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Conway Twitty

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Wenn man die Nachricht vom Tode eine Country-Stars seiner Größenordnung erhält, ist das immer ein Grund, über den Künstler nachzudenken. Dennoch berührt einen eine solche Meldung mitunter stärker als üblich. Wobei die Umstände sicher auch eine Rolle spielen. Ganz sicher auch, dass man den Künstler etwas näher kennen lernen konnte und somit einen etwas persönlicheren Bezug bekommen hatte.

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Als ich erfuhr, dass Conway Twitty am 5. Juni 1993 gestorben war, wirkte das zunächst wie ein Schock. Der am 1. September 1933 in Friar’s Point, Mississippi, geborene Künstler war, soweit seinerzeit bekannt, nicht erkrankt gewesen. Er tat das, was er seit Jahrzehnten zu tun pflegte, Conway Twitty war irgendwo unterwegs, um sein Publikum zu unterhalten. Dieses Irgendwo hatte in den letzten Jahren immer häufiger Branson, Missouri geheißen. So auch an jenem fatalen Abend. Nach einem Auftritt dort brach er zusammen, wurde ins Hospital nach Springfield gebracht, wo er noch während der Notoperation starb.

Conway TwittyDem ersten Schrecken folgten Minuten des Besinnens. Erinnerungen stellten sich ein, wann ich ihn zuletzt gesehen hatte, welche Lücke er hinterlässt und welche interessanten Thesen er mit mir diskutiert hatte. Der als Harold Lloyd Jenkins geborene Künstler arbeitete sich zu einem ganz Großen der Unterhaltung hoch. Als Conway Twitty setzte er Maßstäbe, die nur schwer zu übertreffen sein würden.

Daheim in den USA wusste man sehr viel besser, welchen Stellenwert man ihm zuerkennen musste als das bei uns der Fall war. Zwar konnte man Conway Twitty einige Male auch in Deutschland auf der Bühne erleben, einen nennenswerten Bekanntheitsgrad besaß er hier allerdings nicht. Während Andere im knüppelharten, schrillen Showbusiness durch alle möglichen Effekte, Verrücktheiten und Aktionen die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken versuchten, tat Twitty dies ausschließlich durch seine Musik. Er war bis zuletzt ein Mann ohne Skandale und deshalb für die Boulevard-Presse auch in den USA kein Thema. Nicht einmal die jahrelange enge Zusammenarbeit mit Kollegin Loretta Lynn gab zu wirklichen Spekulationen Anlass.

Conway Twitty verstand es wie kein Zweiter, zeitweise in der Öffentlichkeit zu leben und dabei nur das unbedingt Nötige aus seinem Privatleben preiszugeben. Man kannte seine Lieder und seine Show – den Menschen Conway Twitty oder besser Harold Jenkins hingegen lernten nur Wenige kennen. Erstaunlich, dass er als Sänger und Songschreiber aber auch als Produzent, Geschäftsmann, Entertainer und Publikumsmagnet zu einem der Größten der Unterhaltungsmusik werden konnte. Sagenhafte 55 Singles brachte er auf Platz 1, die Verkaufszahlen seiner Tonträger haben die 50 Millionen deutlich überschritten. Dass er eine Serie von 30 aufeinanderfolgenden Singles hinlegte, die Platz 1 erreichten, ist unerreicht und alles andere als Zufall. Twitty besaß ein besonderes Gespür dafür, welche Songs für ihn am besten geeignet waren. Wenn er sie schon nicht selbst schrieb, konnte er sich auf sein Gespür verlassen. „Wir hören uns hunderte, ja weit über tausend Songs an, ehe wir für ein neues Album ins Studio gehen. Nur wenn man sich viele Songs anhört, bekommt man ein Ohr dafür, wo die kleinen aber wichtigen Unterschiede liegen“, erklärte er mir. Und weiter: „Ich singe am liebsten Songs, die Jeder versteht. Lieder mit Dingen als Inhalt, die jede Frau gern von ihrem Mann hören würde,“ Er ging soweit zu sagen, dass der Song 90% am Erfolg ausmache, der Rest bleibe für den Sänger Conway Twitty, aus Glück, Zufall und ähnlichen Dingen. „Mir ist egal, wer den Song geschrieben hat und ob ich vertraglich daran beteiligt bin. Nur das, was ich in einem Song höre, beeinflusst meine Entscheidung!“ Das ist der Conway Twitty, der schon früh in seiner Karriere diese maßgeblich mitbestimmte und sich nie gängeln ließ.

1958 hatte er seinen ersten Riesenhit, bis zuletzt musste Twitty keine Popularitätseinbuße hinnehmen. Sein Image bekam nicht einmal Kratzer, was immer er auch sang, es war Conway Twitty – es klang lediglich dem aktuellen Sound angepasst. Denn dass er mit der Zeit und damit auch der Entwicklung würde mitgehen müssen, stand für ihn außer Frage.

Was hat diesen Mann so außergewöhnlich gemacht? Ganz sicher seine gewachsene, gefestigte Persönlichkeit. Twitty war begeisterter Sportler, er war dazu geboren, mit Musik Menschen zu unterhalten, ihm war das Charisma in die Wiege gelegt, das große Persönlichkeiten auszeichnet. Und er hat all sein Talent nie für selbstverständlich erachtet sondern es als Verpflichtung verstanden, durch harte und ständige Arbeit das Beste daraus zu machen. Dazu kam eine ganz wesentliche Charaktereigenschaft, die man bei Anderen oft vermisst: Conway Twitty behandelte Jeden, mit dem er zu tun hatte, mit dem nötigen Respekt. Mit eiserner Selbstdisziplin ging er durch’s Leben, Alkohol und Drogen spielten für ihn nie eine Rolle – dafür die Familie und die Fans umso mehr.

Von frühester Jugend an war Hilfsbereitschaft eine Eigenschaft, die sein Handeln prägte, ohne dass er darüber gesprochen hätte. Für ihn war es selbstverständlich, von seinem späteren Wohlstand einiges abzugeben an Menschen, denen es ohne eigenes Verschulden dreckig ging. Typisch seine Einstellung dazu: „Wenn man darüber sprechen muss, kommt es nicht von Herzen!“.

Wie bei den meisten Kindern wurde auch Harold Lloyd Jenkins durch sein Umfeld, insbesondere sein Elternhaus geprägt. War es Eingebung oder war es sogar mehr? Jedenfalls war das Showbusiness ihm schon bei Geburt auf den Weg gegeben, denn er wurde nach dem berühmten Stummfilmstar Harold Lloyd benannt. Daddy Jenkins verdiente als Schiffs-Lotse auf dem Mississippi seine Brötchen. Er war aber auch Musiker und brachte seinem Filius früh das Gitarrenspiel bei und kaufte ihm mit 4 Jahren das erste eigene Instrument. Harold Jenkins genoss die „Country-Erziehung“, zu der die Grand Ole Opry im Radio und Gospel Music in der Kirche gehörten. Inzwischen in Helena, Arkansas wohnhaft, zeigte sich zunehmend das musikalische Talent des jungen Burschen, der dann mit 10 Jahren seine erste eigene Band gründete: The Phillips County Ramblers. Eine eigene kleine Radio-Sendung bekam er dann auch bei einem lokalen Sender. Noch war mit Musik kein Geld zu verdienen, stattdessen trug er durch Gelegenheitsjobs zum Familien-Unterhalt bei.

Aber da war noch ein anderes Talent, das sich bei Harold Jenkins zunehmend bemerkbar machte: Sport – genauer gesagt Baseball. Auch in diesem Metier war Jenkins ein richtig Guter. Vielleicht wäre alles ganz anders gekommen, hätte man ihn nicht zum Wehrdienst einberufen. Just zu dem Zeitpunkt nämlich hatte er ein Angebot, bei den berühmten Philadelphia Phillies zu spielen. In der Army „fuhr“ er zunächst zweigleisig, er gehörte einer Band namens The Cimmarons“ an ebenso wie einem Baseball Team. Was letztlich ausschlaggebend für die Musik wurde, war ein gewisser Elvis Presley, ebenfalls in Mississippi geboren. Der mischte gerade die Musik-Szene auf als Jenkins aus der Army ins Zivilleben zurückkehrte. Presley wies ihm den Weg, er begann damit, eigene Songs zu schreiben und machte sich auf den Weg nach Memphis.

Im Dunstkreis von Sam Phillips und Sun Records trieb er sich herum, machte auch die eine oder andere Aufnahme, hatte aber noch nicht seinen eigenen Sound gefunden. Erst als MGM hellhörig wurde und ihn unter Vertrag nahm, schlug die Stunde des Conway Twitty, wie er sich nun nannte. Dieses war und blieb lediglich ein Künstlername, den bürgerlichen Namen Harold Jenkins legte er bis zu seinem Tod nie ab. Ein markanter Beweis dafür, wie sehr er das Privatleben von seinem Künstlerdasein zu trennen verstand. Wie er zum Künstlernamen fand, erklärte er so: „Wir waren uns einig, dass Harold Jenkins nicht gut für einen Sänger klang. Ich habe dann einen Straßenatlas aufgeschlagen. Dann fielen mir die Orte Conway in Arkansas und Twitty in Texas auf. Das war’s.“ In dem Zusammenhang gibt es eine interessante Episode. In Virginia lebte ein Mann, der tatsächlich Conway Twitty hieß. Der nahm in den 60ern eine Single auf mit dem Titel „What’s In A Name But Trouble“, in dem er sich über den Verlust seines Namens beklagt. Die Rückseite war eine Version des von Sheb Wooley bekannten „The Purple People Eater“.

Mit dem Künstlernamen Conway Twitty lag er ebenso richtig wie mit dem von ihm selbst geschriebenen „It’s Only Make Believe“ (Co-Autor ist sein damaliger Drummer Jack Nance). Ironie des Schicksals – dieser Song war als B-Seite der Single veröffentlicht worden. Die A-Seite hieß „I’ll Try“ und blieb bedeutungslos. Die ungewöhnlich emotional gesungene Teenager-Ballade war der Auftakt für eine sagenhafte Karriere. „It’s Only Make Believe“ eroberte die Unterhaltungsmusik, behauptete in 22 Ländern Platz 1 und verkaufte mehr als 8 Millionen Exemplare. Der Song hat ihn zeitlebens begleitet. Jetzt war Conway Twitty ein Rock’n’Roll Star aber nicht dort, wohin er eigentlich wollte. In die Country Music.

Geduld war eine weitere Tugend des Conway Twitty. Mit weiteren Rockabilly- und Rock’n Roll Hits festigte er erst einmal seine Position. „Danny Boy“, „Lonely Blue Boy“ zwei weitere Hits dieser Phase. Zudem schrieb er auch Soundtracks für einige Filmchen, war sogar darin zu sehen, doch Angebote, als Schauspieler zu glänzen, schlug er aus. Musik, die wollte Twitty machen, damit kannte er sich aus. Schon hier zeigte sich, dass der junge Mann genaue Vorstellungen von dem hatte, was er beruflich tun wollte. Rückblickend sagte er mir dazu: „Rock’n Roll war eine Weile okay aber nach 7 oder 8 Jahren wollte ich nicht mehr. Mir war auch klar, ich würde nicht mehr lange für das junge Publikum interessant sein, für das ich damals spielte. Mich zog es immer schon zur Country Music.“

Nachdem er das einmal erkannt hatte, zog er – für ihn typisch – gründlich einen Schlussstrich. Von heute auf morgen ändert er die Musikrichtung, den Lebensstil und blickte nie mehr zurück (auch wenn er seine Rock’n Roll Hits in den Shows weiter sang). Er war jetzt 32 Jahre alt, man schrieb das Jahr 1965. Warum er bis dahin keinen ernsthaften Versuch mit Country Music unternommen hatte, begründete Twitty auf seine typische, direkte Art: „Ich konnte mir nicht vorstellen, mit meinen Vorbildern Roy Acuff, Ray Price oder Hank Williams als Kollege oder gar Konkurrent auf der Bühne zu stehen. Das College war für Kids wie mich unerreichbar weit weg. Deshalb wollte ich Baseball Profi werden.“

Wie er sich da irrte, der ansonsten einen ausgeprägten Realitätssinn sein eigen nennt. Conway Twitty wurde eine feste Größe, ein Eckpfeiler in der Country Music. Owen Bradley, ohnehin ein Mann mit Weitblick, zögerte keine Sekunde, diesen Conway Twitty für MCA unter Vertrag zu nehmen als er erfuhr, dass der Country Music machen wollte. Die Anfangsschwierigkeiten, den durchaus guten Ruf als Rock’n Roller abzulegen, arbeiteten die Beiden beharrlich aus dem Weg. Und so tauchte Coway Twitty 1968 erstmals in den Country Top Ten auf. Wurde „The Image Of Me“ noch auf Platz 5 gestoppt, boxte sich die nächste Single „The Next In Line“ an die Spitze durch. Dieser ersten Nr. 1 sollten 54 weitere folgen! Es ist schwer, aus diesen Erfolgen irgendwelche noch hervor zu heben, doch avancierte „Hello Darling“ ohne Zweifel zu seinem bekanntesten und beliebtesten Song. Auf dieses Lied werde ich an anderer Stelle noch genauer eingehen.

Einige weitere Nr. 1-Hits des Conway Twitty sollen noch in Erinnerung gerufen werden, um den Stellenwert des Stars zu untermauern: „Fifteen Years Ago“, „You’ve Never Been This Far Before“, „There’s A Honky Tonk Angel“, „I See The Want To In Your Eyes“, „Linda On My Mind“, „The Games That Daddies Play“, „Play Guitar Play“, „Don’t Take It Away“, „I May Never Get To Heaven“, „Tight Fittin‘ Jeans“, „Slow Hand“, „Don’t Call Him A Cowboy“ und „Desperado Love“, seine letzte Nr. 1 im Jahre 1986.

In mancherlei Hinsicht war Conway Twitty auch ein Trendsetter. Mit „You’ve Never Been This Far Before“ setzte er eine Entwicklung in Gang. Bis dahin gab es zwar massenhaft Songs über Eifersucht aber es waren durchweg die Männer, die untreu wurden. Nach diesem Hit, so heißt es, sah man deutlich mehr Frauen, die den Ehering daheim ließen. In der eher konservativen Country Music musste sich Conway Twitty bei diesem Lied dann auch den Boykott einer Reihe von Discjockeys und Sendern gefallen lassen. Es hat ihm nicht geschadet, im Gegenteil.

1971 begann eine weitere, parallel laufende Erfolgsgeschichte. Conway Twitty tat sich mit der nicht minder populären Loretta Lynn zusammen. Im Duett dominierten sie jahrelang die Charts und erwiesen sich bei ihren gemeinsamen Konzerten als Publikumsmagneten. „After The Fire Is Gone“, gleich ihr erstes Duett, schoss auf die Nr. 1. „Lead Me On“ wiederholte das im gleichen Jahr noch. In den folgenden Jahren holten sie mit „Louisiana Woman, Mississippi Man“, „As Soon As I Hang Up The Phone“, „Feelins“ weitere Spitzenplätze.

An dieser Stelle muss auch der Song-Experte wieder in Erinnerung gerufen werden. Ohne den richtigen Song ist ein Sänger brotlos. Welcher Song aber der richtige ist, kann man nicht lernen, das muss man im Gefühl haben. Dieses beinahe untrügliche Feeling besaß Twitty in reichem Maße. Nicht von ungefähr nannte man ihn „den besten Freund, den ein Lied jemals hatte“. Dass er sich selbst das passende Lied schreiben konnte, mag nicht überraschen. Nahezu die Hälfte seiner Nr. 1-Hits kamen von ihm. Er erkannte bei dem ihm angebotenen Material nicht nur, welcher Song für ihn selbst gut war sondern auch, ob es ein Hit für einen Kollegen werden könnte. Twitty hatte kein Problem damit, solche Songs an den richtigen Künstler weiter zu vermitteln.

Schaut man sich sein Song-Repertoire genauer an, fällt auf, dass es oft um Frauen geht. Das allein ist nicht verwunderlich – Twitty aber sprach das weibliche Geschlecht direkter an als andere. Nicht zuletzt waren es die Frauen, die solche Songs zu seinen größten Hits werden ließen. Twitty ging damit durchaus auch ein Risiko ein, denn inhaltlich wagte er sich mitunter für die damalige Zeit und die amerikanischen Moralbegriffe durchaus weit aus dem Fenster.

Der Entertainer Conway Twitty bastelte eine harmonische, homogene und ganz auf seine Person zugeschnittene Live Show zusammen, die genügend Spielraum für seine Musiker und andere Künstler innerhalb des Programms bot. „The High Priest of Country Music“ titulierte man ihn dafür gern. Zu seiner Spezialität gehörte es, sich selbst zurückzunehmen, nicht mehr als nötig im Mittelpunkt zu stehen und immer den Hauch eines Geheimnisses um sich zu haben. Sobald er im Scheinwerferlicht auf der Bühne stand, war er Sänger, da dominierte die Musik. Seine Statement dazu: „Ich werde oft gefragt, warum ich bei meinen Auftritten so wenig spreche. Ich tue es aber doch – nur unterhalte ich mich durch die Musik mit den Menschen. Das wollen sie von mir hören.“

Und die Fans hielten ihm die Treue, sie gaben ihm eine unerschütterliche Basis, auf der er sich künstlerisch entfalten konnte. Eine erdbebensichere Basis! Conway Twitty wusste das zu schätzen, auch das nahm er nicht als selbstverständlich hin. Nach Konzerten war er in der Regel für seine Fans da, schrieb stundenlang Autogramme, posierte mit ihnen für ein Erinnerungsfoto und schüttelte unzählige Hände. Seine Geduld diesbezüglich war sprichwörtlich. Für ihn war die Zuneigung jedes einzelnen Fans wichtiger als irgendwelche Auszeichnungen. „Diese Menschen kaufen meine Platten und kommen zu meinen Konzerten. Sie sind mir wichtig. Natürlich freue ich mich auch, wenn ich eine Auszeichnung erhalte, doch davon kann ich letztlich nicht leben. Ohne die Fans wäre Conway Twitty nicht möglich“, bekannte er offenherzig. Von der Country Music Association wurde er übrigens trotz seiner gigantischen Erfolge nie mit einem Solo Award bedacht.

Dann gab es noch den Geschäftsmann Conway Twitty. Anders als viele seiner Kollegen besaß er einen ausgesprochen guten Geschäftssinn. Richtig findig erwies er sich im Zusammenspiel mit seinen Fans. Meist setzte er auf das richtige Pferd und investierte in lohnende Geschäfte. Am bekanntesten geworden ist in diesem Zusammenhang „Twitty City“. Diese 1982 eröffnete Attraktion wurde für einige Jahre zu einer Stätte, die die Touristen magnetisch anlockte. In dem von ihm betriebenen Komplex in Hendersonville vor den Toren Nashville’s war seine komplette Familie eingebunden. Souvenir-Shops, Museum, Live Shows und natürlich die Behausungen der Familie – alles aus Liebe zu seinen Fans, denen er auf diese Weise möglichst nahe sein konnte. Natürlich trat er selbst dort auch regelmäßig auf. Worüber weniger gesprochen wurde – so ganz nebenbei war der Komplex alles andere als ein Zusatzgeschäft. Doch wie schon an anderer Stelle erwähnt, Conway Twitty war kein Geizhals, er gab einen erklecklichen Teil seines Vermögens für wohltätige Zwecke her, ohne dass darüber geredet wurde. Den Fans gab Twitty das Gefühl, nur für sie da zu sein. Obwohl er zeitweise mitten unter ihnen wohnte, blieb sein Privatleben privat. Ganz bewusst, so und nicht anders wollte er das. Darauf angesprochen, erklärte er mir: „Zu Dingen über Conway Twitty äußere ich mich eigentlich nie. Jeder meiner Fans hat sich sein eigenes Bild von Conway Twitty gemacht. Warum soll ich das durch irgendwelche Äußerungen oder Enthüllungen zerstören? Wer hat etwas davon? Es spielt doch keine Rolle, ob der Mensch Conway Twitty tatsächlich so ist, wie ihn der Fan sich vorstellt.“

All das mag sich so anhören als ob der Mann selbst nie Fehler begangen hätte. Aber natürlich hat er. Ein Mensch, der sich bewusst war, dass man sogar viele Fehler im Leben macht, ohne Fehler aber auch nicht viel lernen kann. Twitty: „Es sind diese Nackenschläge, vor allem die ganz unverhofften und die selbstverschuldeten, durch die du lernst, die dich formen.“

Conway Twitty, so habe ich ihn kennen gelernt, lebte für seinen Beruf, für seine Fans und vor allem für seine Familie. Wenn er auf einer Bühne stand, wollte er das Beste abliefern. Er war ein Arbeitstier und bekannte sich dazu: „Ich erhole mich bei der Arbeit (vielleicht ein Trugschluss, der ihn zu früh das Leben kostete?). Urlaub kenne ich nicht, ich gehe nicht angeln oder jagen. Ich stecke meine ganze Energie in das Music Business.“

War es diese Besessenheit, die seine Gesundheit so ankratzte und auch sein Familienleben beeinflusste? Jedenfalls starb er noch bevor er das 60. Lebensjahr erreicht hatte. Eine Antwort auf die Frage nutzte ihm nichts mehr. Die Country Music wurde ohne ihn um Vieles ärmer, sicher bin ich nicht der Einzige der noch heute Conway Twitty und seine Musik vermisst.

Ein Wort zu seinem Privatleben, das er so behütete. Drei Ehen war er eingegangen, zwei davon zerbrachen, ohne dass darüber mehr als unbedingt nötig berichtet wurde. Teilweise versuchten einige seiner vier Kinder (Michael, Joni, Kathy, Jimmy) es auch mit Gesang, doch diese Versuche waren zum scheitern verurteilt. Keines seiner Kinder erreichte nennenswerte Meriten als Künstler. Dafür waren sie nach Twitty’s Tod in einem jahrelangen Erbschaftsstreit immer wieder in den Medien. Dass niemand mit seinem so frühen Tod gerechnet hatte, zeigte sich daran, dass er nach der 3. Ehe mit Dee Henry sein Testament noch nicht geändert hatte. Nach dem Gesetz steht der Ehefrau ein Drittel des Vermögens zu. Dee Henry und ihre Stiefkinder konnten sich nicht über den Wert des Twitty Vermögens einigen, so dass es zu einer viel diskutierten Versteigerung kam. Ruhe kehrte danach immer noch nicht ein. Die vier Kinder verklagten Sony/ATV Music Publishing, es ging um Urheberrechte und Tantiemen und darum, dass die Kinder 1990 nicht gewusst hätten, was sie unterschrieben, obwohl sie da bereits erwachsen waren. Dee Henry war übrigens nicht in das Verfahren eingestiegen.

Bei seinen Kollegen war Conway Twitty sehr beliebt. Nicht zuletzt bei den Songschreibern, denn wegen seiner absoluten Professionalität und seiner Vorliebe für gute Songs hatte er immer ein offenes Ohr für sie. Wenn er sich einmal für ein Lied entschieden hatte, dann versuchte er mit jeder Faser seines Körpers und seiner Seele, es entsprechend umzusetzen. Wie so Vieles in seinem Leben ist ihm dies meist gelungen.

Umso erstaunlicher, dass er im Vergleich zu anderen Größen der Unterhaltungsmusik vergleichsweise wenig Würdigung erfahren hat. Immerhin wurde er 1999 in die Country Music Hall of Fame aufgenommen. 2003 belegte er Rang 8 in einer Auflistung der größten Persönlichkeiten der Country Music. Was ihn selbst zu Lebzeiten nicht gestört hat, sollten wir posthum deshalb nicht kritisieren. Ihm warn seine Fans das Wichtigste im Berufsleben. Dass dies nicht nur ein Lippenbekenntnis gewesen ist, macht eine Episode deutlich, die nie richtig bekannt wurde. Twitty gewann einen Rechtsstreit gegen das Finanzamt. Ihm wurde danach zugestanden, Verluste aus dem 1971 gescheiterten Geschäft mit der Restaurant-Kette „Twitty Burger“ von seinen Einnahmen aus dem Music Business abzusetzen. Dies ist eigentlich nicht zulässig, doch Twitty konnte glaubhaft machen, dass er den persönlichen Ruf als Geschäftsmann dadurch schützen wollte, dass er Schulden in dem einen Business mit Einnahmen aus den anderen Business tilgen konnte. Mit seinem Urteil trug das Gericht der besonderen Beziehung zu seinen Fans und dem besonderen Ruf eines aufrichtigen Geschäftsmannes Rechnung.

Rund 100 Singles brachte Conway Twitty in die Country Charts. Die bis dato letzte Notierung dort geschah 2004 , ein Duett mit Anita Cochran. Mit „I Want To Hear A Cheating Song“ hatte man einen Song aus seinem früheren Repertoire ausgesucht und im Studio nachträglich mit der Stimme von Anita Cochran zusammen gebracht.

Conway Twitty – ein Künstler ohne Fehl und Tadel, ein überaus erfolgreicher noch dazu. Selbst in dem knallharten Business des Music Molochs Nashville zollte man ihm von allen Seiten Anerkennung und Respekt. So kann man ein Motto als charakteristisch für sein Lebenswerk zitieren, das er selbst konsequent befolgte: „Wenn man das tut, was man liebt und wenn man fähig ist, sich um die Menschen zu kümmern, die einem am Herzen liegen, dann spielt es keine Rolle, was man tut. Dann ist man ein erfolgreicher Mensch!“

Einige Stimmen von Menschen, die mit ihm zu tun hatten:

Country-Sängerin Jan Howard: „Er hatte im kleinen Finger mehr Talent als die meisten anderen im ganzen Körper. Er hat nie die Anerkennung erhalten, die ihm zugestanden hätte. Es ist schlimm in diesem verdammten Business, dass es damit wartet bis man tot ist. Die Fans aber liebten ihn und nur das ist wichtig.“

Kollegin Barbara Mandrell: „Ich war tief betroffen. Er war immer gut zu mir und meiner Familie, alle vermissen ihn. Er war ein Gigant der Musik aber seine Liebe für die Menschen übertraf noch sein Talent.“
Don Cook, der das letzte, nach seinem Tode veröffentlichte Album „Final Touches“ produzierte: „Er war eine Legende, spielte diesen Status aber selbst immer runter. Conway sah sich als Sänger, der das Glück hatte, immer noch eine weitere Platte machen zu können. Auf die Frage, was er machen würde, wenn eine Single kein Hit würde, meinte er lakonisch, es mit einer neuen Single wieder versuchen.“

Vince Gill: „Nachdem ich für ihn gearbeitet hatte, verpflichtete er mich für immer. Er war von mir als Harmoniesänger begeistert. Conway sagte mir, ich sei der beste Sänger, den er je in seiner Band gehabt hätte – und der teuerste. Teil seines Charmes war genau dieser Humor.“

Loretta Lynn, die zum Zeitpunkt seines Todes zusammen mit Ehefrau Dee Henry im Hospital von Springfield bangte: „Mooney (ihr Ehemann) und ich waren von der schlimmen Nachricht wie betäubt. Ich habe nicht nur einen großartigen Gesangspartner verloren, sondern einen ebensolchen Freund. Sein Tod wird bei mir immer eine Lücke hinterlassen.“

Einige wenige Zahlen mögen die Bedeutung des Harold Lloyd Jenkins alias Conway Twitty noch einmal untermauern: In der Auflistung der Sänger mit den meisten Top Ten Hits rangiert er auf Nummer 3. Bei den meisten Nr. 1 Hits wird er nur von George Strait übertroffen.

In der Zeit von 1968 mit „The Image Of Me“ bis 1986 mit „Desperado Love“ hatte er im Schnitt mehr als zwei Singles auf Platz 1! In den 25 Jahren seit seinem Chart-Debüt bis zu seinem Tod 1993 brachte Twitty im Jahresdurchschnitt vier Singles in die Charts. Unerreichte Rekordmarken. Dabei sind seine Rock’n Roll Erfolge noch gar nicht einmal berücksichtigt.

1986 erschien im Verlag Dolphin Doubleday eine von Twitty autorisierte Biographie unter dem Titel „The Conway Twitty Story“, geschrieben von Wilbur Cross und Michael Kosser (ISBN 0-385-23198-9)

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