The New Basement Tapes: Lost On The River
Nachdem wir vor kurzem erst die Veröffentlichung des „Heiligen Grals der Rockmusik“ miterleben durften – endlich wurden die kompletten Basement Tapes von Bob Dylan und The Band veröffentlicht – kommen schon die „New Basement Tapes“ um die Ecke.
Die Geschichte von The New Basement Tapes – Lost On The River beginnt im Sommer 1967, als Bob Dylan nicht nur fast 150 Songs mit The Band im Keller spielt, sondern daneben auch jede Woche mehrere Songs schreibt. Die Songtexte wurden vergessen und waren erst vor kurzem wieder aufgetaucht. Dylan übergab sie zur Vertonung seinem Freund T Bone Burnett.
Burnett war sofort bewusst, dass er dem nur gerecht werden konnte, wenn er einen ähnlichen Geist der Zusammenarbeit schmieden könnte, wie er zwischen Dylan und den Musikern von „The Band“ – Robbie Robertson, Richard Manuel, Garth Hudson, Rick Dank und Levon Helm – geherrscht hat. Also kam er auf die Idee eine Gruppe von Bandleadern zusammen zu trommeln, die für ihre Teamfähigkeit bekannt waren. Die mit Stars gespickte Gruppe, die Burnett zusammengestellt hat, besteht aus Elvis Costello, Neo-Folker Marcus Mumford von „Mumford & Sons“, Taylor Goldsmith von den „Dawes“, Sängerin und Banjospielerin Rhiannon Giddens von den „Carolina Chocolate Drops“, und Jim James von „My Morning Jacket“.
Und siehe da – der Plan funktionierte: „Die ganze Stimmung im Studio war von Großzügigkeit, von gegenseitiger Unterstützung geprägt, was zugleich widerspiegelt, was für ein Geschenk und wie viel Vertrauen Bob uns entgegengebracht hat, als er uns diese Songtexte anvertraut hat“, gibt T Bone Burnett die Atmosphäre während der Aufnahmen wieder. Und tatsächlich muss eine besonders kreative Atmosphäre unter den beteiligten Musikern geherrscht haben, denn aus den gut zwei Dutzend Songtexten von Dylan sind, wie Burnett der Los Angeles Times mitteilte, 48 Songs aufgenommen worden. Somit entstanden also oftmals aus einem Text mehrere Vertonungen. Davon kamen letztlich 20 Stück auf die Platte.
Es ist ein langsamer, irgendwie entrückt klingender Auftakt, den Jim James da mit „Down On The Bottom“ macht. Und trifft damit genau den Kern der Dylan’schen Textvorlage. Hier ist einer, der im wahrsten Sinne des Wortes auf die Schnauze gefallen ist, der sich schütteln muss, um wieder zu sich zu kommen. Dem aber bald schon klar ist: Es kann von unten nur wieder nach oben gehen. Dann kommt ein Blues und der Sänger in „Married To My Hack“ erzählt von der Regination in der Ehe. Costello wird von Rhiannon Giddens gesanglich begleitet, die mit ihren Scats und Improviationen dem Song viel seiner einzigartigen Atmosphäre gibt.
Marcus Mumford drückt „Kansas City“ mit Folkgesang und Mumford-Arrangement ebenso seinen Stempel auf wie Rhiannon Giddens „Spanish Mary“. Denn sie erkennt, dass diese Ballade ein uralter Seemannssong sein könnte, und spielt ihn dann auch so. Überhaupt: Einige der schönsten Momente des Albums gehören Rhiannon Giddens, ihrer großartigen Stimme (Fantastisch: „Hidee Hidee Ho #16“), und ihrem Gespür dafür, dass viele dieser Songs nur so danach schreien, als traditionelle Folkmusik aufgefasst zu werden. So macht sie aus „Duncan und Jimmy“ eine schwungvolle Appalachen-Ballade. Einer der schönsten Songs auf diesem Album.
Zumindest ein kleiner Ohrwurm auf diesem sehr „sophisticated“ daher kommenden Werk ist auch „Nothing To It“, der das Manifest eines Einzelgängers darstellt. Auch für „Florida Key“ wurde eine hübsche, hüpfende (Folk-)Melodie gefunden. Der Titelsong „Lost On The River“ ist gleich zweimal vertreten. Beide Male geht es um Liebe, Verlust, Anbahnung und Wechsel des Partners. Einmal bei „Lost On The River #12“ aus Sicht des Mannes mit Elvis Costello, dann am Ende des Albums bei „Lost On The River #20“ aus der Sicht der Frau mit Rhiannon Giddens. Giddens trauriges Lamento ist ein würdiger Abschluss dieses beachtlichen Albums.
Dieses Projekt ist so etwas wie Prolog und Epilog der Basement Tapes-Erzählung zugleich. Während Dylan im Keller alte Traditionals, bekannte Standards, Eigenkompositionen und obskure Coverversionen spielte, schrieb er parallel dazu ein Paket von Songtexten, das ebenfalls wieder eine große Bandbreite einnimmt. Songtexte, die unzweifelhaft von ihm und seiner damaligen Lage zwischen Baum und Borke handeln, Songtexte, die einfach nur gute Geschichten in wunderschönen Worten sind und die Songtexte, die neu geschrieben sind und doch wirken, als wären sie immer schon da gewesen. Nun erst, nachdem sie jahrzehntelang vergessen waren, werden die Songs von einer Truppe von Ausnahmemusikern endlich musikalisch zum Leben erweckt. Und zeigen sich in voller Größe. T Bone Burnett und sein Starensemble beweisen, wie produktiv Dylan damals war und wie stark sein Songmaterial war. Und fügen damit der Basement Tapes-Geschichte eine sehr schöne, weitere Facette hinzu.
Fazit: Die ultimative Ergänzung zu „The Basement Tapes Complete“. Dylans Songperlen werden durch Ausnahmemusiker lebendig. Prädikat: Ein bislang unbekannter Schatz gehoben!
Künstler / Albumtitel: The New Basement Tapes – Lost On The River
Format / Label / Veröffentlicht: CD, Vinyl & Digital (Capitol, Universal Music 2014)
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Trackliste:
01. Down On The Bottom
02. Married To My Hack
03. Kansas City
04. Spanish Mary
05. Liberty Street
06. Nothing To It
07. Golden Tom – Silver Judas
08. When I Get My Hands On You
09. Duncan And Jimmy
10. Florida Key
11. Hidee Hidee Ho #11
12. Lost On The River #12
13. Stranger
14. Card Shark
15. Quick Like A Flash
16. Hidee Hidee Ho #16
17. Diamond Ring
18. The Whistle Is Blowing
19. Six Months In Kansas City (Liberty Street)
20. Lost On The River #20