Waylon Jennings – Goin‘ Down Rockin‘
Es gibt Songs, die verbreiten gute Laune. Oft hat man sie schnell vergessen. Es gibt Songs, die verbreiten Traurigkeit. Sie bleiben oft länger als die fröhlichen Songs. Es gibt Interpreten, die findet man gut bis toll. Deren Halbwertzeit ist auch oft eher gering. Und dann gibt es Interpreten, die einen berühren, treffen, oft mitten ins Herz, und die bleiben – im Kopf, im Herzen und meist auch im Leben.
Waylon Jennings traf mich, mit voller Heftigkeit, irgendwann im Jahr 1979. Ich hatte zunächst keine Ahnung, wer mich da getroffen hatte. Mir war wohl seinerzeit noch nicht mal bewusst, dass er mich getroffen hatte. Und warum sage ich das alles zu Beginn einer CD Besprechung? Nun, vor mir liegt das oben genannte Album von Waylon Jennings, Goin‘ Down Rockin‘. Es ist nicht irgendein Album, sondern es sind die letzten Aufnahmen des legendären Sängers, Songwriters und Musikers aus Littlefield, Texas.
Über zehn Jahre lagen diese Aufnahmen im Fundus von Robby Turner, Steeler in Waylons Band seit dem Abschied von Ralph Mooney 1989. Robby Turner erzählt, dass er dachte, Waylon wollte in Turners neuem Studio Demoaufnahmen machen, als dieser den Wunsch äußerte, einige Songs aufzunehmen. Waylon sagte, er wolle aufnehmen. Turner fragte nach Beendigung der Aufnahmen, bis wann diese fertig sein sollten, worauf Waylon entgegnete, es gebe keine Deadline. „Beende sie einfach irgendwann.“
Und diesem Projekt hat sich der Multi-Instrumentalist Robby Turner dann in diesem Jahr gewidmet. Natürlich ist Reggie Young dabei, der ebenfalls legendäre Gitarrist, der sowohl in der Band der Highwaymen als auch in der „Waymore’s Blues Band“, der letzten Band von Waylon mitspielte. Und auch Richie Albright, Waylon’s langjähriger Drummer, ist dabei, wie auch Carter und Barney Robertson. Sie alle gehörten der Waymore’s Blues Band an, so wie auch Reggie Youngs Frau Jenny Lynn Young, die ebenfalls hier zu hören ist. Und auf dem Titelsong hört man Tony Joe White, Co-Autor eben dieses Songs, als Duettpartner.
Was dabei herauskam, ist das vorliegende Album. Zwölf Songs, von denen Einige neu sind und Andere neu aufgenommen wurden. „Belle Of The Ball“ soll Waylons Lieblingssong gewesen sein. Die erste Zeile dieses Songs steht auch auf seinem Grabstein: „A vagabond dreamer, a rhymer and singer of songs“. Natürlich ist er auf dem Album zu hören. Als Waylon seinerzeit die Musiker für die Waymore’s Blues Band anheuerte, hat er gesagt, „Vergesst alles, was Ihr mich bisher habt tun hören. Ich möchte, dass Ihr das spielt, was Ihr fühlt!“ Und Robby Turner führte zu den Aufnahmen dieses Albums aus: „Reggie (Young) und ich spielten immer so lange, bis Waylon lächelte. Also haben wir mit diesen Songs so lange rumgespielt, bis wir der Meinung waren, dass er lächelte.“
Dem Album merkt man das an. Es klingt exakt so, wie man Waylon Jennings aus seinen letzten Jahren kannte. Robby Turner hat exzellente Arbeit abgeliefert und aus den letzten Aufnahmen eines der großen Stilisten der Country Music ein Album gezaubert, auf das dieser sehr stolz wäre. Es ist sein letzter musikalischer Gruß an die Welt. Ein dickes Booklet mit einem Text von Colin Escott, Dankestexten von Robby Turner und Waylons Witwe Jessi Colter sowie vielen Fotos komplettieren diese besondere Veröffentlichung.
Fazit: Es ist schön, diese Aufnahmen zu hören. Man schließt die Augen und spürt die Präsenz eines der Größten Künstler der Country Music. Aber es macht auch traurig. Das Buch ist zugeklappt. Wie sagt das Booklet, das (natürlich) den Vergleich zu den letzten Aufnahmen von Waylons engem Freund Johnny Cash herstellt? „Johnny Cashs letzte aufgenommene Worte waren „Nearer my God to Thee“ (aus dem Carter Family Song ‚Engine 143‘, Anm. des Autors), Waylons waren Goin‘ Down Rockin‘„. Wir sollten Robby Turner dankbar sein!
Trackliste:
01. Goin‘ Down Rockin‘ |