Jubiläumsabend in Kötz
Texas Heat & Jolina Carl begeistern das Publikum
Die Country & Western Friends Kötz hatten sich lange auf den Jubiläumsabend zum 30. Vereinsgeburtstag am Donnerstag, den 07. Juni 2012 in der Günzhalle Großkötz vorbereitet. Selbst der Aufbau in der Halle hatte schon zwei Tage vor der Veranstaltung begonnen. Kein Wunder, schließlich hatte man mit Tommy Cash einen großen Namen engagiert. Der jüngere Bruder Cashs sollte ein „Tribute an den Man In Black“ spielen.
Am Wochenende zuvor traf Präsident Peter Wroblewski Tommy Cash in Österreich, wo er vor 2.000 Leuten ein ähnliches Konzert gab. In einem 45-minütigen Gespräch planten Wroblewski und Cash den Ablauf für den kommenden Donnerstag.
Dann passierte am Dienstag Vormittag das Unfassbare. Tommy Cash musste mit dem Notarzt vom Hotel ins Krankenhaus gebracht werden, Diagnose: hohes Fieber, schwere Bronchitis, Herzrhythmusstörungen – richtig krank. Er wurde umgehend ins Spital nach Wells verlegt, wo er in der Intensivstation behandelt wurde. Dank Antibiotika hat sich sein Gesundheitszustand verbessert, am Donnerstag konnte er auf Normalstation verlegt werden. Seine Sorge galt bald schon den Kötzer Veranstaltern, denen er so unverhofft absagen musste. Tommy Cash steht im direkten SMS-Kontakt mit Peter Wroblewski, dem er mitgeteilt hat, dass dies in seiner langen Karriere nach 1967 erst der zweite krankheitsbedingt abgesagte Auftritt war.
Die Country & Western Friends Kötz haben ein Album aufgelegt, wo sich alle Besucher des Abends und des Kötzer Country Festivals mit Genesungswünschen eintragen können. Außerdem steht das Angebot des Vereins, das Konzert baldmöglichst nachzuholen.
Der Dienstag warf für Peter Wroblewski neben dem Hallenaufbau die Frage auf, ob man den Jubiläumsabend kurzfristig absagen sollte, oder ob jemand für Tommy Cash einspringen könnte. Da kann nicht irgendein Ersatzprogramm laufen, da muss schon die denkbar beste Alternative auf die Bühne gebracht werden. Das war rasch der Konsens unter den engsten Mitstreitern des Präsidenten. Dieser hatte Glück im Unglück, denn unter den Vereinsmitgliedern befindet sich mit Bernd Wolf aus Leverkusen einer der versiertesten Kenner der Musik von Johnny Cash. Hinzu kommt, dass Bernd Wolf ein auf Respekt und persönlichem Verständnis basierendes Verhältnis zu Johnny Cash hatte, das man als sehr herzlich bezeichnen kann. 70 Konzerte des Man In Black hatte Bernd Wolf im Laufe der Jahre besucht, vornehmlich in Europa, nachdem das Interesse vor annähernd 40 Jahren geweckt wurde anhand einer Musik-Cassette, auf der u.a. „I Still Miss Someone“ enthalten war. Hinzu kommt ferner, dass Bernd Wolf der Bandleader jener Country-Band ist, die 2011 in Berlin den deutschen Countrypreis gewonnen hat als beste Band.
Die Drähte begannen zu glühen, Bernd Wolf meldete bald schon zurück, die Band steht, Texas Heat kann das Programm „Just Cash“ spielen, mit dem die Band 2012 ohnehin auf Tour ist, anlässlich des 80. Geburtstags von Johnny Cash am 26. Februar. Jolina Carl übernimmt in dieser Formation die Stimme von June Carter und die Rhythmusgitarre.
Am Abend konnte der Verein die Meldung herausgeben, dass anstelle des erkrankten Tommy Cash „The authentic Johnny Cash Tribute performed by Texas Heat“ anlässlich des Jubiläumsabends zu erleben sein wird.
Natürlich verging die Zeit bis Donnerstag nicht ohne Absagen. Wer ausschließlich für Tommy Cash kommen wollte, konnte seine Karte zurückgeben, oder unter Rückzahlung von 10 EUR dem neu gestalteten Jubiläumsabend beiwohnen. Unter dem Strich war am Donnerstag die Halle erfreulich gut gefüllt, und Peter Wroblewski konnte ein erwartungsfrohes Publikum begrüßen. Nachdem er über die aktuelle Sachlage berichtet hatte, stellte er kurz den Verein vor, der seit 30 Jahren zur Aufgabe hat, amerikanische Country Music in Deutschland zu fördern, in allen Schattierungen, möglichst authentisch. Bürgermeister Walter lobte den Beitrag der Country Friends zum Musikdorf Kötz, das im Übrigen auch Blasmusik und Chorgesang fördert. Im Hinblick auf die Country Friends Kötz verwies der Bürgermeister darauf, dass ihre Arbeit und ihr Festival weit und breit ihres gleichen sucht.
Gegen 20.00 Uhr betraten Texas Heat die Bühne, Bernd Wolf an elektrischer und zeitweise akustischer Gitarre, Thomas Naatz am elektrischen Bass und Paul Mayland am Schlagzeug, ergänzt durch Jolina Carl an der akustischen Rhythmusgitarre und am Gesang. Das Repertoire bestand in der Hauptsache aus Liedern von Johnny Cash, und einigen wenigen Liedern über Johnny Cash, wie das schon rund 20 Jahre alte „Old Black Record“, das an die erste Single von Cash bei Sun Records erinnert mit der Nummer 221. Enthalten sind dort natürlich die Eigenkompositionen „Cry, Cry, Cry“ und das im nahe gelegenen Landsberg, Germany entstandene „Hey Porter“, die beide später ebenfalls erklangen. Von Anfang an, und das galt in allen Phasen des Konzerts, herrschten beste Soundverhältnisse, man konnte auch die akustische Gitarre gut hören, und den Gesang ausgezeichnet verstehen. Das ist leider bei vielen Veranstaltungen nicht so, wo zu sehr auf Lautstärke gesetzt wird. Das Sound-Team aus Oberdischingen zauberte für Texas Heat einen feinen und filigranen Sound, der optimalen Musikgenuss garantierte. Die Stimmung war somit trotz der Gesamtumstände von Anfang an gut, und niemand hat bereut, gekommen bzw. geblieben zu sein. Und alle Gäste sind auch bis 23.00 Uhr geblieben, als Bernd Wolf nur zur akustischen Gitarre mit „Hurt“ den Abend beendet hat.
Dazwischen gab’s den obligatorischen „Folsom Prison Blues“ und aus der Feder von Kris Kristofferson „Sunday Morning Coming Down“. Die erste Cash-Aufnahme „Wide Open Road“ erklang, und „The Visit“ war wieder über Johnny Cash. Bernd erläuterte, dass er die CD „American VI“ dem Briefkasten entnahm im Wissen, dies wird die letzte reguläre CD von Johnny Cash sein. Es kam ihm vor, als habe ein alter Freund ihn letztmals besucht. Von den 10 Kapiteln der CD ließen ihn einige traurig zurück, aus diesen Erfahrungen entstand „The Visit“.
Hiernach musste der Zug wieder Fahrt aufnehmen, „Get Rhythm“ hieß es konsequenterweise. Als Verbeugung vor Tommy Cash spielte die Band dessen größten Top 10-Hit „Six White Horses“, in dem es um den gewaltsamen Tod der Brüder Kennedy und von Rev. Dr. Martin Luther King ging, ehe diese ihre Mission erfüllt hatten. Jolina Carl hatte dann bei „Jackson“, „If I Were A Carpenter“, und den Carter-Family-Stücken „Wildwood Flower“ und „Lonesome Valley“ ihre großen Gesangsparts, und die Mac-Davis-Nummer „In The Ghetto“, die Elvis Presley zum Hit gemacht hat, folgte in der Art von Johnny Cash.
Nach der Pause kam verstärkt die spätere Schaffensphase von Johnny Cash zum Zuge, wie bei „The Man Comes Around“ oder „One“. „Hot And Blue Guitar“ folgte, der Einstiegstitel in die aktuelle Texas-Heat-EP „A Very Special Day – Happy Birthday Johnny Cash“. Dort sind viele Gitarrensequenzen verschiedener Cash-Aufnahmen versteckt. „Ring Of Fire“ wurde als das schönste Liebeslied angekündigt, June Carter war 1961 in die Johnny-Cash-Show eingetreten, hatte sich in Cash verliebt, und gemeinsam mit Merle Kilgore dieses Lied verfasst, das Cash 1963 einen riesigen Nummer-1-Hit bescherte. Hierauf folgten wieder Duette mit Jolina Carl wie „Darling Companion“ oder „Because I Love You“ aus der LP „Hello, I’m Johnny Cash“. Auch das erste Cash-Carter-Duett „It Ain’t Me, Babe“ aus der Feder von Bob Dylan von 1964 durfte nicht fehlen. Heute heißt das „It Ain’t e-bay“.
Aus „American V“ folgte „God’s Gonna Cut You Down“, zu dem es ebenso wie zu „Hurt“ ein ergreifendes Video gibt. Das erste Bob-Wooten-Solo, das Luther Perkins nie gespielt hat, und mithin Nachfolger Wooten nicht übernommen, sondern selbst geprägt hat, folgte bei „San Quentin“. Texas Heat waren ja vor 20 Jahren schon auf Deutschlandtournee mit Bob Wooten, den Bernd Wolf längst zu seinen persönlichen Freunden zählt. Auch der Klassiker „Big River“ war im Programm, ebenso wie „That September Day“, das Bernd Wolf an jenem Freitag, den 12. September 2003 zu schreiben begann, dem Tag, an dem Cash gestorben war. Das Weiterschreiben hat ihn zum Teil ganz schön heruntergezogen, gab Bernd Wolf zu. Mit „I Walk The Line“ und „Will The Circle Be Unbroken“ begann der Endspurt. Das Publikum konnte von dieser Musik nicht genug bekommen, und holte sich zunächst als Zugaben „Man In Black“, „Cry, Cry, Cry“ und „A Boy Named Sue“. Nachdem die Halle Kopf stand, folgt aus den 1950er Jahren „Don’t Make Me Go“ und schließlich von Bernd Wolf solo „Hurt“, dessen Applaus er alleine Johnny Cash gewidmet hat.
Ein wunderbarer Konzertabend ging um 23.00 Uhr zu Ende, Tommy Cash ist von Texas Heat mit Jolina Carl würdig vertreten worden, und das Publikum hat gezeigt, dass die Alternative bestens angekommen ist. Natürlich wäre es schön gewesen, den Bruder von Johnny Cash persönlich in Kötz zu haben, aber vielleicht klappt es ja bei nächster Gelegenheit. Das Kötzer Country Festival geht jedenfalls am Freitag, den 08. Juni und Samstag, den 09. Juni weiter, mit Oh My Darling aus Kanada, Amarillo aus dem Frankenland, Dwayne & TexMeXplosion aus Holland, der Michael Thomason Band aus Kalifornien, den Rockridge Brothers aus Schweden und den Dixie Wheels aus Heilbronn. Auf den exzellenten Sound in der Günzhalle Großkötz und die wunderschön dekorierte Halle darf man sich schon freuen.