The Band: Cahoots (50th Anniversary)
Wiederveröffentlichung des 1971er Albums.
Manchmal braucht auch Musik einige Zeit, um zu reifen. In Zeiten, in denen oftmals computergestützte Digitalmusik die Hörgewöhnheiten bestimmt, erleben einige der Bands vor allem aus den 1970er Jahren eine große Renaissance, Musiker, die analoge Instrumente benutzen und ihnen wärmere, intensivere Töne entlocken können, als es die digitalen Nullen und Einsen vermögen. Alben, die seinerzeit vielleicht nur als durchschnittlich wahrgenommen wurden, werden heute zum Teil neu gemischt, aufgearbeitet, klanglich optimiert und wieder auf den Markt geworfen. Das trifft auch auf The Band zu, die nun mit „Cahoots“ ein weiteres Album aus ihrer Historie auffrischen. „Cahoots“ ist ihr viertes Studioalbum von 1971 und wird nun in einer Jubiläumsausgabe anläßlich des 50. Jahrestages erneut veröffentlicht. Es ist bereits die zweite Wiederveröffentlichung des ursprünglich 11 Songs umfassenden Albums. Schon 2000 kam eine überarbeitete und mit fünf Bonustracks angereicherte Edition in den Handel. Das Tracklisting ist bis auf eine Ausnahme (statt des „Radio Commercial“ wurde nun das herausragende „4% Pantomime“ mit Take 1+2 in die Scheibe gepreßt) das Gleiche wie damals vor zwei Jahrzehnten, aber jetzt im „2021 Mix“. Während die 11 Songs des Originalalbums im Vergleich zu den „neuen“ Bonustracks als schwächer wahrgenommen werden, können besonders die beiden Takes von „4% Pantomime“ begeistern, sowohl durch den knackigen Sound als auch durch den Gesang von Gaststar Van Morrison, der sich hier voller Leidenschaft und Inbrunst einbringt. Für mich eines der wirklichen Highlights dieser Edition! Auch Dylan’s „When I Paint My Masterpiece“ erfährt eine zeitgemäße Verjüngungskur, die im Ohr haften bleibt, aber dennoch eindeutig die Wurzeln von The Band bedient.
Unter den wachsamen Augen (und Ohren) von Robbie Robertson hat Toningenieur Bob Clearmountain einen neuen Blick auf das klassische Werk gewagt und die Originalaufnahmen komplett neu interpretiert. Robertson ermunterte Clearmountain mit: „Es gibt keine Regeln. Ich möchte bei jedem Mix, den wir machen, bei Null anfangen.“ Und er wollte „furchtlos und experimentierfreudig“ sein. Inwieweit das vollauf gelungen ist, muss wohl jeder Hörer für sich selbst entscheiden. Denn Musik ist auch immer eine Frage des persönlichen Geschmacks. Sicher ist aber, dass hier mit Liebe an die Arbeit gegangen wurde, viele Details hörenswert ausgearbeitet wurden. Nicht vergessen sollte man, dass die Aufnahmen bereits vor fünf Dekaden entstanden sind, unter gänzlich anderen Bedingungen, als heute.
Als Zugabe ist der 50. Jubiläumsausgabe des Albums eine weitere, rund einstündige CD mit bisher unveröffentlichten Aufnahmen beigegeben, betitelt mit „Live At The Olympia Theatre, Paris May 1971 (Bootleg, Partial Concert)“. Leider, wie der Titel schon verrät, nur ein Teil des umjubelten Konzertes, da der erste Teil der Aufnahmen, die seinerzeit von einem französischen Radiosender mitgeschnitten und von einem lokalen Kamerateam gefilmt wurden, nicht mehr auffindbar sind. The Band standen seinerzeit bei ihrer Rückkehr ins Olympia ein wenig unter Erfolgs-Druck, denn bei ihrem letzten Auftritt an dieser Stelle, der in Robertsons Worten ein „absoluter Reinfall“ war, wurden sie noch ausgebuht, weil die Fans nicht akzeptieren konnten, dass Bob Dylan nun laut und elektrisch klang. Fünf Jahre später, 1971, wurde Robbie Robertson so zitiert: „Wir wollten den Franzosen unbedingt alles geben und eine besondere Show liefern. Und als wir dann abends auf der Bühne standen, hatten wir das Gefühl, dass es uns auch gelungen war.“ In der Tat spürt man auch beim Zuhören diese besondere Atmosphäre, die die Musiker kreierten. Der erhaltene Mitschnitt belegt auch, wie damals Rock-Konzerte gespielt wurden. Alles wirkt viel lockerer, spontaner, als es heute oftmals der Fall ist. Die Musiker hatten Gelegenheiten, ihr Können in Soli zu präsentieren und wenn man die Augen beim Zuhören schließt, kann man sich sogar sehr gut vorstellen, dass auf dem Rock-Klavier kein Becher angewärmter Fencheltee sondern ein Glas kühles Bier steht. Hier weht akustisch ein rauer Charme um die Ohren, da hört man gern zu. Musikalische Ecken werden nicht glatt poliert, sondern geschickt aufgeraut. Drei Bonustracks gibt es auch hier als Dreingabe, zwei Instrumentalversionen und das reduzierte, akustisch geprägte und sehr hörenswerte „Thinkin‘ Out Loud“.
Fazit: „Cahoots“ im neuen Stereo-Mix von Bob Clearmountain beschert einen neuen Höreindruck der historischen Aufnahmen von 1971. Auch wenn die Prämisse von Robertson und Clearmountain lautete, beim Mix ganz von vorn anzufangen, ist jederzeit die musikalische Handschrift von The Band erkennbar.
The Band – Cahoots: Das 1971er Album
Titel: Cahoots (50th Anniversary)
Künstler: The Band
Veröffentlichungstermin: 10. Dezember 2021
Label und Vertrieb: Capitol Records (Universal Music)
Formate: CD, Vinyl & Digital
Tracks: 30
Genre: Americana, Rock
Trackliste: (Cahoots – 50th Anniversary) CD 1
01. Life Is A Carnival
02. When I Paint My Masterpiece
03. Last Of The Blacksmiths
04. Where Do We Go From Here?
05. 4% Pantomime
06. Shoot Out In Chinatown
07. The Moon Struck One
08. Thinkin‘ Out Loud
09. Smoke Signal
10. Volcano
11. The River Hymn
12. Endless Highway (Early Studio Take, 2021 Mix) – Bonustrack
13. When I Paint My Masterpiece (Alternate Take, 2021 Mix) – Bonustrack
14. 4% Pantomime (Takes 1 & 2) – Bonustrack
15. Don’t Do It (Outtake – Studio Version, 2021 Mix) – Bonustrack
16. Bessie Smith (Outtake) – Bonustrack
Trackliste: (Live At The Olympia Theatre, Paris, May 1971) CD 2
01. The W.S. Walcott Medicine Show
02. We Can Talk
03. Loving You Is Sweeter Than Ever
04. The Night They Drove Old Dixie Down
05. Across The Great Divide
06. The Unfaithful Servant
07. Don’t Do It
08. The Genetic Method
09. Chest Fever
10. Rag Mama Rag
11. Slippin‘ And Slidin‘
12. Life Is A Carnival (Instrumental) – Bonustrack
13. Volcano (Instrumental) – Bonustrack
14. Thinkin‘ Out Loud (Stripped Down Mix) – Bonustrack