Carrie Underwood: Storyteller
Sie ist zwar erst 32, aber Carrie Underwood steht nun bereits seit zehn Jahren im Rampenlicht, seit sie 2005 als erste Countrysängern den American-Idol-Wettbewerb (vergleichbar mit Bohlens „DSDS – Deutschland sucht den Superstar“, allerdings wesentlich nachhaltiger) gewann. Vom Beginn ihrer Karriere war sie stimmlich und von der Songauswahl stark beeinflusst von den großartigen Country-Pop-Diven der 1990er Jahre wie Reba McEntire, Shania Twain, Martina McBride und Faith Hill, die mit den starken Stimmen Arenen füllten und im Country-Radio herrschten. Auch was Aussehen und Glamour angeht, war Underwood wie eine jüngere Ausgabe dieser Damen. Ihr erster großer Hit „Jesus Take The Wheel“ ist aber bei aller Stimmgewalt auch ein für Country so typischer Song, weil er eine Geschichte erzählt.
Doch in den vergangenen zehn Jahren hat sich die kommerziell erfolgreiche Countrymusik verändert. Musikalisch haben sich jüngere Countrysänger erfolgreich der Stilelemente des R&B, des Rock und sogar des Hip Hop bedient. Wie hat Carrie Underwood sich in Storyteller, ihrem ersten Album nach drei Jahren, dieser Herausforderung gestellt? Das hübsche Cover des Albums zeigt Carrie Underwood im hübschen, kurzen Retro-Dress der 1970er Jahre. Doch eigentlich ist das Album nicht nostalgisch: Underwood hat sich zu ihrem langjährigen Produzenten Mark Bright dessen jüngere Kollegen Jay Joyce (Eric Church und Little Big Town) und Zach Crowell zur Arbeit geholt. Letzterer hat Sam Hunt zu großem Erfolg geführt und sorgt auch auf diesem Album für Furore. Das wunderschöne Liebeslied „Heartbeat“ stammt aus seiner Feder und sein Schützling Sam Hunt ist als Hintergrundstimme zu hören.
Auf ihren ersten vier Alben klang Carrie meist direkt, stimmlich stark, aber oft ziemlich gleich. In „Storyteller“ ist sie sich stilistisch wesentlich flexibler und nützt ihre stimmliche Kapazität viel mehr aus als bisher. Mal Janis Joplin, mal Patsy Cline, mal Reba McEntire, wie ein Kritiker bemerkte. Gleichzeitig folgt sie dem Titel ihres Albums konsequent, indem sie als Geschichtenerzählerin auf Inhalte Wert legt. Stilsicher singt sie das einfache Mädchen über den verrufenen Vamp bis hin zur eleganten Diva.
„Dirty Laundry“ und „Church Bells“ erzählen jeweils „unmoralische“ Geschichten, und Carrie selbst nennt sie „dirty“, wobei die Geschichte in „Church Bells“ an die witzige Mordballade der Dixie Chicks „Goodbye Earl“ erinnert. In „Mexico“ ist Carrie dann die Frau, der eine langjährige Haftstrafe bevorsteht, wobei wir allerdings nicht erfahren, was genau sie angestellt hat. Die aktuelle Single „Smoke Break“ (Top 10 zurzeit) geht auf das schwierige Leben einer alleinstehenden Frau mit Kindern ein, die es mit Mühe schafft, sich in der harten Arbeitswelt durchzusetzen. Der Song, so erzählt Carrie Underwood soll eine Hymne für die hart arbeitenden Menschen sein. „Relaps“ ist die bekannte Geschichte der Frau, die nun endlich über ihn hinweg gekommen ist, schön gesungen. „Chaser“ verbreitet dann eher gute Laune, was Carrie hörbar Vergnügen bereitet. Eingängig, mal eher ohne Tiefgang ist „Clock Don’t Stop“.
Aber die Höhepunkte des Albums folgen noch: Da wäre die wunderbar cool dargebotene Skandalgeschichte „Choctaw County Affair“, in Carrie stark an die großartige Bobbie Gentry und deren 1970er Jahre Hit „Ode To Billie Joe“ erinnert. Zwei weitere Lieder haben Hitpotenzial: „The Girl you think I am“ gibt Carrie die Möglichkeit, ihre Begabung als Balladensängerin zu zeigen und schön, wenngleich eher poppig „What I Never Knew I Always Wanted“. Hier besingt sie ihre Liebe zum Gatten Mike Fisher und dem gemeinsamen acht Monate alten Sohn auf höchst persönliche Weise. Auch „Like I’ll Never Love Again“ ist eine gelungene Ballade.
Fazit: Ja, Carrie Underwood klingt sehr modern, aber sie hat trotzdem ein Country-Herz bewahrt. Auch wenn die Produktion manchmal etwas zu heftig und zu laut ist, gelingt es ihr, ihr eigenes, ganz persönliches Profil zu zeigen. Die Songauswahl gefällt, obwohl ich zugeben muss, dass das Zuhören nicht so leicht fällt wie zum Beispiel bei Kacey Musgraves‘ oder Miranda Lamberts Musik.
Titel: Storyteller
Künstler: Carrie Underwood
Veröffentlichungstermin: 23. Oktober 2015
Label: Arista Nashville
Vertrieb: Sony Music (RCA)
Format: CD & Digital
Laufzeit: 45:42 Min.
Tracks: 13
Genre: Country
Bewertung: 3,5 von 5 möglichen Punkten!
Trackliste:
01. Renegade Runaway
02. Dirty Laundry
03. Church Bells
04. Heartbeat
05. Smoke Break
06. Choctaw County Affair
07. Like I’ll Never Love You Again
08. Chaser
09. Relapse
10. Clock Don’t Stop
11. The Girl You Think I Am
12. Mexico
13. What I Never Knew I Always Wanted