Das große Songbook – Kris Kristofferson in Wuppertal
Große Namen der Country Music in Nordrhein Westfalen auf der Bühne zu sehen ist leider eine Seltenheit geworden. Ab und zu passiert es doch. Musste man den Großraum Köln noch deutlich verlassen, um bzw. Emmylou Harris & Rodney Crowell zu sehen, hat die Konzertagentur „Moderne Welt“ diesmal einen großen Namen auf eine Bühne fast vor der Haustür gestellt.
Wenn man Hamburg, Berlin und München liest, mutet es zumindest außergewöhnlich an, dass sich Wuppertal nicht nur damit rühmen kann, als vierter Spielort Teil der Tour von Kris Kristofferson zu sein, sondern auch noch den Fans an Rhein und Ruhr (und eben auch an der Wupper) diesen genialen Songwriter auch noch als Erste präsentieren zu dürfen.
Die Historische Stadthalle war der Ort des Geschehens, und sie bot mit ihren reichen Verzierungen und ihrer stilvollen Atmosphäre ein passendes Ebenbild zu den großartigen Songs dieses Meisters der Worte. Doch bevor die Legende selbst die Bühne betrat, hatte die Düsseldorfer Rock & Roll Band „Rocket To Stardom“ die Ehre, den Abend zu eröffnen. Sie spielten nicht nur mit Genehmigung, sondern auf ausdrücklichen Wunsch des Hauptacts ausschließlich Songs aus dessen Feder, sind sie doch nach eigener Aussage die einzige Kris Kristofferson Rock & Roll Tribute Band der Welt.
Nach einer kurzen Pause erschien er dann, der Songwriter, Sänger und Schauspieler, dessen kreativer Arbeit man sich zwar bewusst ist, der aber mich dann doch immer wieder mit seiner Setliste überrascht. Wie das gehen soll? Nun, ganz einfach. Kris Kristofferson betritt die Bühne, mit seiner Gitarre und ein paar Mundharmonikas, begrüßt sein Publikum, und beginnt mit dem ersten Song. In Wuppertal war das „Shipwrecked In The Eighties“. Es geht aber bei diesem Eindruck nicht um die Reihenfolge, in der er seine Songs spielt. Stattdessen muß man sich vorstellen, was man über einen Musikact sagen würde, dessen Setliste sich aus diesen ganzen Klassikern zusammensetzt.
Von „Me And Bobby McGee“ über „Here Comes That Rainbow Again“, „Help Me Make It Through The Night“, „The Good Times“, „Loving Her Was Easier“, „The Pilgrim – Chapter 33“, natürlich „Sunday Morning Coming Down“ bis hin zu „Why Me Lord“ reicht die Fülle an bekannten Songs und großen Hits. Und dann wird einem schlagartig bewusst: All diese Songs entstammen seiner Feder! Er macht nichts Anderes als nur sein eigenes Material zu spielen. Unter Musikern heißt es oft, „Du kannst nicht nur Deine eigenen Songs spielen. Das wird für das Publikum langweilig. Du musst auch bekannte Songs bringen.“ Exakt diesem Konzept folgt der Texaner, der seit Jahren auf Hawaii sein Domizil hat. Nur entstammen halt auch die bekannten Songs seiner Feder.
Dieser Mann ist wirklich ein Phänomen. Mit 77 Jahren steht er fast zwei Stunden auf der Bühne und präsentiert dem Publikum, dass sich bei den vertrauten Textzeilen immer wieder zu spontanem Applaus hinreißen lässt, über 30 Songs. Natürlich ist ein solcher Abend kein Konzert mit „schöner Musik“. Rau und ungeschliffen sind sowohl sein Gesang als auch sein Gitarrenspiel, und auch die kurzen Mundharmonikaeinlagen (einen Song bricht er ab mit dem Hinweis, dass er dieses Lied in der falschen Tonart spielt – großes Gelächter bei ihm selbst und im Publikum). Geschliffen und poliert sind dagegen seine Texte, die tief aus dem Herzen kommen und oft, sehr oft gleichsam spielerisch Gefühle und Gedanken in einer Art in Worte fassen, die die Frage aufwirft, wie ein Mensch auf solche Formulierungen kommt. Aber das ist die wahre und große Kunst des Kris Kristofferson.
Für die letzten Songs des Abends bittet er die Vorband nochmal auf die Bühne und beendet ein Konzert, bei dem ausschließlich seine Songs gespielt wurden, auch vom Opening Act. „Why Me Lord“ ist dann der letzte Song. Sichtlich erschöpft, der Mensch wie auch die Stimme, verabschiedet er sich, wie immer dankbar, von einem Publikum, das ihm mit einer Standing Ovation zurückdankt. Ich hätte ihm noch stundenlang zuhören können, so wie immer, wenn eines seiner Konzerte zu Ende geht. Material hätte er noch reichlich gehabt, selbst bekannte Songs. Auf dem Heimweg läuft einer dieser Songs, die er nicht gespielt hat, in meinem Kopf ab, „Good Morning John“. Aber auch den habe ich schon oft live von ihm gehört. Und wie lange muß denn dann ein Konzert dauern, bei dem er alles spielt, was bekannt und aus seiner Feder ist? Die Liste ist lang, und das Songbook ist groß.