John Carter Cash: Bitter Harvest
Lange; sehr lange habe ich auf dieses Album gewartet. Denn den einzigen Sohn der leider innerhalb weniger Wochen in diesem Jahr verstorbenen Legenden June Carter Cash und Johnny Cash kenne ich seit vielen Jahren. Seinen Werdegang konnte ich – mal aus der Entfernung, mal aus der Nähe – gut verfolgen. Lange Zeit habe ich – das gebe ich zu – geglaubt, aus John Carter Cash könne kein eigenständiger Künstler werden. Zu sehr schien er durch seine Eltern vorbelastet und unter Erfolgsdruck zu stehen.
Doch der Schein hat getrogen, Cash Junior hat es – auch mit Unterstützung der Eltern – geschickt verstanden, sich nicht in eine bestimmte Ecke manövrieren zu lassen. Früh genug wurden stets Fallstricke und trügerische Sackgassen erkannt. John Carter Cash hatte es nicht eilig, Erfolg zu erzwingen. Im Rampenlicht und damit im Interesse der Öffentlichkeit stand er ohnehin. Es wäre sicher ein Leichtes für ihn gewesen, scheinbar in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und Platten zu machen, hinter denen aber möglicherweise niemand gestanden hätte. Dieser Versuchung ist JCC nicht erlegen. Ihm war es wichtiger, sein Privatleben auch weitgehend als solches führen zu können und ohne jeglichen Zeitdruck nach Mitteln und Wegen zu suchen, sich selbst als Künstler zu verwirklichen.
Dazu war es nötig, eine ganz andere musikalische Richtung zu beschreiten als die Legende Johnny Cash. Es war ganz sicher nicht einfach, diesen Weg zu finden – aber John Carter Cash hat es geschafft. Wie nicht erst dieses Album beweist. Mich hat beeindruckt, wie der bescheidene, junge Mann nie seine Herkunft für Schrittmacherdienste eingesetzt hat. Im Gegenteil, John Carter Cash ging es einzig darum, durch Können und damit durch Leistung weiter zu kommen und als eigenständiger Künstler akzeptiert zu werden. Dazu nahm er ganz bewusst Umwege in Kauf und sammelte Erfahrung in allen möglichen anderen Bereichen des Country Music Business. Sollte ihm als Sänger nicht der Durchbruch gelingen, dann gibt es ja noch andere Betätigungen, die nicht so im Interesse der Öffentlichkeit stehen. Er schreibt seit geraumer Zeit beachtliche Songs, auch als Produzent hat Cash Jr. bereits einige bemerkenswerte Alben vorzuweisen. Erfahrung mit und vor Publikum sammelte der ruhige junge Mann bewusst auch im Ausland. Gerne erinnere ich mich an die Gastrolle des Johnny Carter Cash bei einer Tom Astor Tournee vor etlichen Jahren. Da bereits deutete Cash den Weg an, den zu gehen er beabsichtigte und kam beim deutschen Publikum damit gut an. An seiner Seite damals übrigens sein enger Freund Ira Dean, der mit der Gruppe Trick Pony unterdessen den grossen Wurf geschafft hat. Das Album „Bitter Harvest“ zeigt mir, Cash ist in den Jahren seither konsequent seinen Weg weiter gegangen und hat eine erstaunliche künstlerische Entwicklung genommen. Ganz deutlich ist er sowohl als Künstler wie auch als Mensch gereift.
Vorab muss eines auch deutlich angesprochen werden: „Bitter Harvest“ entstand vor dem Tod seines Vaters und ist, wenn überhaupt, der wenig zuvor verstorbenen Mutter in Teilen gewidmet. Auch die Veröffentlichung des Albums wie die bevorstehende Tournee waren längst vorher geplant und vorbereitet – sie haben allerdings durch die tragischen Ereignisse um Johnny Cash ungewollt an Interesse gewonnen. „Bitter Harvest“ ist für Country Ohren sicher gewöhnungsbedürftig. John Carter Cash hat zwar nicht eine solch prägnante Stimme wie sein Vater aber er weiss genau, wie und mit welchen Liedern er sie einsetzen kann. Gerade eine gewisse Unauffälligkeit in der Stimme verleiht dem Gesang besonderen Charme.
Es ist schwer, die Musik des John Carter Cash einem Genre zuzuordnen aber muss man Musik immer in eine Schublade zwängen? Sie ist das Ergebnis der Einflüsse aus Kinder- und Jugendtagen und die waren so unterschiedlich wie AC/DC, ZZ Top, Lynyrd Skynyrd aber auch Carter Family, Willie & Waylon und natürlich die eigenen Eltern sowie manches, was dazwischen liegt. Nicht zu vergessen die eigenen musikalischen Ideen. JCC präsentiert so ein vielseitiges Album mit unüberhörbaren Rock Elementen und auch eindeutig traditionellen. Bis auf zwei A.P. Carter Songs stammen alle anderen von JCC selbst. Darin hat er viel Selbsterlebtes verarbeitet, er klingt ungemein lebensnah, glaubwürdig und damit überzeugend. Erschreckend das gemeinsame Studio-Foto, denn da wird offenkundig, wie schlecht es Johnny Cash gesundheitlich schon gegangen sein muss, er ist kaum wieder zu erkennen.
Fazit: Für mich ein ebenso anrührendes wie unterhaltsames Album, das allein dadurch an Gehalt gewinnt, dass es nicht mit anderen vergleichbar ist.
Trackliste:
01. Mongolian King |