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Willie Nelson: Last Man Standing

Mit bald 85 Jahren liefert Willie Nelson mit "Last Man Standing" ein Album ab, das mehr als nur in den Bann zieht - es überzeugt.

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Willie Nelson - Last Man Standing Willie Nelson - Last Man Standing. Bildrechte: Legacy (Sony Music)

Er hat es wieder getan! Wie bereits im vergangenen Jahr (God’s Problem Child) beschenkt sich Willie Nelson auch 2018 wieder mit einem neuen Album. Last Man Standing erscheint wenige Tage vor seinem 85. Geburtstag und präsentiert elf neue Songs bei einer Spielzeit von (leider) nur knapp 34 Minuten. Aber wollen wir mal nicht meckern, immerhin versorgt uns der umtriebige Country-Sänger, der einer der letzten seiner Art ist, seit vielen Jahren regelmäßig mit immer wieder hochwertigen musikalischen Output (über 70 Studioalben in 55 Jahren). Es scheint beinah so, als wolle er in seinem letzten Lebensabschnitt noch einmal richtig „Gas“ geben, um der Nachwelt möglichst viel von dem, was ihn jetzt beschäftigt, zu hinterlassen.

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Wie der Titel schon vermuten lässt, ist „Last Man Standing“ ein sehr persönliches Album geworden, das auch düstere Gedanken zulässt. Denn: Nelson selbst ist in seinem neunten Lebensjahrzehnt angekommen, viele seiner Freunde und Weggefährten haben bereits von dieser Welt ausgecheckt. Um ihn herum wird es immer einsamer. Und irgendwie klingt es auch etwas wehmütig, zumindest aber nachdenklich, wenn er sich mit der eigenen Vergänglichkeit auseinandersetzt und im Titeltrack singt:

“ … I don’t wanna be the last man standing, or wait a minute maybe I do
If you don’t mind I’ll start a new line, and decide after thinking it through
Go on in front if you’re in such a hurry, like heaven ain’t waiting for you
I don’t wanna be the last man standing, on second thought maybe I do

It’s getting hard to watch my pals check out, cuts like a wore out knife
One thing I learned about running the road, is forever don’t apply to life
Waylon and Ray and Merle and old Harlan, lived just as fast as me
I still got a lotta good friends left, and I wonder who the next will be … “

(aus: „Last Man Standing“)

Doch diese Worte hat er keinesfalls – wie man vermuten könnte, in melancholische Noten eingepackt. Statt Düsterheit gibt es viel Energie und Kraft. Ein bischen Blues’n’Folk, treibende Beats und eine dezente Mundi machen das Lied zu einem ersten Highlight des Albums, das in der zynischen Frage mündet: „Wer wird wohl der nächste sein?“

Nicht verwunderlich, dass Nelson mit diesen Album und den elf neuen Liedern auch viel in seiner eigenen Vergangenheit unterwegs ist, sich an seine Wurzeln erinnert. Stoff genug ist da vorhanden. Mit Buddy Cannon als Co-Autoren schrieb er sich die Songs auf den Leib, die musikalisch vor allem eins sind: Eine Rückbesinnung auf die „althergebrachten“ Werte in seiner Musik. Keine Verwässerung durch Pop und Rock, um ein größeres Publikum zu erreichen. Stattdessen viel traditionelle Country Music mit Ausschlägen in Richtung Swing und Blues. Tanzbare Nummern – von „Ready To Roar“ bis „I Ain’t Got Nothin'“ – bilden das Herzstück des Albums. Ohrwurmcharakter sogar haben „She Made My Day“ und „Me And You“, ausgestattet mit flotten Melodien, im besten Sinne old-fashioned, traditionell, laden sie zum Tanzen ein.

Man mag es kaum glauben, dass dieser Sänger sich in der Mitte seines neunten Lebensjahrzehnts befindet, so energiegeladen, kraftvoll und einzigartig ist seine Stimme, mit der er die Lieder interpretiert. Jeder Ton hat Personality und eine faszinierende Aura. Das macht ihn und seine Musik so einzigartig, selbst dann, wenn er in früheren Jahren auch mal „Ausreißer“ ablieferte, die nicht dem hohen Standard späterer Werke genügten.

Stark ist Nelson auch immer wieder in seinen Balladen, obwohl sie auf „Last Man Standing“ sparsam gesät sind. Eindrucksvoll: „Something You Get Through“. Da heißt es: “ … Das Leben geht weiter und weiter, und wenn es vorbei ist, lebt es in jemand anderem …“. Das hebt die unterschwellige Traurigkeit des Titelsongs wieder auf. Das ruhige Stück erzählt von der Vergänglichkeit irdischen Lebens, als etwas, über das man „nicht hinwegkommt“, aber „hindurch geht“. Die Botschaft: Was nützt all das Trauern? Mach das Beste aus deinem Leben!

Dass Nelson trotz aller Widrigkeiten, die das Leben im letzten Abschnitt bereit hält, den Humor und Witz nicht verliert, zeigt sich an solchen Zeilen wie „Der Himmel ist geschlossen, die Hölle überfüllt, ich denke, ich bleibe wo ich bin.“ (aus „Heaven Is Closed“) oder „… schlechter Atem ist besser als gar kein Atem …“ (aus „Bad Breath“). Die neuen Songs halten noch mehr dieser Zeilen dunklen Humors parat. Trotz des „roten Fadens“ der Vergänglichkeit des Lebens, des Verlustes, der Selbstreflexion, aber auch der Liebe, driften die Lieder nie ins Pessimistische, oder gar Resignierende ab. Und trotz aller Nachdenklichkeit in den Worten kommt kaum Melancholie auf, da musikalisch die Fröhlichkeit, der Blick nach vorn, der Optimismus überwiegt.

Fazit: Grundsolides Country-Album, musikalisch old-fashioned, aber dennoch modern produziert mit einem Urgestein der nord-amerikanischen Musikszene, für den es keinen Stillstand gibt, und der den Zahlen auf seiner Geburtsurkunde mit Vehemenz und Erfolg trotzt und ihnen Frische und Originalität entgegensetzt. Übrigens, im Booklet sind alle Texte zum Nachlesen.

Willie Nelson – Last Man Standing: Das Album

Willie Nelson - Last Man Standing

Titel: Last Man Standing
Künstler: Willie Nelson
Veröffentlichungstermin: 27. April 2018
Label: Legacy (Sony Music)
Format: CD, Vinyl & Digital
Laufzeit: 33:29 Min.
Tracks: 11
Genre: Traditional Country

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Trackliste: (Last Man Standing)

01. Last Man Standing
02. Don’t Tell Noah
03. Bad Breath
04. Me And You
05. Something You Get Through
06. Ready To Roar
07. Heaven Is Closed
08. I Ain’t Got Nothin‘
09. She Made My Day
10. I’ll Try To Do Better Next Time
11. Very Far To Crawl

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Über Andreas Weihs (126 Artikel)
Fotograf und Journalist. Fachgebiet: Country & Folk. Rezensionen und Konzertberichte.