Johnny Cash: American V – A Hundred Highways
In den letzten Monaten vor seinem Tod am 12. September 2003, hat Johnny Cash noch immer an neuen Songs gearbeitet. Dabei stand ihm die Produzentengröße Rick Rubin zur Seite. In den USA am Independence Day, in allen anderen Ländern bereits am 3. Juli, wird „American V: A Hundred Highways“ auf American Recordings / Lost Highway veröffentlicht werden. Es handelt sich dabei um bis dato unveröffentlichte Songs von Johnny Cash, die in besagten Aufnahme-Sessions mit Rubin entstanden sind. Auf dem kommenden Album wird auch der allerletzte Song vertreten sein, den Cash vor seinem Ableben geschrieben hat.
Die Auswahl der Songs, die auf „American V: A Hundred Highways“ zu finden sind, ist eine ebenso eklektische Ansammlung, wie schon auf den Vorgängern der American-Serie: „Help Me„, ein schmerzvolles Gesuch an Gott, die unglaublich schöne Ballade „If You Could Read My Mind„, der Spiritual „God’s Gonna Cut You Down„, das bewegende „Love’s Been Good To Me“ oder auch die herzzerreißenden „On The Evening Train“ und „Further On (Up The Road)“ zählen zu den Album-Tracks. Geschrieben wurden jene Songs von einer Reihe von renommierten Songwritern: auch Namen wie Hank Williams, Rod McKuen oder Bruce Springsteen zählen zu ihnen.
Außerdem sind auch zwei Kompositionen von Cash auf dem Album vertreten: „Like the 309“ und „I Came to Believe„. „Like the 309“ ist der allerletzte Song, den Cash in seinem Leben komponierte -, und wie schon im Falle seiner ersten Aufnahme, „Hey Porter“ aus dem Jahr 1955, handelt das Stück von Zügen, seinem Lieblings-Thema: „Everybody take a look, see I’m doin‘ fine, then load my box, on the 309“. „I Came to Believe“ hingegen ist ein Song, den Cash ursprünglich schon an einem früheren Punkt seiner Karriere geschrieben und aufgenommen hatte. In diesem Stück setzt er sich mit den Qualen der Abhängigkeit auseinander und wendet sich an eine höhere Macht.
„Ich glaube, dass „American V“ mein persönlicher Favorit aus der American-Serie ist“, kommentierte Produzent Rubin. „Das Album ist anders als die anderen, es hat einen völlig anderen Charakter. Es könnte sogar das größte Album sein, das Johnny je aufgenommen hat.“ Die Monate nach dem Tod seiner Gattin June Carter Cash, die am 15. Mai 2003 verstarb, waren die sowohl körperlich und emotional härtesten in Cashs Leben – doch die Arbeit an „American V: A Hundred Highways“ sollte sich als seine Errettung herausstellen. Rubin erinnert sich: „Johnny sagte, dass die Aufnahmen der Hauptgrund waren, warum er noch am Leben war. Ich glaube, dass er einzig für die Musik weitergelebt hat – sie war das einzige, was ihm noch Freude bereiten konnte.“ Cash und Rubin begannen mit der Arbeit an den Songs, die später auf „American V: A Hundred Highways“ landen sollten, bereits im Jahr 2002; und zwar exakt einen Tag, nachdem sie „American IV: The Man Comes Around“ fertiggestellt hatten, das im November des Jahres veröffentlicht wurde. Johnny fürchtete, dass „American IV“ seine letzte Platte sein könnte, also schlug Rubin ihm vor, sofort mit neuen Aufnahmen weiterzumachen. Im Verlauf der folgenden acht Monate wurde entweder in Rubins Studio in L.A., in Johnnys Hauptwohnsitz in Nashville, oder aber in Johnnys sagenumwobener Hütte auf der anderen Straßenseite an neuen Songs geschnitzt. Wegen Cashs gebrechlichem Zustand, sorgte Rubin dafür, dass stets ein Toningenieur und eine Reihe von Gitarristen abrufbereit waren, die immer dann zum Zug kamen, wenn sich Cash fit genug für die Arbeit fühlte.
„Er hätte am liebsten pausenlos gearbeitet“, erzählt Rubin. „Morgens, gleich nach dem Aufstehen, rief er normalerweise sofort den Toningenieur vor Ort an und berichtete ihm von seinem jeweiligen Gesundheitszustand. Unser zentrales Anliegen waren ausgezeichnete Gesangsaufnahmen. Johnny nahm dann immer einen Song auf, schickte ihn mir rüber, und ich bastelte dann an einem Track als Unterbau. Schließlich, gegen Ende der Aufnahmen, die zu den Alben der American-Series führten, kam er dann auch nach Los Angeles, und wir gingen das gesamte Material noch einmal zusammen durch. Er nahm dann z.B. noch einmal diejenigen Gesangs-Parts auf, die noch ein bisschen Feinschliff benötigten. Dieses Mal allerdings hatten wir nicht die Möglichkeit, den finalen Schliff gemeinsam zu machen.“ Vergangenes Jahr machte sich Rubin daran, die letzten Aufnahmen durchzugehen. Er räumt ein: „Ich hatte wahnsinnigen Respekt davor, fast schon Angst, es war wirklich schwierig, dieses Material nach seinem Tod zu sichten. Sehr schwierig. Während all der Alben, die ich mit Johnny aufgenommen habe, war stets unser zentrales Anliegen, dass wir auch wirklich Alles aus uns herausholen. Mit „American V“ werden wir noch einmal diesem Anspruch gerecht“, erklärte Rick. Schließlich kamen David „Fergie“ Ferguson (Toningenieur), Mike Campbell (Gitarre) und Benmont Tench (Keys) von den Heartbreakers und Smokey Hormel (Gitarre), die allesamt schon an den Vorgängern der American-Series beteiligt gewesen waren, ins Studio, wo sie zudem auf Matt Sweeney (Gitarre) und Johnny Polonsky (Gitarre) trafen.
„Johnny war bis zum Ende der Aufnahmen bei uns, wir konnten ihn permanent im Raum fühlen“, erzählt Rubin. „Es fühlte sich fast schon so an, als ob er unsere Machenschaften im Studio dirigieren würde, und ich weiß genau, dass nicht nur ich dieses Gefühl hatte. Auch die anderen Musiker meinten das. Fast alle der Songs wurden direkt zu Johnnys Vokal-Spuren eingespielt -, wir haben sogar nach seiner Stimme die Instrumente gestimmt. Wir haben mit ihm und für ihn gespielt und wollten die Emotionen seiner Performance damit unterstützen. Es kam sogar oftmals vor, dass ich und Fergie uns während der Sessions angucken mussten und uns sagten, dass Johnny diese oder jene Version geliebt hätte, weil das Material so gut und so anders war. Wir waren uns sicher, dass er ausgeflippt wäre, eben weil es etwas völlig Neuartiges war.“
Es wurde beschlossen, dass „American V: A Hundred Highways“ erst nach dem Abklingen des jüngst von den Medien zelebrierten Cash-Hypes veröffentlicht werden sollte. Der Unterschied zu all den Neuauflagen, Compilations, Soundtracks und Co. ist, so Rubin, dass es sich bei diesem Album „um Johnnys Final Statement handelt. Diese Songs reflektieren absolut treffend und ehrlich, worum es ihm zu Lebzeiten ging. Diese Musik war sein Leben. Und das ist die Musik, die Johnny uns präsentieren wollte.“
Album-CD: American V: A Hundred Highways
Erscheinungsdatum: 2006
Label: Lost Highway
Trackliste:
01. Help Me
02. God’s Gonna Cut You Down
03. Like the 309
04. If You Could Read My Mind
05. Further on Up the Road
06. On the Evening Train
07. I Came to Believe
08. Love’s Been Good to Me
09. Legend in My Time
10. Rose of My Heart
11. Four Strong Winds
12. I’m Free From The Chain Gang Now