Der letzte „Outlaw“ Willie Nelson feiert am 29. April seinen 85. Geburtstag
Zeitlebens "On The Road Again" – Ein Reisender in Sachen Musik.
Er muss es Niemanden mehr beweisen, und dennoch tut er es Jahr für Jahr, immer wieder. Kaum ein anderer Künstler ist im Studio so produktiv, liefert so hochwertigen Output, veröffentlicht Album auf Album mit neuem Material – und bewegt sich dabei ohne Grenzen im musikalischen Raum, wie Willie Nelson, der Mann mit dem zerknitterten, aber stets freundlichen Gesicht, das umrahmt ist von ehemals hüftlangem und heute bis auf Schulterlänge gestutzten hellblonden Haar. Nelson kommt vom klassischen Country. Zwar hören sich heute viele seiner frühen Aufnahmen kitschig und schwülstig an. Wie jeder eigenwillige und talentierte Künstler aber, der seinen Weg bereits kennt, bevor er ihn gegangen ist, entwickelt er sich in die vorgegebene Richtung. Heute ist er im Rock, Jazz, Blues, Reggae, Gospel ebenso zuhause und beherrscht ohne Zweifel auch die vielfältigen Zwischentöne. Als Sänger mögen ihn die einen belächeln, die „Fachwelt“ indes ist sich einig: Willie Nelson ist einer der ganz Großen. Einer, der sich kaum um Konventionen schert, der sein Ding durchzieht, dabei aber immer stets nahbar, freundlich und natürlich bleibt. Nicht nur wegen seines Äußeren erscheint Nelson wie Cowboy und Indianer, ist ein Hippie in Cowboystiefeln und natürlich auch eine amerikanische Legende, eine Ikone, ein stählernes Symbol des „American Way Of Life“.
Um als Sänger und Songschreiber Fuß zu fassen, zieht es ihn als jungen Mann zunächst nach Nashville. Doch frühzeitig kehrt er dem Country-Mekka wieder den Rücken, zu sehr hat er einen eigenen Kopf, will seine Geschicke selbst lenken, statt sich zu verbiegen und anzupassen. Mit Cash, Kristofferson und Jennings bildet er die legendären „Highwaymen“, die letzten amerikanischen „Outlaws“. Drei Alben entstehen, denen die Freude am Spiel und an den Liedern anzuhören ist. Kein Kommerzdruck, kein Zwang. Zusammen stehen sie sogar in Deutschland auf der Konzert-Bühne.
Willie Nelsons Lebensweg erzählt eine Geschichte von kleinen und größeren Katastrophen, Durchhaltewillen und Eigensinn. Drei Frauen verlassen ihn, künstlerischer Erfolg beginnt nur mäßig, sein Haus brennt ab und als das Geld mal nicht reicht, die Steuern zu bezahlen, nimmt er zwei Alben auf und führt die Einnahmen direkt an das Finanzamt ab. Damit kommen in den ersten drei Jahren die geforderten 16 Millionen Dollar herein und er ist wieder schuldenfrei. Er hat alles er- und überlebt, kann heute wieder über junge Mädchen singen, die den harten Kerlen nachschauen, die in schnittigen Cars den Highway entlang fahren. Seine Erfolge betitelt er mit „City Of New Orleans“, „Crazy“ und „On The Road Again“. Er singt unter anderem mit Julio Iglesias und Kid Rock, mit Johnny Cash und Keith Richards, mit Toby Keith und Sheryl Crow, aber auch Ryan Adams, Bon Jovi, Al Green und Ben Harper, Norah Jones schätzen seine musikalischen Qualitäten.
Ähnlich wie sein Freund Cash macht sich Nelson aufgrund seiner Popularität für die Rechte der einfachen Leute stark, engagiert sich für Menschenrechte und gilt in den USA als Patriot. Haben ihn die US-Oberen in früheren Tagen kaum zur Kenntnis genommen, so gibt es heute „keine Party ohne Willie“, seien es die Olympischen Spiele in Salt Lake City oder das Benefizkonzert zugunsten der New Yorker Terror-Opfer. Wie aber viele seiner Kollegen sieht auch Nelson vor allem die US-amerikanische Außenpolitik zunehmend mit kritischem Blick. Mit jährlichen „Farm Aid“ Konzerten unterstützt er die Kleinbauern, die um ihr tägliches Überleben kämpfen. Er engagiert sich für den Zusatz von Bio-Diesel zum normalen Diesel-Kraftstoff. Damit will er den lokalen Farmern wieder eine wirtschaftliche Perspektive aufzeigen. Für Willie, der selbst in eine solche Anlage in Oregon investierte, ist das eine „fortschrittliche“ Aktion. Befürchtungen, dass dadurch auch die Lebensmittelpreise steigen könnten, weil mehr Land für den Anbau der dafür benötigten Rapspflanzen genutzt wird, teilt er nicht.
Zu Pflanzen hat der Sänger in den Jahren eine eigene Beziehung aufgebaut. Umstritten ist sein öffentlicher Konsum „bewußtseinserweiternder Mittel“. In seiner Umgebung riecht der Rauch stets anders. Nelson macht sich stark für die Legalisierung von Marihuana, pafft selbst begeistert das Zeug, das bei ihm offensichtlich keinen Schaden anrichtet. „Ich will es nicht als Droge bezeichnen – Kräuter sind keine Drogen! Es ist gut gegen Stress“, spielt der Sänger herunter, „wenn man also kurzfristig Hilfe für den Tag braucht, dann ist Cannabis die beste Lösung.“ Darüber darf man allerdings geteilter (anderer) Meinung sein. Inwieweit seine eigene Kreativität dadurch Anschub erfährt, kann nur spekuliert werden. Fakt ist aber, dass seine angenehm näselnde Stimme von weit mehr als 100 Alben erklingt, seine Kompositionen singen Roy Orbison und Patsy Cline, er schauspielert mit Dustin Hofmann in „Wag The Dog“, mit Robert Redford in „The Electric Horseman“, steuert Songs zum Soundtrack von „Forrest Gump“ und „Brokeback Mountain“ bei, ganze elf Grammys und unzählige Country Music Awards stehen in der heimischen Vitrine und er ist Mitglied in der „Country Music Hall Of Fame“.
Seinen größten Hit „On The Road Again“ hat Willie Nelson zum Programm gemacht: Er ist ein Reisender in Sachen Musik. Noch immer platzt sein Tourneeplan aus allen Nähten. „Ich reise einfach gerne. Zum Glück, denn es ist kaum möglich, im Musikgeschäft erfolgreich zu sein, ohne ein bisschen herumzureisen“, erklärt er augenzwinkernd. Sein Leben ist von Unruhe gezeichnet, von Unbeugsamkeit, Gradlinigkeit und Zielstrebigkeit geprägt, er verkörpert Charisma, Glaubwürdigkeit und musikalisches Talent – das verdient Respekt!
Zu seinem 85. Geburtstag beschenkt sich Willie Nelson wieder einmal selbst, mit einem neuen Album: „Last Man Standing“. Darauf einen Whiskey. Happy Birthday, Willie!