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Charley Crockett: Jukebox Charley

Auf seinem 11. Album präsentiert der Texaner eine unterhaltsame Auswahl teils vergessener Honky Tonk-Perlen des Golden Age of Country.

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Lil' G.L. Presents: Jukebox Charley Lil' G.L. Presents: Jukebox Charley. Bildrechte: Son of Davy

„Lonely In Person“ – gesungen von Buddy Meredith und 1964 auf dem Rice Label erschienen, ist sicherlich das, was man eine echt obskure Single nennt – Künstler und insbesondere Song sind heute nahezu vergessen. „Lonely In Person“ handelt von einem Countrysänger, der, obwohl er erfolgreich ist und in der Öffentlichkeit steht, sehr einsam ist. Es wird suggeriert, dass der Sänger sich nach einer verflossenen Liebe sehnt, doch man kann das Stück auch so verstehen, dass die erwähnte Einsamkeit nur eine Chiffre für Depression ist, die ausgerechnet den Menschen quält, von dem niemand glaubt, dass ihm etwas fehlen könnte, da er alles zu haben scheint.

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Der Song mit dem ungewöhnlich traurigen Text wurde geschrieben von Meister-Songwriter Tom T. Hall, der am 20. August 2021 verstarb – durch eigene Hand, wie erst Anfang des Jahres bekannt wurde. Seit 2015 verwitwet, lebte er die letzten Jahre seines Lebens relativ zurückgezogen und allein. Aus heutiger Sicht und im Kontext der Ereignisse wirkt der Song, den Hall nie selbst veröffentlicht hat, wie ein vorweggenommener Kommentar zum tragischen Geschehen viele Jahre später, zeigt er doch, dass es wirklich zu jeder Gelegenheit den passenden Countrysong gibt – auch zu Ereignissen, bei denen einem die Worte fehlen.

Buddy Meredith – Lonely In Person: Der Song

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Vielleicht hat Charley Crockett ja deshalb diesen Song als Hommage an den großen Songwriter als eines von zwei Tom T. Hall-Stücken für sein neues Album aufgenommen. Vielleicht aber auch nur, weil „Lonely In Person“ ein tolles Honky Tonk-Stück ist.

Jukebox Charley ist bereits Charley Crocketts elftes Album und rundum gelungen, so ausgewogen, reif und unterhaltsam ist diese Platte. Wer hätte gedacht, dass es Charley Crockett noch möglich wäre, sich zu steigern, schließlich waren alle seinen bisherigen Alben schon hervorragend. Aber Crockett hat noch immer einen unglaublichen Lauf. Er schreibt nicht nur sehr gute Songs, er schafft es auch immer wieder, genauso tolle, meist unbekanntere Stücke in dem reichen Fundus der Countrymusikgeschichte zu finden, die perfekt zu ihm passen.

Namensgeber für das Album ist Johnny Paychecks Little Darlin‘ Records-Klassiker „Jukebox Charlie“ von 1967. Bei seiner Version des Titelstück, einer der besten Platten Paychecks, ist Crockett einfach nur Fan. Charley und seine Band kopieren eins zu eins das Arrangement des Stücks inklusive des fantastischen Pedalsteel-Riffs von Lloyd Green. Dabei setzt Crockett sogar noch einen drauf: Er singt nicht einfach nur die zwei Silben das Wort Baby, wie es wohl die meisten Interpreten machen würden, sondern lässt das Wort dreisilbig als Bay-hay-by, in der typischen Johnny Payckeck Phrasierung, erklingen. Will sagen: Crockett stellt sicher, dass in diesem Paycheck-Klassiker wirklich alles Paycheck bleibt, denn Crockett weiß, was schon perfekt ist, kann er nicht verbessern. Nur eine Sache verändert er: die Schreibweise von Charley im Namen des Stücks. Im Original endet der Name auf -ie und nun, wie bei Crocketts eigener Schreibweise des Vornamens auf -ey. So geht Legendenverehrung mit Understatement.

Den Song „Jukebox Charley“ aufzunehmen, sein Album so zu nennen, ist natürlich eine augenzwinkernde Namensspielerei, die unterstreicht, dass Charley Crockett als Berufsmusiker, wie eine Musikbox – eine Musikmaschine – Tag ein, Tag aus, die Menschen mit seinen Hits unterhält. Und als Jukebox spielt er nicht nur eigene, sondern natürlich auch Genreklassiker, die die Leute mögen. Umso passender, ein Album seiner Lil G. L. presents-Reihe so zu nennen, macht Crockett doch unter seinem Nickname Lil G. L. seine Sideprojects und Coveralben, wie z.B. 2021 sein James Hand Tribute-Album als drittes dieser Reihe.

Den Namen Lil G. L. bekam Charley einst von einem Mitmusiker verliehen, der ihn augenzwinkernd nach dem 60er Jahre Rhythm & Blues-Sänger G.L. Crockett den kleinen G.L. nannte. Die unter diesem Prädikat veröffentlichten Platten stehen allen anderen Crockett-Scheiben aber in nichts nach.

Mehr noch als alle vorherigen Veröffentlichungen der Reihe ist „Jukebox Charley“ eine tiefe Verbeugung vor dem einst so perfekten Handwerk made in Music City der 1960er Jahre, eine Hommage an den Ideenreichtum des Nashville A-Teams und die Finesse und Chuzpe der Nashville Songwriter. Crockett feiert Song und Sound. Er huldigt – ganz Fan, ungeniert der musikalisch, textlichen Kunstform in zweieinhalb Minuten.

Dabei kopiert er oft bis ins Detail, die einst von Interpreten wie George Jones, Red Sovine oder Jerry Reed veröffentlichten 14 Stücke. Bei dem ursprünglich von Porter Wagoner gesungenen „Heartbreak Affair“ geht das so weit, dass selbst der etwas schräge Tremoloeffekt auf Wagoners Gesangstimme des Originals Einzug in Crocketts Version hält – wenn schon, denn schon. Man kann sich vorstellen, welche Freude Honky Tonk Nerd Charley und sein Produzent Billy Horton bei der Umsetzung hatten.

Bei dem ehemals von Roger Miller gesungenen tollen Dennis Linde-Song „Where Have All The Average People Gone“ macht Crockett eine kleine, aber nachhaltige Korrektur im Text des Refrains, so dass das Stück bei ihm nun sogar einen noch stärkeren soziopolitischen Unterton erhält und dadurch wie ein persönlicher Kommentar Crocketts zu den veränderten Zeitläuften erscheint, wenn er average durch honest ersetzt und das Stück nun „Where Have All The Honest People Gone“ heißt.

Meist sind es nur solch minimale Änderungen, die Crockett und Horton den Songs angedeihen lassen. Das Arrangement der ersten Single, des Jerry Reed Song „I Feel For You“, erhält z.B. ein leichtes Update durch die gelungene Zutat eines tiefen, souligen Saxophons hinten im Mix während des Refrains.

Mit dem Cy Coben Song „Make Way For A Better Man“ – Opener des Albums, und einst prominent von Willie Nelson für dessen fünftes Album eingespielt und „Home Motel“ geschrieben von Willie befinden sich gleich zwei mit der Countryikone assoziierte Stücke auf der Platte. Da passt es gut, dass für Charley Crockett Anfang Mai 2022 der große Traum in Erfüllung geht, für die Legende zweimal im Vorprogramm aufzutreten.

Im Herbst 2022 kommt Charley Crockett für einen kurzen Abstecher nach Europa und spielt auch zwei Konzerte in Deutschland. Bis dahin können wir uns an den tollen Songs auf „Jukebox Charley“ erfreuen. Enjoy!

Charley Crockett – Lil‘ G.L. Presents: Jukebox Charley

Charley Crockett - Lil' G.L. Presents: Jukebox Charley

Titel: Lil‘ G.L. Presents: Jukebox Charley
Künstler: Charley Crockett
Veröffentlichungstermin: 22. April 2022
Label: Son of Davy, Thirty Tigers (Membran)
Formate: CD, Vinyl & Digital
Tracks: 14
Genre: Cajun, Western Swing, Honky Tonk

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Trackliste: (Lil‘ G.L. Presents: Jukebox Charley)

01. Make Way For A Better Man
02. I Feel For You
03. Lonely In Person
04. Diamond Joe
05. Where Have All The Honest People Gone
06. Home Motel
07. Jukebox Charley
08. I Hope It Rains At My Funeral
09. Heartbreak Affair
10. Battle With The Bottle
11. Out Of Control
12. Six Foot Under
13. Same Old Situation
14. Between My House And Town

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Über Oliver Kanehl (55 Artikel)
Redakteur. Fachgebiet: Traditionelle Countrymusik von vorgestern und heute (Indie Country, Hillbilly, Honky Tonk u.a.) Rezensionen, Specials.
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