Will Hoge: My American Dream
Will Hoge nimmt eine schonungslose Bestandsaufnahme des heutigen Amerikas vor und schafft damit ein dunkles Meisterwerk.
Dies ist die vielleicht härteste und aufrüttelndste Americana-Scheibe des Jahres. Southern-Rocker Will Hoge besingt mit My American Dream seinen amerikanischen Traum. Und den voller Wut, voller Verzweiflung, aber auch voller Empathie. Er schreit ihn geradezu heraus. Denn er glaubt an ein Amerika, das gerecht, bunt und demokratisch ist. Und weil dies alles gefährdet ist, und Dummheit, Ignoranz, Rassismus und Gewalt regieren, muss er seine Stimme erheben.
Im Titeltrack „My American Dream“ zeichnet er ein dunkles böses Bild des amerikanischen Heartlands. Geprägt von Armut und Perspektivlosigkeit, von sterbenden Dörfern und Städten und dem Glauben an Jesus, der aber so gar nicht hilft, wenn das Haus an die Bank verloren ist und man obdachlos unter der Brücke leben muss.
Doch Hoge geht über die reine Sozialkritik hinaus, sondern befasst sich auch mit dem Selbstverständnis der Menschen im Süden der USA. Wenn er „Still A Southern Man“ singt, dann meint er damit, dass er immer noch weiß, wo er herkommt, aber die Südstaatenflagge trotzdem ablehnt, weil sie für sehr dunkle Zeiten steht. „Die Grenze zwischen dem kulturellen Erbe des Südens und dem Hass ist dünn“, singt er dort. „The line really ain’t that thin between heritage and hate“ – ein Satz, klar und schwer, der die ganze Zerrissenheit des Südens und der Geschichte der Sklaverei und des Rassismus auf den Punkt bringt. „Ich wuchs in einer Stadt auf, in der die High School Mannschaft, die „Franklin Rebels“ eine Südstaaten-Flagge hatten. Ich war der Junge, der die Flagge zu den Spielen brachte. Ich war ein dummes Kleinstadtkind. Es kam mir nie in den Sinn, dass das rassistisch war, denn ich war ja kein Rassist, wie konnte das dann falsch sein?“ Erst später begriff er für welches Herrschaftssystem diese Flagge stand.
Selten hat ein weißer amerikanischer Künstler aus den Südstaaten in dieser Härte die Widersprüche dieses Landstrichs so deutlich benannt. Noch nicht einmal Jason Isbell. Und mit „Oh, Mr. Barnum“ spießt er die ganze Verlogenheit des amerikanischen Show-Business auf. Alles Lug und Trug in der Manege und übrig bleibt nur der Clown. Doch der Song ist nur ein kleines Zwischenspiel bevor Hoge mit „Thoughts And Prayers“ voller Verve gegen die Politiker als „Huren der NRA“, der National Rifle Association ansingt. Er wünscht sie in die Hölle und entfacht in seinem Song einen Furor, der einen sofort an Bob Dylans „Masters Of War“ erinnern lässt.
Dass es Will Hoge als Songwriter bestens versteht, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, beweist “ er mit „The Illegal Line“. Natürlich geht es um die Grenze zu Mexiko, die für viele Flüchtende, die Grenze zwischen dem von Armut und Gewalt geprägtem Mexiko und dem gelobten Land darstellt. Doch dieser Traum wird mit immer rigideren Grenzkontrollen zerstört.
Und dass er bei aller Kritik auch Humor hat, zeigt sein letzter Song des Albums. „Nikki’s A Republican Now“ spielt ganz bewusst so sehr mit allen Small Town-, High School- und Moral Majority-Klischees, das es eine wahre Freude ist. Aus der Rock’n’Roll-Queen wird im Laufe des Songs die evangelikale Republikanerin.
Musikalisch ist das gesamte Album harter Rock. Nur einmal bei „Thoughts And Prayers“ wechselt er ins Balladenfach und greift zur akustischen Gitarre.
Fazit: Ein harter, faszinierender Ritt durch das neue, gefährliche Amerika. Eine schonungslose Bestandsaufnahme. Und kein Hoffnungsschimmer durchzieht dieses Album. Ein dunkles Meisterwerk!
Will Hoge – My American Dream: Das Album
Titel: My American Dream
Künstler: Will Hoge
Veröffentlichungstermin: 05. Oktober 2018
Label: EDLO Records, Thirty Tigers
Vertrieb: Alive
Formate: CD, Vinyl & Digital
Laufzeit: 29:38 Min.
Tracks: 9
Genre: Americana, Southern Rock
Trackliste: (My American Dream)
01. Gilded Walls
02. Stupid Kids
03. Still A Southern Man
04. Oh Mr. Barnum
05. Thoughts & Prayers
06. My American Dream
07. The Illegal Line
08. Nikki’s A Republican Now