Aaron Watson
Die umfangreiche Biografie des texanischen Singer &Songwriters.
Es gibt sie noch, die vergleichsweise jungen Musiker, die sich waschechter Honky Tonk Music verschrieben haben. Jene vom Aussterben bedrohten Haudegen, die pausenlos unterwegs sind und ihr Publikum unterhalten. Das wiederum weiß genau, was es erwarten kann. Man findet sie noch, die Sänger und ihre Bands, denen es spürbar Freude bereitet, kompromisslos ihre Musik live und voller Hingabe zu präsentieren. Und sie kommen sporadisch sogar nach Europa. Beispielsweise ins französische Craponne, wo das seit 24 Jahren veranstaltete Country-Rendez-Vous Festival solchen Künstlern eine ideale Plattform bietet. Das Publikum honoriert die Bemühungen durch tausendfaches Erscheinen und frenetischen Applaus.
Kein Zweifel, Aaron Watson kommt mit seiner Texas Honky Tonk Music und seiner kontaktfreudigen, offenen Art an. Er lässt deutlich erkennen, dass das, was er dort auf der Bühne macht, mehr ist als ein Job. Man ist sich sicher, der Texaner ist für diese Musik geboren, das weiß er, deshalb macht er das Beste aus dem Talent, das ihm in die Wiege gelegt worden ist.
Zu den großen Stars der Country Music gehört er noch nicht, auch wenn er schon gute 10 Jahre im Geschäft ist. In Europa noch weitgehend unbekannt, geht er beharrlich seinen Weg, sein Ziel immer fest im Auge. Es ist ihm wichtig, seine Karriere weitgehend selbst im Griff zu haben, ihm liegt daran, einen Schritt nach dem anderen zu tun, sich eine feste Basis zu schaffen, von der aus sich besser agieren lässt. Dabei wäre er beinahe gar kein Sänger geworden …
Als Aaron Watson 1977 in der texanischen Stadt Amarillo geboren wurde, bekam er einen Musik-Virus mit auf den Lebensweg, wenngleich an eine Karriere in der Musik natürlich noch nicht zu denken war. Amarillo, im Herzen des texanischen Panhandle gelegen, musikalisch u.a. durch Emmylou Harris sowie den George Strait Hit „Amarillo By Morning“ gewürdigt, hat ein besonderes Flair. Nicht zuletzt gehören dort Cowboys zum Alltagsbild, denn die Rinderzucht trug nicht unmaßgeblich zum Wachstum der rund 200.000 zählenden Metropole am Rande der Llano Estacado (auch Staked Plains) genannten wüstenähnlichen Gegend bei.
Aus dem Großraum Amarillo, Lubbock, Clovis (New Mexico) stammen u.a. solch legendäre Musiker wie Buddy Holly und Waylon Jennings. Kein Wunder also, dass sie es waren, die den ganz jungen Aaron Watson ebenso beeinflussten wie Willie Nelson, George Jones und Merle Haggard. Ehe er sich ganz der Musik verschrieb, mussten ihm jedoch die Augen geöffnet werden. Okay, die Mutter hatte ihn schon als kleines Kind dazu animiert zu singen. In der Kirche beim Gottesdienst fiel es ihm am leichtesten, denn da sangen andere Menschen ebenso laut mit.
Inzwischen ins weiter südlich gelegene Abilene umgezogen hörte sich das in Watson’s Ohren besser an, was er vom Vater hörte. Denn der sah in seinem Sohn eher einen erfolgreichen Sportler als einen Musiker. Baseball-Profi sollte und wollte Watson werden. Watson dazu: „Wenn du mich damals nach meinen beruflichen Zielen gefragt hättest, ich hätte wie aus der Pistole geschossen geantwortet: Baseball-Profi in einem Top Team. Dann wurde mir eines Tages klar, dass ich nichts weiter als ein ganz durchschnittlicher Spieler war. Ich hätte mich furchtbar anstrengen müssen, um überhaupt mithalten zu können. Das wollte ich weder meinem Eltern noch mir antun. Ich muss sagen, Daddy sah das auch so, meine Eltern akzeptierten meine Entscheidung.“
Denn da war ja noch etwas im Hause Watson: „Daddy hatte eine riesige Plattensammlung, in der ich nach Herzenslust stöbern konnte. Das meiste waren Country-Platten, von Willie, Waylon, Merle, George aber auch von den Beatles und den Beach Boys. Ich spürte, dass sich bei mir was tat, wenn ich immer wieder diese Scheiben hörte. Ein einschneidendes Erlebnis, das ich wenige Jahre vorher hatte, gab nun den Ausschlag. Durch einen Freund hatte ich eines der legendären Konzerte von Garth Brooks im Texas Stadium von Irving erleben können und anschließend eines von Clay Walker. Ich bekam auch das Drum und Dran hinter den Kulissen mit, das faszinierte mich.“
Unterdessen war Aaron Watson Student an der Christian University in Abilene. Sein dortiger Musiklehrer hieß Dan Mitchell, er befasste sich intensiv mit seinem Schüler. Watson: „Er hat mir unheimlich viel geholfen, nicht nur, dass er mir das Gitarrenspiel richtig beibrachte, er ermutigte mich immer wieder. Auch dazu, selbst Lieder zu schreiben. Damals habe ich gespürt wie wichtig es ist, wenn Jemand an Dich glaubt.“
Die nächsten Schritte waren nur logisch. Watson arbeitete an sich als Musiker und Songschreiber, er gründete seine erste Band und trat in Abilene auf und bald auch in der näheren Umgebung. Eine weitere zufällige Begegnung half ihm erneut. Er lernte Larry Gatlin kennen, der ihm viel über das Business und vor allem über das Songschreiben erzählte. In Dr. Neal Lowery fand er den Partner, der den vielleicht wichtigsten Schritt zum Profi ermöglichte. Der Mediziner war zugleich Songschreiber. Also taten sie sich zusammen und schrieben gemeinsam. Zudem war Dr. Lowery nicht nur bei der Geburt von Watson’s ersten beiden Kindern zur Stelle, er ermöglichte ihm auch durch finanzielle Spritzen die Produktion des Debüt-Albums sowie das Überleben mit seiner Band in den ersten Monaten.
Das erste Album erschien 1999 und hieß schlicht und einfach „Aaron Watson“. Watson wurde zu einer lokalen Größe in Texas, pausenlos tourt er seither dorthin, wo seine Fans ihn und seine erdige, unverfälschte Honky Tonk Music hören wollen. Mit seinen nächsten Alben „A Texas Cafe“ (2001) und „Shutupanddance“ (2002) tat er den entscheidenden Schritt. Ins Studio hatte er Musiker von Lloyd Maines und Robert Earl Keen geholt.
Jetzt war Watson nicht nur im Südwesten ein Country-Star, man wurde auch in Nashville auf ihn aufmerksam. Denn der junge Honky Tonker hatte sein stilistisches Repertoire deutlich um Western Swing, Bluegrass und dezente Rock’n’Roll-Klänge ausgeweitet. Aber er widerstand der Versuchung. Watson begründet das so: „Es hätte schon ein verdammt gutes finanzielles Angebot sein müssen. Ich bin da vorsichtig. Mir sind meine Familie und meine persönliche und künstlerische Freiheit enorm wichtig. Ich möchte bei allem, was ich mache, die Kontrolle behalten. Lieber gehe ich die Treppe langsam rauf als mit dem Aufzug direkt bis unters Dach durchzustarten. Der Aufzug fährt nämlich auch wieder ganz runter und dann möchte ich nicht drin sitzen. Ihr habt doch da so eine Redensart von dem Spatzen in der Hand. Danach verfahre ich und bin bisher nicht schlecht damit gefahren.“
Immerhin hat ihn das bereits bis nach Europa gebracht und ein Ende des Aufwärtstrends ist nicht in Sicht. Aaron Watson gründete also sein eigenes Plattenlabel, auf dem er seine CDs vermarktet. 2004 holte er sich den legendären Routinier Ray Benson (Asleep at the Wheel) als Produzenten für „The Honky Tonk Kid“. Ein Jahr später erschien das erste Live Album „Live At The Texas Hall of Fame“, das er natürlich mit seiner Band einspielte. Die CD „San Angelo“ aus 2006 brachte Aaron Watson erstmals auch in die Country Charts. Danach folgte ein Gospel Album mit dem Titel „Barbed Wire Halo“, an dem Billy Joe Shaver mitwirkte. Mit „Angels & Outlaws“ ging Watson seinen musikalischen Weg konsequent weiter. 2009 entstand im Hog Creek Ice House von Waco, Texas das zweite Live Album „Deep In The Heart of Texas“, das als CD/DVD veröffentlicht wurde.
Die aktuelle CD „The Road & The Rodeo“ halte ich für Watson’s bisher ausgereifteste. Sie verdeutlicht, welch positive Entwicklung der Künstler inzwischen sowohl als Sänger wie auch als Songschreiber genommen hat. Keinen Deut hat er sich von seinen Wurzeln entfernt, immer noch bestimmen Werte seine Arbeit, die ihm wichtig sind: seine Heimat, seine Familie, Rodeos und das Touren für sein Publikum.
Wie sagt er so schön mit einem breiten texanischen Grinsen: „Ich bin zufrieden. Ich habe eine intakte Familie, prächtige Kinder, ich kann meine Musik machen und die Leute kommen zu meinen Gigs. Dass ich keinen Vertrag bei einem großen Label unterschrieben habe, bereue ich nicht. Inzwischen verkaufen wir unsere Tonträger richtig gut bei unseren Auftritten und auch online. Ich fühle mich wohl, wenn ich auf der Bühne bin. Dann habe ich das Gefühl, bei Freunden zu sein. Ich bin zwar viel unterwegs aber das hat dem Privatleben bisher nicht geschadet, weil die Familie soweit wie möglich eingebunden ist. Was will man mehr?“
Künstler / Albumtitel: Aaron Watson – The Road & The Rodeo
Format / Label / Veröffentlicht: CD & Digital (Big Label Records 2010)
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Trackliste:
01. The Road & The Rodeo
02. The Road
03. Walls
04. Best For Last
05. Fast Cars Slow Kisses
06. Bless Her Crazy Heart
07. Zero To Sixty
08. Sweetheart Of The Rodeo
09. Conflict
10. Houston
11. Hollywood
12. High Price Of Fame
13. The Things You’ll Do
14. Drivin‘ All Night Long
15. After The Rodeo