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Dom Flemons: Traveling Wildfire

Der „American Songster“ legt sein erstes neues Album seit seinem bahnbrechenden „Black Cowboys“ von 2018 vor. Im Mittelpunkt steht diesmal sein eigenes Songwriting.

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Dom Flemons - Traveling Wildfire Dom Flemons - Traveling Wildfire. Bildrechte: Smithsonian Folkways

Dom Flemons, „American Songster“ und Gründungsmitglied der legendären Carolina Chocolate Drops, hat nach langer Pandemie-bedingten Pause ein neues Album veröffentlicht. Traveling Wildfire ist der Nachfolger des bahnbrechenden, hochgelobten Longplayers „Black Cowboys“. 2018 erschienen, hat Flemons damals Grundlagen für die Rückbesinnung auf die afroamerikanischen Beiträge zur Cowboykultur und zur Besiedlung des Westens gelegt.

Eigenes Songwriting im Mittelpunkt

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„Als ich anfing, an meinem neuen Album ‚Travelling Wildfire‘ zu arbeiten, wollte ich eine andere Seite meiner Musikkarriere einnehmen und mich auf mein eigenes Songwriting konzentrieren. Seit ich 2005 angefangen habe, professionell aufzutreten, habe ich mich hauptsächlich darauf konzentriert, die weniger bekannten Songs zu präsentieren und Geschichten von Traditionsträgern, die das Fundament der amerikanischen Rootsmusik bilden. Ich habe dies getan, während ich eine Reihe von Musikstilen und Vintage-Instrumenten gespielt habe, die in der Tradition verwurzelt sind. Dieses Mal wollte ich den Modus ändern und meine Original-Songs in den Fokus rücken, indem ich Geschichten hervorhebe, die ich mit meinem eigenen Stift geschrieben habe“, schreibt Dom in seinen ausführlichen, sehr lesenswerten Liner Notes zum Album.

Der Musikhistoriker und Sänger hat die vergangenen drei Jahre dazu genutzt, nach jahrelanger ausufernder und erschöpfender Rastlosigkeit in Sachen Musik zur Ruhe zu kommen und sich mental und physisch zu erholen. Eine neue Lebensphase läutete er gleichsam mit dem Umzug in ein neues Heim ein. Er zog mit seiner Frau Vania und der gemeinsamen Tochter Cheyanne Love nach Chicago.

Ein neues Kapitel

Zudem beschäftigte er sich mit den politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in den USA und ihren Einfluss auf die amerikanische Identität und verband dies mit seinen persönlichen Erfahrungen in einer Art einem „audio-impressionistischen Malerei , die auf meine persönlichen Epiphanien, spirituellen Entwicklungen und Erfahrungen aus dem wirklichen Leben während der prekären Zeit“, so Flemons.

In gewisser Weise gereinigt, vor allem aber gestärkt und ausgeruht, schlug Flemons also ein neues Kapitel seiner Karriere auf. Er hörte viel Musik, ließ sich von seiner eigenen Musiksammlung inspirieren und erarbeitete eine neues Album. Nochmal Dom: „Diese 15 Songs werden dem Zuhörer auch einen Einblick in die persönliche Seite meines Musikrepertoires geben, die sich mit meiner Liebe zu Country, Western, Blues, Americana und Volksmusik trifft. Ich habe diese Songs sorgfältig ausgewählt, weil sie individuell die Themen wahre Liebe, Familienerbe, Überleben, Zeitreisen und die Gegenüberstellung von Hell und Dunkel symbolisieren und gleichzeitig Raum für weitere Interpretationen zulassen.“

Es ist ein musikalisch abwechslungsreiches Album geworden. „Traveling Wildfire“ beginnt mit einem Country-Dreierpack. Dom ist ein großer Fan der Countrymusik und ihren großen Songwritern wie Charley Pride, Johnny Cash, Willie Nelson, Ernest Tubb, Jimmy C. Newman und Hank Williams. Thema der drei im Walzertakt gehalten Songs ist die dunkle Seite der Liebe.

Verarbeitung von Krisen

„Traveling Wildfire“ entstand rund um seinen 39. Geburtstag am 30. August 2021. Während er und seine Familie in einem Hotelzimmer in Nashville Schutz vor dem Hurrican Ida suchten, sah er gleichzeitig in den Nachrichten die Meldungen über eine große Flut in New Orleans und massive Waldbrände in Kalifornien. Dies inspirierte ihn zu diesem faszinierenden, eindringlichen, dunkel-flirrenden Neo-Gothic-Folk-Song. Ein düsteres Stück voller Nachdenklichkeit und Furcht vor den Folgen der Pandemie und Naturkatastrophen sowie dem unsicheren Leben „on the road“. Auch mit “It’s Cold Inside” bleibt die Stimmung düster. Geschrieben hat Dom den Song bereits 2014 in einer künstlerischen und persönlichen Krise. Und der Song greift auch körperliche Krisen auf, die ihn nach einer Verletzung auf der Bühne im Jahr 2010 bis heute verfolgen.

Neben der wunderschönen Musik, die uns Dom mit diesem Album schenkt, ist die Offenheit und Ehrlichkeit mit in der er über verschiedene persönliche Krisen das herausragende an diesem Longplayer. Auch der in der Öffentlichkeit immer fröhlich wirkende Flemons hat verletzliche Seiten – gut, dass sie er uns zeigt. So ist „Traveling Wildfire“ sein bisher persönlichstes. Aus dem Musikhistoriker und Präsentator der Lieder anderer wird hier vor dem Publikum ein Singer-Songwriter. Faszinierend.

Erinnerungen an die afroamerikanischen Aufbauleistungen

Trotz des Schwerpunkts auf eigenem Songmaterial ist aber auch auf dieser Platte noch der eine oder andere traditionelle Folksong eingestreut. So wie “We Are Almost Down to the Shore”, ein alter, afroamerikanischer Gospelsong. Flemons singt ihn in der vom Original stark abweichenden Textversion von Jimmy Strother, einem afroamerikanischen, blinden Musiker, der in Medicine Shows und Vergnügungsvierteln auftrat. 1935 erschoss er seine Frau, nachdem sie ihn, wie er aussagte, jahrelang gewalttätig gequält hatte. Im Staatsgefängnis von Virginia nahm der legendäre Folklorist Alan Lomax Strothers Version auf. Flemons spielt den Song hier als Country-Gospel. Mit dem Song über Hoffnung und Überleben hat Flemons auch auf diesem Album seine Katharsis beendet und die Stimmung des Albums lichtet sich zusehends.

Auf dem Nachfolger von „Black Cowboys“ knüpft Dom dann auch nochmal mit zwei Stücken an dessen Thematik an. “Nobody Wrote It Down” hat er zusammen mit Carl Gustafson geschrieben. Es erzählt noch einmal eindringlich die verdrängte Geschichte der afroamerikanischen Menschen, die entscheidende Beiträge zum Aufbau Amerikas geleistet haben. Von den „Buffalo Soldiers“ bis zu den Eisenbahnschaffnern. Das zweite Stück ist der Cowboy-Song „Saddle It Around“. “Big Money Blues,” “Old Desert Road,” and “Rabbit Foot Rag” sind dann allesamt Blues-Songs, die sich am Piedmont Blues und dem Delta Blues von Künstlern wie Mississippi John Hurt orientieren.

Reminiszenz an Bob Dylan

Gegen Ende des Albums zollt er zwei zeitgenössischen Songwritern. Eric Andersens Song “Song to JCB” ist wiederum eine Reminiszenz an JC Burris, einem Multiinstrumentalisten und Neffen des bekannten Sonny Terry. Und mit dem Dylan-Song „Guess I‘m Doing Fine“ erfüllt sich Dom dann einen großen Wunsch. Bob Dylan war es, der ihn überhaupt zum selber Musik machen gebracht hat. 1999 hat er ihn erstmals im Konzert gesehen, 2012 traf er ihn dann persönlich, als er mit den Carolina Chocolate Drops in Dylans Vorprogram auftrat. Nun in Vorbereitung zu diesem Album ließ er seinen Manager bei Dylans Team anklopfen, dass er einen Song von Bob spielen wolle. Zu seiner Überraschung schlugen sie „Guess I‘m Doing Fine“ vor. Dom kannte den 1964 geschriebenen und erst im Rahmen der Bootleg Series im Jahr 2010 offiziell erschienen Song von einer „echten“ Bootleg-Scheibe, die er 1999 erstanden hatte. Seine Version arbeitet musikalisch mit Hilfe von Sam Bushs Fiddle-Spiel die Bluegrass-Seite des Songs heraus. Inhaltlich passt der Song gut zu Flemons künstlerischen und persönlichen Situation.

„Mit … ‚Guess I’m Doing Fine‘ präsentiere ich meine Version eines unveröffentlichten Bob Dylan-Songs, den er 1964 aufgenommen hat. Auf meiner eigenen persönlichen Reise habe ich festgestellt, dass dieser Text bei mir Anklang fand, weil der Song über Situationen spricht, die ich selbst erlebt habe, und es ist eine Erinnerung an die Kraft, die entsteht, wenn man einen neuen Weg geht“, sagte Flemons dazu in einem Statement in den sozialen Medien.

Der Abschluss des Albums beendet schließlich eine fröhliche Melodie. Das Instrumentalstück „Songster Revival“ ist Doms klare Ansage „Ich bin wieder da“ und gleichzeitig ein Gruß an viele Freunde, die er in den letzten drei Jahren aufgrund der Pandemie nicht hatte treffen können.

Fazit: Dom Flemons persönlichstes Album ist auch sein bislang bestes. Nicht in erster Linie, weil er sein Innerstes nach außen kehrt, sondern wie er es tut. Reflektiert, poetisch, ernsthaft und doch voller Hoffnung. Die großartigen Liner Notes öffnen den Raum hinter den Songs und der Sänger bleibt dabei, die unerzählte afroamerikanische Geschichte zu verbreiten. Ein wertvolles Stück Americana!

Dom Flemons – Traveling Wildfire: Das 2023er Album

Dom Flemons - Traveling Wildfire

Titel: Traveling Wildfire
Künstler: Dom Flemons
Veröffentlichungstermin: 24. März 2023 (Digital)
Veröffentlichungstermin: 12. Mai 2023 (CD)
Label: Smithsonian Folkways (Galileo)
Formate: CD, Vinyl & Digital
Tracks: 15
Genre: Americana

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Trackliste: (Traveling Wildfire)

01. Slow Dance with You
02. Dark Beauty
03. If You Truly Love Me
04. Traveling Wildfire
05. It’s Cold Inside
06. We Are Almost Down To The Shore
07. Nobody Wrote It Down
08. Saddle It Around
09. Big Money Blues
10. Old Desert Road
11. Rabbit Foot Rag
12. Tough Luck
13. Song To JCB
14. Guess I’m Doing Fine
15. Songster Revival

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Über Thomas Waldherr (801 Artikel)
Redakteur. Fachgebiet: Bob Dylan, Country & Folk, Americana. Rezensionen, Specials.
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