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Will The Circle Be Unbroken

Ein versöhnliches Zeichen: Das bejubelte Grammy-Duett von Tracy Chapman und Luke Combs gibt Hoffnung. Nicht mehr, aber auch nicht weniger – meint Country.de-Redakteur Thomas Waldherr.

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Luke Combs & Tracy Chapman Luke Combs & Tracy Chapman. Bildrechte: Sony Music, Elektra

Wie tief Amerika mittlerweile gesellschaftlich gespaltet ist, zeigt die Bewertung des Grammy-Duetts von Tracy Chapman und Luke Combs. Die schwarze, queere, eher links verortete Folk-Legende und der junge aufstrebende Country-Star spielen zusammen Tracys großen Hit „Fast Car“. Der junge Combs schaut so dankbar und glücklich zu der Songwriterin, deren Hit er jüngst höchst erfolgreich gecovert hat, dass es einem warm ums Herz wird. Ein Duett großer Menschlichkeit. Der junge weiße Countrymusiker bewundert die ältere Folksängerin offensichtlich. Ein schöner Moment. So schön, dass schon einige Medien in den USA diese Bühnenzusammenarbeit als Beweis dafür sahen, dass es doch noch einen möglichen Zusammenhalt in der amerikanischen Gesellschaft gibt.

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Als Musikfreund und Amerikainteressierter habe ich lange überlegt, ob ich überhaupt etwas dazu schreiben soll. Nun mit etwas Abstand will ich es tun. Versuchen, eine historische Einordnung vorzunehmen und die durchaus vorhandene frohe Botschaft dabei herauszuarbeiten.

Wie Cash und Charles, wie Giddens und Church

Das Duett erinnert an andere historisch zu nennende musikalische Begegnungen. Wir erinnern uns an Johnny Cashs TV-Auftritte mit Ray Charles, Louis Armstrong und Pete Seeger in seiner Show Ende der 1960er Anfang der 1970er Jahre. Da war das Land auch politisch gespalten, aber Cash war ein Brückenbauer, ein Mittler und Wanderer zwischen den Musik- und Lebenswelten. In der jüngeren Vergangenheit standen dann bei ähnlichen Preisverleihungen auch schon mal Rhiannon Giddens mit Erich Church oder die Dixie Chicks mit Beyoncè. Geheilt haben diese Auftritte leider gar nichts.

Vor kurzem habe ich die spannende Dokumentation über die Entstehung des All Star-Songs „We Are The World“ gesehen. Neben den großartigen Einstellungen mit einem etwas mufflig-indisponierten Bob Dylan, der Stevie Wonders Hilfe brauchte, um so zu singen, wie man sich Bob Dylans Gesang vorstellt, kam vor allem auch eines bei mir an: Wie bunt die Truppe über Rassen- und Genregrenzen hinweg doch war. Stevie Wonder, Michael Jackson, Lionel Ritchie und Tina Turner trafen sich mit Willie Nelson, Kenny Rogers, Huey Lewis und Bruce Springsteen. Die Initiative zum Song ging von Ritchie, Jackson und dessen Produzent Quincy Jones aus. Doch alle machten mit, die gesamte US-Musikszene war völlig ohne Lagerdenken angetreten. Wäre so etwas heute nicht notwendiger denn je?

Wo ist der große Aufbruch gegen das Lagerdenken?

Beim Duett Chapman/Combs fiel mir auch gleich die Analogie zu US-Musikhistorie auf. Wenn der junge weiße Countrysänger zur älteren schwarzen Sängerin aufschaut, sie wie eine gütige Lehrmeisterin bewundert, dann schwingt mit, dass gerade die Countrymusik und ihre ersten Superstars wie Jimmie Rodgers, die Carter Family, Hank Williams oder Bill Monroe ohne ihre afroamerikanischen Lehrmeister und Helfer nicht diese Künstlerpersönlichkeiten geworden wären, wie wir sie heute kennen. Leslie Riddle hat für A.P. Carter die Songs gesammelt und Maybelle das Fingerpicking beigebracht. Jimmie Rogers hat den Blues bei seinen schwarzen Bahnarbeiterkollegen gehört und Hank hat ihn von Rufus Payne gelernt. Die weißen Jungs konnten Karriere machen, die schwarzen nicht. Schließlich reden wir vom Jim Crow-Land der Rassentrennung zwischen den 1920er und 1940er Jahren. Da waren die Musiker ganz Kinder ihrer Zeit. So sehr sie im privaten und musikalischen Bereich auch die gegenseitige Nähe suchten. In der Öffentlichkeit hielten sie sich an die Gesetze und die strikte Rassentrennung. Denn der amerikanische Süden hatte seine repressiven und militanten Mittel, um die Angst vor dem Unterlaufen der Rassengesetze zu schüren.

Musik verbindet

Das hat sich mittlerweile geändert, doch die politische Rechte in den USA ist bemüht, auch hier das Rad zurückzudrehen. Man denke nur an die obskure Auslegung der Sklaverei durch den republikanischen Gouverneur von Florida, Ron De Santis. Umso wichtiger sind solche Zeichen wie die von Luke Combs. In seiner Jugend hat er den Titel „Fast Car“ x-mal auf Autofahrten mit seinem Vater gehört. Und der weiße Junge bringt mit dem Song der schwarzen Folksängerin große Hallen zum Kochen. Ganz selbstverständlich gehört der Song mittlerweile zum amerikanischen Pop-Kanon. Combs und seinem Publikum ist die Hautfarbe der Songwriterin ziemlich egal. Das tut gut.

Chapman und Combs: Will The Circle Be Unbroken

Und von seinem Erfolg haben beide was. Er hat mit seiner Version Erfolg, Tracy nochmals mit ihrer. Das Duett zeigt beeindruckend, wie Musik verbindet. Zeigt, wie nahe sich Country, Folk, Blues und Pop sind. Zeigt aber auch nochmal, dass Genregrenzen einst künstlich von der Musikindustrie aufgebaut wurden. Und dass es immer wieder gut für die Musik und für die Gesellschaft war, wenn Grenzen überwunden wurden. Dass die weißen Folkies Anfang der 1960er den Blues und den Bluegrass wieder entdeckt haben und dass ein Ray Charles Countrymusik veröffentlicht hat. Oder dass die Nitty Gritty Dirt Band damals Anfang der 1970er mit den Country-Altvorderen „Will The Circle Be Unbroken“ veröffentlicht haben.

Musik kann die Welt nicht direkt verändern, aber sie kann schon die Menschen beeinflussen, dies zu tun. In diesem Sinne: Wenn Chapman und Combs zusammen öffentlich musizieren, ist das ein klares Zeichen: Der Kreis bleibt ungebrochen. Über alle Grenzen hinweg. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

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Über Thomas Waldherr (824 Artikel)
Redakteur. Fachgebiet: Bob Dylan, Country & Folk, Americana. Rezensionen, Specials.
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