You Ain’t Goin‘ Nowhere: Bob Dylan
So wie „Nashville Skyline“ das klassische Country-Album von Bob Dylan ist, so ist „You Ain’t Goin‘ Nowhere“ gleichsam sein prototypischer Country-Song. Er ist fester Bestandteil von Dylans Konzertprogrammen und wird bis heute immer wieder von Country- und Roots/Americana-Künstlern gecovert.
Entstanden ist der Song 1967 bei den legendären Basement-Tapes-Session von Dylan und The Band. Vom Frühjahr bis Herbst jammten sie sich quer durch alle Spielarten der amerikanischen Populärmusik, ließen auch das Band mitlaufen, veröffentlichten aber vorerst nichts davon. Eine ganze Reihe Dylan’scher Songperlen sind bei diesen Sessions heraus gekommen. Erst 1975 gab Dylan Teile davon als Album „The Basement Tapes“ heraus. Denn bis dahin waren so gut wie alle Stücke auf Bootlegs verbreitet worden und Dylans Plattenforma musste reagieren. Einige der Songs zählten da schon längst zu Dylans meist gecoverten Stücken. So eben auch „You Ain’t Goin‘ Nowhere“.
Textlich frönt Dylan hier zuerst der ländlichen Idylle „Clouds so swift, rain won’t lift, gate won’t close, railings froze“ um dann die Ankunft seiner Braut zu bejubeln: „Whoo-ee! Ride me high, tomorrow’s the day, my bride’s gonna come“. Klar, dass das ganze nach Country-Tönen schreit. In der Originalfassung von Dylan und The Band ist der Song aber noch sehr karg instrumentiert, ähnlich wie ein Jahr später das Album „John Wesley Harding“. Erst für die Veröffentlichung 1975 ließ Robbie Robertson Gitarren- und Bassläufe dazumischen, um das Ganze „aufzupeppen“. Dabei hatten doch die Musiker, die die Originalbänder hörten, sehr wohl verstanden was da gespielt wurde. Als „The Byrds“ 1968 mit „Sweetheart of the rodeo“ den Country-Rock etablierten, da wurde „You ain’t goin‘ nowhere gleichsam zum Eingangsstatement. Ähnlich wie schon bei „Mr. Tambourine Man“ schliffen sie den musikalischen Rohdiamant, gaben ihm mit Country-Rock eine adäquate musikalische Ausdrucksform und schufen einen Ohrwurm.
Natürlich ließ es sich auch Joan Baez nicht nehmen, das Stück einzuspielen. Auf ihrer Dylan-Song-Kompilation „Any Day Now“, erschienen im Dezember 1968, verlangsamt sie das Lied und gibt ihm eine sentimentale, sehnsuchtsvolle Note. Ein Echo auf ihre gescheiterte Beziehung zu Dylan oder eine Hommage an ihren damals als Vietnamkriegsgegner im Gefängnis sitzenden Ehemann David Harris? Beides gut möglich.
Dylan selber veröffentlichte den Song erstmals 1971 auf der LP „More Bob Dylan Greatest Hits“ in einer eigens eingespielten Version mit dem Gitarristen Happy Traum. Dylan singt das Lied hier viel schwungvoller als im Original und scheint doch ziemlich belustigt über den Byrds-Erfolg mit dem Stück. Schließlich hatten McGuinn, Parsons und Kollegen aus „Pick up your money, pack up your tent“ fälschlicherweise „pack up your money / pick up your tent“ gemacht. Dylan übernimmt den Fehler auf seiner 71er-Einspielung und setzt ironisch „McGuinn“ dahinter. Der wiederum nahm den Song 1989 für das Album „Will the circle be unbroken: Volume Two“ von der „Nitty Gritty Dirt Band“ erneut mit Chris Hillman auf, setzte ein „Dylan“ hinter „pack up your money / pick up your tent“ und stieß damit als Singleauskopplung bis auf die Nr. 6 der Hot Country Singles vor.
Eine weitere denkwürdige Interpretation des Songs entstand 1992 anlässlich der großen Jubiläumsfeier zu Dylans 30. „Geburtstag“ als Plattenkünstler. Am Abend des 16.Oktober trat im New Yorker Madison Square Garden die Creme de la Crème der Rockmusik auf. Mit Shawn Colvin, Mary Chapin-Carpenter und Rosanne Cash nahmen sich drei starke weibliche Country-Singer/Songwriter dem Lied an und siehe da: Atmosphäre und Country-Feeling waren voll da! Es bleibt bis heute eine der schönsten Versionen des Klassikers.
In jüngster Zeit haben immer wieder Musiker den Song aufgenommen. Von Maria Muldaur bis hin zu den Counting Crows. Und Dylan selber? Der spielt den Song immer wieder einmal, aber Dylan wäre nicht Dylan, würde er nicht versuchen, auch diesem Stück durch Live-Neubearbeitungen immer neue Bedeutungsebenen abzugewinnen.