Vor 50 Jahren Nummer 1: Merle Haggard – Hungry Eyes
Am 10. Mai 1969 stand Merle Haggard mit "Hungry Eyes" auf Platz 1 der Charts.
Man stelle sich vor: Blake Shelton oder Kenny Chesney singen, wie traurig ihre Jugend war, weil sie in einem Flüchtlingscamp in einem alten Eisenbahnwagon aufwuchsen, wie ihr Vater schuften musste und als einfacher Arbeiter ausgebeutet wurde und wie ihre Mutter darunter litt, sich nie ein ordentliches Kleid kaufen zu können. Oder Billy Ray Cyrus würde beschreiben, wie wenig Ausbildung er genießen konnte und dadurch auf die schiefe Bahn geriet. Das Lied würde Hungry Eyes, also „Hungrige Augen“ heißen und schnell Platz 1 der Country-Charts erreichen. Sehr unwahrscheinlich, aber vor 50 Jahren geschah dieses: Merle Haggards Hymne an seine Mutter und deren hartes Leben stand nach nur 12 Wochen am 10. Mai 1969 an der Spitze der Country-Charts.
Merle Haggard beschreibt in seinem Lied das Schicksal der vielen Menschen, die aus den von Trockenheit und wirtschaftlicher Depressionen im mittleren Westen nach Kalifornien geflohen waren. Seine Eltern waren 1934, drei Jahre vor Merles Geburt, in Bakersfield angekommen und es gelang ihnen, den ganz schlimmen Auswüchsen des Elends zu entkommen. Aber Haggard sah noch 1946 bei Verwandtenbesuchen, wie schlecht es vielen trotz aller Bemühungen immer noch ging. Laut Norm Hamlet, Mitglied von Haggards Band The Strangers, hatte dieser für diesen Song also sowohl eigene Erfahrungen als auch Beobachtungen verarbeitet.
Wie Johnny Cash, hatte Merle Haggard seine einfache Herkunft und die Bedeutung sozialer Probleme für den arbeitenden Menschen nie vergessen. Seine Songs „Mama Tried“, „Working Man Blues“ oder „I Take A Lot Of Pride In What I Am“ belegen dies. Auch den Hobo, der als blinder Passagier auf Zügen mitfuhr und über den letzten Gang eines zum Tode verurteilten (Sing Me Back Home) besang Haggard in seinen Kompositionen.
Zurück zu „Hungry Eyes“. Den Song findet man auch unter dem Titel „Mama’s Hungry Eyes“ und es gibt diverse Cover-Versionen, unter anderem von George Jones, Johnny Bush oder Dale Watson. Sogar Kinky Friedman nahm das Lied ganz ohne Häme auf. Besonders schön ist die Interpretation von Emmylou Harris. Sie sang „Mama’s Hungry Eyes“ für eine CD, die bereits im Jahr 1994 unter eben diesem Titel als Tribute für Merle Haggard erschien. 13 Titel von Alan Jackson, Pam Tillis, Alabama oder Willie Nelson sind ein großartiges Zeugnis für die Qualität der Musik von Merle Haggard, der vor drei Jahren am 6. April 2016 verstarb.