Jason Aldean: Rearview Town
Nichts wirklich Neues aus dem Hause Jason Aldean. "Rearview Town" kann über Längen nicht überzeugen.
Bei den diesjährigen ACM Awards wurde Jason Aldean zum dritten Mal in Folge als Entertainer des Jahres ausgezeichnet. Der Lohn einer Erfolgskarriere, die seit fast einem Jahrzehnt ohne Einbrüche anhält. Im Jahr 2010 hatte der Cowboy aus Georgia die Szene mit einem neuartigen Mix aus Elementen des Rock und Hip-Hop überrascht und das Album „My Kinda Party“ zum Sprachrohr einer neuen Country-Generation gemacht. Nicht zuletzt waren es die Rap-Passagen auf dem Crossover-Hit „Dirt Road Anthem“, die dem kernigen Sänger aus der Kleinstadt Macon den Ruf eines musikalischen Erneuers einbrachten.
Dass Jason Aldean die Szene auch 8 Jahre danach immer noch dominiert, mag man bewundern. Doch ein kritischer Blick hinter den Vorhang offenbart eine eklatante Einfallslosigkeit des Nashviller Country-Zirkels und ihres preisdekorierten Top-Performers. Nach dem grandios konzipierten „My Kinda Party“ folgten mit „Night Train“, „Old Boots, New Dirt“ und „They Don’t Know“ drei Alben, die die Erfolgsmasche durch mehr oder minder austauschbare Songkreationen reproduzierten. Nun ist der neue Longplayer Rearview Town erschienen und damit die Hoffnung auf ein überfälliges musikalisches Ausrufezeichen.
Jason Aldean hat in den letzten Jahren Einiges erlebt. Neben dem privaten Glück mit Ehefrau Brittany und der Geburt von Sohn Memphis standen die Ereignisse um das erschütternde Las-Vegas-Attentat im Mittelpunkt. Genügend Stoff um den Fans Einblicke in die Gefühlswelt des Menschen Jason Aldean zu vermitteln. Doch auch diese Chance wurde verpasst. Mit „Rearview Town“ ist ein weiteres emotionsloses Abziehbild frei von persönlicher Handschrift entstanden.
Wie seine Vorgänger wurde auch das neue Album von Aldean-Entdecker Michael Knox produziert. Es besteht wie gehabt aus 15 Tracks, die ohne Mitarbeit des Künstlers auf Bestellung zugeliefert wurden. Das Grundmuster der Songbeiträge ist stereotyp. Rockiges Opening-Riff, gefolgt von R&B eingefärbter Strophe und fettem Powerrock-Refrain. 47 Minuten Tristesse, die nur wenige kreative Highlights zulassen.
Die Cleverness des Teams Knox/Aldean zeigt sich immer wieder in der Produktion sogenannter Leuchttürme. Songs, die aus dem stilistischen Einheitsbrei herausragen und als mögliche Singlehits im Ohr haften bleiben. So wurde auf dem Album „Old Boots New Dirt“ mit dem heftig kritisierten aber nicht minder erfolgreichen „Burning It Down“ ein spannender R&B-Crossover zum Hit entwickelt.
Auch „Rearview Town“ hat diese Leuchttürme, die den Künstler Jason Aldean weiter in der Erfolgsspur halten werden. Mit der Leadsingle „You Make It Easy“, von den Crossoverhelden Florida Georgia Line kreiert, wurde ein soulig-melodischer Chartbreaker vorausgeschickt. Ein Duett mit Miranda Lambert ist fast immer ein Volltreffer. Auf „Drowns The Whiskey“ unterstreicht Aldean seine Qualitäten als männliche Gesangshälfte, die er bereits auf dem phänomenalen „Don’t You Wanna Stay“ an der Seite von Kelly Clarkson bewiesen hatte. Eine wunderbare Steeleinlage gibt noch etwas Countrywürze dazu. Auch „Blacktop Gone“ geht als origineller New-Country-Rock durch und weiß durch einen catchy Refrain zu gefallen. Von den 12 übrigen Tracks dienen die meisten als Füllmaterial und verdienen keine tiefergehende Betrachtung.
Jason Aldean erklärt sein neues Album mit den Worten: „Es ist Zeit, Dinge hinter sich zu lassen und den Blick nach vorne zu richten“. Klingt nach Aufbruch, Verarbeitung, Neuorientierung!? Sorry, hier werden zahlende Fans mit einer stilistischen Mogelpackung wissentlich hinters Licht geführt. Jason Aldean ist ein glänzender Entertainer mit einer der größten und treuesten Fanbases im New Country. Mit dieser Macht im Rücken fehlt ganz offensichtlich die Kreativität und in letzter Konsequenz wohl auch der Mut, von einer überstrapazierten Erfolgsmasche abzurücken.
183.000 Verkäufe und Platz 1 in den Billboard 200 sind ein Statement, bei dem jegliche Kritik unangebracht erscheint. „Rearview Town“ ist der klassische Rückpass zum Torhüter, um eine knappe Führung über die Zeit zu bringen. Nicht schön anzuschauen, aber dennoch erfolgreich. Die Krise im New Country wird durch diese risikolose Form des „Weiter so“ wohl kaum gelöst.
Top-Tracks: „You Make It Easy“, „Drowns The Whiskey“
Fazit: Mit „Rearview Town“ veröffentlicht Jason Aldean eine unpersönliche Reproduktion vergangener Alben. Wer von treibendem Country-Rock mit den unvermeidlichen R&B-Lines nicht genug bekommen kann, wird auch „My Kinda Party, Teil 5“ in seine Sammlung aufnehmen. Wer diese Stilistik origineller haben möchte, könnte mit den Texanern William Clark Green, Cameran Nelson oder Sam Riggs einen neuen Versuch starten.
Jason Aldean – Rearview Town: Das Album
Titel: Rearview Town
Künstler: Jason Aldean
Veröffentlichungstermin: 13. April 2018
Label: Macon Music (Sony Music)
Format: CD, Vinyl & Digital
Laufzeit: 46:47 Min.
Tracks: 15
Genre: New Country, Rock, R&B, Hip-Hop
Bewertung: 2,5 von 5 möglichen Punkten!
Trackliste: (Rearview Town)
01. Dirt To Dust
02. Set It Off
03. Girl Like You
04. You Make It Easy
05. Gettin‘ Warmed Up
06. Blacktop Gone
07. Drowns The Whiskey – mit Miranda Lambert
08. Rearview Town
09. Love Me Or Don’t
10. Like You Were Mine
11. Better At Being Who I Am
12. I’ll Wait For You
13. Ride All Night
14. Up In Smoke
15. High Noon Neon