Ronnie Dunn wandelt auf Solopfaden
Es ist soweit, das erste Soloalbum – schlicht und einfach Ronnie Dunn genannt, steht in den Startlöchern. So vertraut seine charismatische Stimme geworden ist, hat er sich erst jetzt die Zeit genommen, es endlich einmal als Solosänger zu versuchen. Lange hat es gedauert, denn als Teil der erfolgreichen Countryformation Brooks & Dunn stand eine Solokarriere in den vergangenen Jahren nie zur Disposition.
In vielerlei Hinsicht ist der neue Silberling „Ronnie Dunn“ sprichwörtlich gesehen, das Album seines Lebens. „Ja, man kann wirklich sagen, dass ich mein ganzes Leben darauf gewartet habe dieses Album zu machen“, sagt Ronnie Dunn während er sich lächelnd zurücklehnt in seiner ausgebauten Scheune, draußen vor seinem Haus, in der er zahllose Stunden in den letzten Jahren mit der Arbeit an diesem Album zugebracht hat: „Wie ein Song auf meinem Album sagt, We All Bleed Red, und offen gesagt, steckt eine Menge meines Blutes überall in diesen besonderen Stücken.“
Als Ergebnis seiner harten Arbeit spiegelt „Ronnie Dunn“ vielleicht die intensivste Selbstanalyse wieder, die er als Künstler – und auch als Mann – je gemacht hat. „Mehr als je zuvor fühlte ich, dass ich die Chance hatte meine eigene Geschichte durch Songs sprechen zu lassen, die mir sehr viel bedeuteten. Einige von diesen schrieb ich selbst, andere habe ich mit verfasst und wieder andere habe ich versucht in meine eigenen zu verwandeln“, sagt Dunn. „Ich habe so lange darauf gewartet ein eigenes Album aufzunehmen und genau das sagen zu können, was ich sagen wollte. Ich denke, dass ich besessen davon war, jedem Song eine echte Bedeutung zu geben.“
Natürlich hatte Ronnie Dunn einen guten Grund bis jetzt mit der Aufnahme seines Soloalbums zu warten. Über zwanzig Jahre war Dunn außerordentlich stolz und dankbar ein wichtiger Teil des erfolgreichsten Duos (Brooks & Dunn) der Geschichte der Country Music – und einer der berühmtesten Künstler der neueren US-Musikgeschichte, zu sein. „Als ich begann mit Kix zusammenzuarbeiten, kam der Erfolg fast über Nacht. Dies war für uns beide eine echte Überraschung und wir zogen halt drauf los. Es war, als wenn wir diese beiden Typen geschaffen hätten und wir fuhren zusammen auf diesem Zug und machten immer weiter. Brooks & Dunn’s Reise hatte schließlich mehr als 30 Millionen verkaufte Alben, zahllose gefüllte Stadien und Arenen, sowie viele CMA Awards, ACM Awards, Grammys, CMT Awards, People’s Choice Awards, Billboard Music Awards und American Music Awards zur Folge. „Kix und ich fühlten uns auf viele Arten sehr geehrt“, sagt Dunn. „Wir erreichten nicht nur einfach alles wovon wir je geträumt hatten, nein, wir erreichten mehr als wir jemals erwartet hätten. Ich kann mich wirklich nicht beschweren und bereue nichts.“
Als Brooks & Dunn sich dann entschieden ihre Stiefel an den Nagel zu hängen, waren sie noch immer sehr erfolgreich. Im letzten Jahr, am 2. September 2010, spielten sie ihr letztes Konzert in der Bridgestone Arena in Nashville, Tennessee. Nun hat Dunn endlich die Zeit, all seine Fähigkeiten als eine der größten Stimmen und Geschichtenerzähler zum Erzählen seiner eigenen Geschichte zu nutzen – und das auf eine Art und Weise wie er es noch nie zuvor getan hat. So erklärt er: „Als ich mit dem Album begann, war vom ersten Song an jedes Stück, das ich schrieb, mitschrieb oder auswählte, irgendwie autobiografisch. Ich begann mit „Singer In A Cowboy Band“, was definitiv ein großer Teil meiner Geschichte ist, und von da an machten wir weiter und immer weiter.“
Dunn, der dafür bekannt ist von Natur aus ein Perfektionist zu sein, gibt zu, dass er sich für das Album in eine große kreative Arbeit stürzte, als er mit der Aufnahme seines eigenen Soloalbums begann. „Dieses Mal drehte und wendete ich es, und feilte an allen Ecken und Enden“, sagt Dunn kopfschüttelnd. „Ich schrieb und war beteiligt an der Aufnahme von 34 Songs für das neue Album. Ich war allgegenwärtig, wörtlich und bildlich. Man kann sagen, dass ich überall ständig am schneiden war. Ich war wie besessen, und vielleicht auch etwas verloren. Aber ich machte weiter, weil es für mich sehr wichtig geworden war, das Album so gut wie möglich zu machen. Ich wollte, dass es etwas Besonders wird, für alle meine Fans, die mir diese Möglichkeit gaben – und auch für mich selbst.“
Am Ende war es jedoch Janine Dunn – Dunns Ehefrau seit nunmehr 20 Jahren, die ihm schließlich half herauszufinden, was das Geheimnis für dieses Soloalbum ist. „Ich kam nach dem Schreiben nach Hause, und zum ersten Mal kam meine Frau Janine zu mir und sagte: Du musst jetzt mit dem Schreiben aufhören. Hör auf mit diesem Wahnsinn, sagte sie. Wenn du irgendetwas machen willst, dann geh raus vor die Tür, starr in die Ferne oder wo immer du auch hinstarren willst und finde dich selbst. Sie sagte mir, du rennst nun schon seit so vielen Jahren – und seit einigen Jahren versuchst du mit aller Kraft an diesen Punkt zu kommen. Du musst eine Pause machen und dir Zeit nehmen um herauszufinden, wie weit du im Herzen bereit bist. Wie üblich hatte Janine recht. So habe ich gekämpft um dieses Album zu machen, und ich denke, das habe ich am Ende auch größtenteils begriffen.“
Rückblende, wie alles begann: „Ich begann mit meinem Vater Musik zu hören. Er spielte Gitarre und war Sänger einer Band“ erinnert sich Dunn. „Das war sein Anspruch – zu tun, was ich jetzt mache. Mein Vater liebte Merle Haggard, George Jones, Tammy Wynette, Loretta Lynn, richtige, traditionelle Country Music. Wenn ich ein Teenager wäre, würde ich auch abhauen und Rock hören. Ich erinnere mich noch wie ich zu Weihnachten in New Mexiko einen kleinen Plattenspieler bekam, der 45er spielte. Ich denke, ich war so sechs oder sieben Jahre alt, und ich hörte mir immer wieder „Peace In A Valley“ von Elvis an und dachte, Mensch, das ist anders. Ich meine, das war Rock im Vergleich mit dem, was ich sonst so zu hören bekam. Später dann, hörte ich alles mögliche – und das tue ich gegenwärtig immer noch.“ Diese Einführung in die Musik spiegelt sich immer noch klar und deutlich in der Musik wieder, die Ronnie Dunn sein Leben lang gemacht hat. Und jetzt geht es letztendlich nur noch ums neue Werk – seinem Album „Ronnie Dunn“, das eine starke Kombination aus traditioneller Country Music, Country Rock und Gospel ist.
Werfen wir einen Blick in die Anfänge des Ronnie Dunn, der in Coleman (Texas) geboren wurde und in seinen ersten 12 Schuljahren auf 13 verschiedenen Schulen die Schulbank drückte. Irgendwie war sein Weg schon vorgezeichnet als er Psychologie an der Abilene Christian University studierte und gleichzeitig nachts in Bars spielte. Er musste sich zwischen seinem Studium und seiner Musik entscheiden. „Die Wahl zwischen einem Leben in der Kirche und dem Spielen in Bars rührte aus dem Verhältnis zwischen meiner Mutter und meinem Vater her“ sagt Dunn. „Meine Mutter wuchs als die älteste von sieben Kindern auf, war sehr bodenständig, kam aus einer Farmerfamilie in Louisiana und ging in eine Baptisten-Kirche. Mein Vater wuchs in vielen Waisenhäusern auf, kam viel herum und sein Leben war das genaue Gegenteil. Gegensätze ziehen sich natürlich an. Schließlich wählte Dunn, wie vielleicht vorauszusehen war, die Musik und zog letzten Endes nach Tulsa, Oklahoma, um seinen eigenen Weg zu gehen.
„Tulsa ist eine große Stadt der Musik – und es war eine verrückte Stadt“ sagt Dunn mit einem warmen Lächeln. „Ich spürte den Drang nach Tulsa zu ziehen, um dort in das Musikgeschäft einzusteigen, bevor es mich später drängte nach Nashville zu gehen. Ich wollte Eric Claptons Band sehen, die von dort war. Auch die Leute, die mit Joe Cocker spielten, kamen daher. Da waren J.J. Cale und seine Cats, und die Jungs von The Gap Band. Schließlich war noch Leon Russell dort zu finden, der so eine Art King Daddy war mit seiner Shelter-Records-Szene. So war Tulsa eine verrückte Mischung aus Musikstilen zu jener Zeit, und alles war dort – und es war viel los. Live-Musik war wirklich wichtig und die Clubszene dort war groß. So war dieser Ort für jemanden wie mich der perfekte Ort um dazuzulernen.“
Dunns großer Durchbruch – und letztlich sein Umzug nach Nashville – sind Jamie Oldaker zu verdanken, einem hervorragenden Schlagzeuger aus Tulsa, der schon mit Bob Seger, Leon Russell und kürzlich mit Eric Clapton gespielt hatte. „Ich hatte eine Band in einem Country-Club dort, und Jamie kam hin und wieder hin und setzte sich zu uns“, erinnert sich Dunn. „Eines Nachts rief Jamie an und sagte, dass sie kurz tanken war, nachdem die Clubs geschlossen hatten. Sie hatte dort einen Aushang an der Kasse gesehen über einen Talentwettbewerb und mich eingeschrieben. Ich dachte, Mensch das ist so uncool, aber schließlich war es doch wesentlich cooler als ich mir vorgestellt hatte.“
Am Ende wurde Dunn angenommen und gewann schließlich den Marlboro Country Music Contest. Das Demotape, das Dunn für den Wettbewerb einsenden sollte beinhaltete Hits wie „Boot Scootin‘ Boogie“ und „Neon Moon.“ Das Finale des Wettbewerbs brachte Dunn nach Nashville, wo er dann gewann. Dunn wurde die Möglichkeit gegeben eine Single mit dem Produzenten Scott Hendricks aufzunehmen. Beeindruckt von dem, was er von Dunn gehört hatte, schlug Hendricks vor, dass der berühmte Musikmanager, Songwriter und Produzent Tim DuBois den Songwriter auswählen sollte. DuBois schlug dann vor, dass Dunn einen anderen Songwriter der Stadt namens Kix Brooks treffen sollte. Der Rest würde bald Geschichte sein.
„Ronnie Dunn“ ist ein Album, das eindringlich die Reise eines Mannes bis an diesen Punkt wiederspiegelt. Während er an dem Album arbeitete, dachte Dunn viel über das große Glück nach, das ihn bis hierhin gebracht hatte. Es handelt sich um grandioses Songmaterial, das einen Großteil des Weges abdeckt, den Ronnie Dunn als reisender Countrysänger bis zur Gegenwart zurückgelegt hat. Alles potentielle Hits wie „Singer In A Cowboy Band“ und „Let The Cowboy Rock“ und dem mariachimäßigen „How Far To Waco“. Aber auch mit intimeren und romantischeren Balladen wie „Last Love I’m Tryin'“ und „I Don’t Dance“, über die Liebe zum Leben, die Dunn durch all die Höhen und Tiefen seines „Lebens“ brachte. Sogar die Songs, die Dunn entschied zu covern, machte er zu seinen eigenen, wie z.B. die unglaubliche erste Single „Bleed Red“ von Tommy Lee James und Andrew Dorff. Dieser Song ist ein großes Statement zum Thema Mitmenschlichkeit.
„Es ist wirklich unglaublich, wenn ich an all das Vergangene denke“, sagt Dunn kopfschüttelnd. „Stell dir vor, meine ersten Vermieter in Nashville waren Johnny Cash und June Carter. June kannte meine Frau Janine schon ewig, und sie boten uns ihre Häuschen an, als wir anfangs in die Stadt kamen. Ich erinnere mich als ich John vorgestellt wurde. Er hat June gerade einen Rolls Royce geschenkt. Ein riesiges blaues Gerät. Sie fuhr mit Janine shoppen und sagte: Ihr Jungs bleibt hier. Sie ließen mich bei Johnny Cash zu Hause. Da saß dann mein Held in einem schwarzen Lehnstuhl in einem schwarzen Anzug vorm Fernseher, und ich glaube er hat in der ganzen Zeit, die die beiden weg waren, keine zwei Worte zu mir gesagt. Janine kam zurück und sah aus als hätte sie einen Geist gesehen. Später erzählte Janine mir, dass June ihr gerade mal alle Horrorgeschichten darüber erzählt hat, wie es ist mit jemandem aus dem Musikgeschäft zusammen zu sein. June warnte Janine vor allen dunklen Seiten und Dingen, die höchstwahrscheinlich passieren werden. Ich werde nie vergessen wie Janine mich ansah und sagte: Vielleicht sollten wir einfach nach Hause fahren.“
Ronnie Dunn fuhr nicht nach Haus – stattdessen blieb er an Ort und Stelle und begann das sehr öffentliche Leben des Musikgeschäfts, das nun auf eine ganz neue und aufregende Art und Weise mit dem Album, das seinen Namen mit ihm gemein hat, weitergeht. „Nach all diesen Jahren denke ich zurück und merke, dass June gut daran tat meine Frau zu warnen“ sagt Dunn. „Was hatten wir damals letzten Endes schon für Möglichkeiten? Und hier sind wir immer noch. Wir sind immer noch verheiratet, haben wundervolle Kinder und ich mache immer noch Musik, die ich wirklich liebe. Und Johnny Cash war der Erste, der mich anrief und mir sagte, dass er stolz auf mich sei, als ich es geschafft hatte. Wie unglaublich ist das? So kann man insgesamt sagen, dass ich sehr froh bin, dass wir nicht umgedreht haben und am nächsten Tag nach Hause gefahren sind. Ich hatte damals noch viele Lieder zu singen – und auch heute noch.“
Trackliste:
01. Singer In A Cowboy Band |