Wasted“ nicht zu verleugnen ist. Oder das sommerliche „Water“, das in etwa eine Kombination darstellt aus „Ticks“ und „Some Mistakes“ (beide von „5th Gear“, 2007), dabei aber gleichzeitig eine Hommage an alte Alabama-Hits, wie „Dixieland Delight“ oder „Mountain Music“, zu sein scheint. Auch auffällig ist die Ähnlichkeit zwischen „Catch All The Fish“ und „Mr. Policeman“ (wieder vom 2007er „5th Gear“ Album). Ein anderer roter Faden, der sich inzwischen durch Paisleys gesamtes Werk zieht, sind die persönlichen Bezüge auf sich selbst und seine Familie. So ist es keine Überraschung, dass auch diesmal wieder seine Frau („She’s Her Own Woman“), seine Kinder („Anything Like Me“) und sein Großvater („Welcome To The Future“, „No“) besungen werden.
Bei allen Ähnlichkeiten und Parallelen ist „American Saturday Night“ aber trotzdem ein Album der Veränderung, des Wechsels bzw. „Change“, um das Obama-Motto aufzugreifen. Textlich erlebt man hier einen sozial- und gesellschaftskritischen Paisley wie selten zuvor. „Welcome To The Future“, mit seinen an die Zeit des Synthie-Pops der 80er Jahre erinnernden Keyboards, ist dafür das Paradebeispiel – ein Song, der selbst mit seinen annähernd sechs Minuten noch zu kurz ist. Geht es in der ersten Strophe noch um technologischen Fortschritt, wird in der zweiten schon die Globalisierung thematisiert – in diesem Falle die Zusammenarbeit zwischen Japan und den USA – um dann in der dritten Strophe letztendlich die Geschichte der „Black People“ im Zeitraffer abzuhandeln. Was da alles passiert ist: von der Zeit der getrennten Sitzplätze im Bus oder der Rassentrennung im Allgemeinen, bis hin zu Martin Luther Kings „Dream“, der jetzt mit der Präsidentschaft von Barack Obama näher an der Realität zu sein scheint als je zuvor. Paisley selbst bezeichnet den Song als das Größte und Wichtigste, das er bisher aufgenommen hat.
Oder nehmen wir den Titelsong des Albums, der den amerikanischen Patriotismus mal von einer ganz anderen Seite her anpackt. Ohne die verschiedenen europäischen kulturellen Einflüsse, wäre Amerika nämlich heute auch nicht das, wofür es bekannt ist. Angefangen bei deutschen Autos und brasilianischen Stiefeln, über italienisches Eis bis hin zur Musik der britischen Beatles, die wiederum einen Song über die USSR gemacht haben. Schöne Idee, das mal in einen Song zu verpacken.
Wer aber denkt, bei all diesen seriöseren Themen käme der für Paisley typische Humor auf diesem Album zu kurz, der irrt. Nummern wie das sich beinah selbst überschlagende „Catch All The Fish“, das an Johnny Cash erinnernde, freche „You Do The Math“ oder der traditionelle Honkytonk-Shuffle „The Pants“ – eine von den inzwischen auch schon typisch gewordenen „Mario Barth Nummern“, bei denen die Unterschiede zwischen Mann und Frau auf tiefstgehende Art und Weise behandelt werden – sorgen für die nötigen Lacher auf dieser CD. Für den humoristischen Anteil waren bislang auch immer die „Abenteuer der Kung Pao Buckaroos“ eine verlässliche Konstante. Leider fehlt dieses Element diesmal, ohne die Angabe von Gründen, gänzlich. Ebenso wie das obligatorische Instrumentalstück, wobei hier eventuell das nicht näher bezeichnete Stück am Ende des Albums, ein Wiederaufgreifen des „Welcome To The Future“ Themas – es kursierte dafür mal die Bezeichnung „Back To The Future“ – diese Funktion erfüllt. Auch das traditionelle Gospel am Ende des Albums wird vermisst, wobei mit „No“ dennoch ein christlich-religiöser Song vertreten ist, der wieder einmal eine von Paisleys Stärken unter Beweis stellt, nämlich Humor und Tragik in einem einzigen Song unterzubringen.
Famous last words: Mit „American Saturday Night“ ist es Brad Paisley gelungen, ein Album abzuliefern, das möglicherweise neue Maßstäbe setzen wird. An diesem durchweg hohen Niveau der Songs werden sich die Kollegen und vor allem auch Brad Paisley selbst zukünftig messen lassen müssen. Alle Songs wurden übrigens von Paisley selbst mit seinem festen und erprobten Team von Co-Autoren geschrieben. Auf dem Produzentenstuhl saß wie immer Frank Rogers.
Trackliste:
01. American Saturday Night |