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Rhiannon Giddens triumphiert in Amsterdam

Stehende Ovationen nach großartigem Konzert im North Sea Jazzclub

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Rhiannon Giddens Bildrechte: Thomas Waldherr

Am Ende dieses fantastischen Abends im Amsterdamer North Sea Jazzclub brachte es Rhiannon Giddens sympathisch lächelnd auf den Punkt, indem sie eine eigentlich nicht mehr notwendige Frage stellte: „Ich hoffe, es hat Ihnen gefallen, obwohl wir streng genommen heute Abend gar keinen Jazz gespielt haben.“ Denn gefallen hatte es den wenigen hundert Zuschauern im intimen Jazzlokal-Rahmen sichtlich, mehr noch: sie waren begeistert. Geboten bekommen hatten sie allerdings Folk, Country, Blues und Gospel in einer feinen Mischung von einer wirklichen Ausnahmekünstlerin.

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Um 21.05 Uhr betrat Rhiannon im roten Kleid und wie üblich barfuß die Bühne. Umringt von ihrer Band: ihre California Chocolate Drops-Mitstreitern Hubby J. Jenkins und Rowan Corbett werden unter anderem ergänzt durch Jason Sypher (Stand-Up-Bass) und Jamie Dick (Schlagzeug). Und der Auftakt ist schon fantastisch. Der erste Song ist „Spanish Mary“ vom New Basement Tapes-Projekt. Zu den Lyrics von Bob Dylan hat Rhiannon eine kongeniale musikalische Begleitung gefunden, der das Lied wie einen uralten Folksong klingen lässt. Gänsehaut. Dann folgt mit „Don’t Let It Trouble Your Mind“ ein Dolly Parton Song. „Sie ist eine sehr feine Songwriterin“, sagt sie die Nummer an, „sie sagt die Wahrheit mit einem Lächeln.“ Treffender hätte man es nicht ausdrücken können. Und ihre Version von Dollys Song ist dann ebenso treffend, weil sie dieses Lied voller Freude mit viel Augenzwinkern auskostet. Und Rhiannon bleibt beim Country. „She’s Got You“ von Patsy Cline wird von ihr in einer sehr zornigen Haltung interpretiert. Nächster früher Höhepunkt ist dann „Waterboy“, in der sie die ganze unfassbare Größe ihrer Stimme einsetzt. Ebenso wie die New Yorker beim „Inside Llewyn Davis“-Konzert Ende 2013 flippt das Amsterdamer Publikum bei so viel Stimmgewalt schier aus.

Wer jetzt gedacht hätte, die Sängerin hätte die ganz großen Momente der Show bereits alle geliefert, kennt diese Künstlerin nicht. Gut zwei Stunden fesselt sie ihre Zuhörer, und von denen wird jedes Lied am Ende mit frenetischem Jubel gefeiert. Rhiannon versteht es, ihre Gesangs- und Instrumentalkünste – wenn sie nicht nur mit ihrer Stimme als Instrument vor das Mikrofon tritt, spielt sie an diesem Abend Banjo und Geige – für einen ebenso unterhaltsamen wie anspruchsvollen Exkurs in die schwarz-weiße Musikgeschichte des amerikanischen Südens zu nutzen. Als selbstbewusste schwarze Südstaatlerin liegt ihr viel daran, die Geschichte der schwarzen Musik nachzuzeichnen. Von den musikalischen, sogenannten „Slave Narratives“ von unbekannten oder vergessenen Autoren, die über das Leben der Schwarzen in der Sklaverei berichten, über Blues-Pionierinnen wie Sister Rosetta Tharpe bis hin zu Nina Simone, die eine der ersten politisch bewussten Blues- und Jazzsängerinnen war. Als Kind des Südens bezieht sich Rhiannon aber auch auf die „weiße“ Countrymusik, die ja ohne die schwarzen Einflüsse ohnehin nicht vorstellbar wäre, und mit der auch die Schwarzen im Süden ganz selbstverständlich aufwachsen. Dass das Material auf die beide Communities zurückgreifen, oftmals das Gleiche ist, zeigt sie zusammen mit Hubby Jenkins in einer außergewöhnlichen Version von „Children, Go Where I Send Thee“. Der Gospel – ursprünglich afroamerikanischen Ursprungs – gehörte viele Jahre lang zum Live-Repertoire von Johnny Cash, der den Song zusammen mit Carl Perkins, der Carter Family und den Statler Brothers zu einem Höhepunkt seiner Konzerte machte. Ganz anders und genauso toll ist dann die wieder afroamerikanischen musikalischen Idiomen folgende Version von Hubby und Rhiannon.

Noch ein Kunststück, das Rhiannon Giddens an diesem Abend schafft: Wirkliche Weltmusik mit einer klaren Haltung. Mit ihrem „Factory Girl“ erinnert sie an einen verheerenden Fabrikbrand in Bangladesh mit vielen toten jungen Arbeiterinnen, indem sie Musik und Motiv eines alten irischen Klagelieds nutzt. Botschaft: Die Globalisierung ist noch nicht so alt, der Missbrauch von Menschen als Arbeitskräfte für Profitinteressen leider schon. Verpackt in einen bewegenden Gesangsvortrag.

Und so stürmt Rhiannon Giddens an diesem Abend durch die Songs, ein Parforce-Ritt durch alle Gefühlsebenen: Freude, Trauer, Zorn, Verlust und Tod. Ihre Stimmgewalt, eingebettet in die perfekt auf sie zugeschnittenen Band-Arrangements überwältigen die Zuschauer förmlich. Und als sie ihren wunderschönen Song „Duncan and Jimmy“, der ebenfalls auf den Worten von Bob Dylan fußt, in fulminanter Art und Weise schließt, gibt es kein Halten mehr. Alles steht auf und ist begeistert. Noch eine Zugabe von Sister Rosetta Tharpe und die Szene wiederholt sich. Standing Ovations. Ein großer Abend mit einer großen Sängerin in einem kleinen Club geht zu Ende.

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Über Thomas Waldherr (804 Artikel)
Redakteur. Fachgebiet: Bob Dylan, Country & Folk, Americana. Rezensionen, Specials.
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