Rhiannon Giddens: Unterwegs auf vielen neuen Karriereschritten
Rhiannon Giddens hat ein neues Album, geht wieder auf Europatour, spielt mit bei der TV-Serie "Nashville" und ist schon längst die große schwarze amerikanische Frauenstimme gegen Rassismus, Spaltung und Gewalt.
Zum Erscheinen ihres letzten Albums „Tomorrow is My Turn“ schrieben wir Anfang des vergangen Jahres von Rhiannon Giddens als der „neuen großen weiblichen Stimme Amerikas“. Nun ein Jahr später und mit dem Erscheinen ihres neuen Albums Freedom Highway konstatieren wir: Ja, sie hat sich längst zu der großen schwarzen amerikanischen Frauenstimme entwickelt, die sich in diesen schweren Zeiten entschieden gegen Rassismus, Spaltung und Gewalt wendet.
Das Jahr 2016 war ein von Aktivitäten und Ereignissen prall gefülltes Jahr für Rhiannon. Eine fantastische Europatournee, eine Fernsehrolle, ein beinahe Broadway-Debüt, eine besonderen Musikerpreis und ein viel beachtetes Countryduett rückte sie stärker denn je in den Blickpunkt.
Aus Rhiannon Giddens wird Hanna „Hallie“ Jordan
In ihrer 5. Staffel, die in den USA seit dem 5. Januar dieses Jahres ausgestrahlt wird, bekommt die TV-Serie „Nashville“ durch neue Figuren eine Modernisierung verpasst, die zwar überfällig, aber sicher auch für Teile des Publikums schwer zu verkraften ist. Zum einen wird mit der Schauspielerin Jen Richards das Transgender-Thema angepackt. Die Wellen schlugen in den USA im letzten Jahr hoch, da ja North-Carolina mit einem verstörenden Gesetz seinen Kommunen eigenständige Anti-Diskriminierungsmaßnahmen verbietet und Transgender zwingt, öffentliche Toiletten nach ihrem auf der Geburtsurkunde festgelegten Geschlecht zu benutzen. Die Nashville-Macher sehen sich hier in der Verantwortung, gerade im Süden die Menschen über Transgender aufzuklären, um solche Gesetze verhindern zu können.
Zum anderen werden mit Rhiannon die schwarzen Wurzeln der Countrymusik auch in dieser TV-Serie endlich offen gelegt. „Es ist Zeit der wirklichen Geschichte der Countrymusik ein Highlight zu bescheren, wenn die Menschen wissen, dass da viele Schwarze waren, die das Banjo gespielt haben und dass die String Band selbst von der Plantagenkultur abstammt“, erklärte Rhiannon selbstbewusst NBC vor dem Staffelstart. Sie spielt in der Serie den Charakter Hanna „Hallie“ Jordan, eine junge Sozialarbeiterin, die entdeckt wird, als sie mit einer Stimme wie ein Engel den religiösen Song „God Shall Wipe All Tears Away“ anstimmt. Die Serie nimmt sich damit der tatsächlichen Diversität der Musikszene Nashvilles an und setzt sich damit etwas ab von der Mainstream-Countryszene, so wie auch die Roots- und Folkmusik in der aktuellen Staffel einen größeren Raum einnehmen.
Beinahe Broadway
Wer Rhiannon auf und hinter der Bühne oder im Studio erlebt hat – einen tollen Einblick gibt hier der Making-Of-Film zu den New Basement Tapes – der weiß, wie ernst sie ihre Musik und ihre Performance nimmt. Und dass sie neue Aufgaben stets als Chance begreift, sich weiterzuentwickeln. Genau solch eine Chance wurde aber zu einem jähen Rückschlag, als sie sich wochenlang darauf vorbereitete in der Broadway-Musik „Shuffle Along“ den Star der Produktion, Audra McDonald, zu ersetzen. Doch wenige Wochen vor dem Starttermin wurde die Show von ihren Producern eingestellt. Rhiannon war tief getroffen und twitterte: „Mein Herz ist zerbrochen. Komplett und völlig. Nun muss ich die Stücke wieder einsammeln.“
Steve Martin-Preis
Doch nach diesem Rückschlag sollte der nächste Höhenflug nicht lange auf sich warten lassen. Sie erhielt den „Steve Martin Prize for Excellence in Banjo and Bluegrass“. Der Schauspieler und Bluegrassmusiker Steve Martin hatte sie schon seit einiger Zeit im Blick und wollte die Dominanz von weißen Männern als Träger dieses Preises brechen. Rhiannon, die den Nachbau eines Banjos von 1858 spielt, sagte zu dieser Auszeichnung, dass der Sound, den sie bevorzuge, „eine große Portion der Geschichte enthält, über die wir nicht sprechen wollen“, die aber immer noch Erforschung verdiene. „Ein Großteil dieser Geschichte ist sehr negativ, aber die musikalische Geschichte ist wunderschön. Wir müssen über das Negative sprechen, aber wir müssen uns auch an dem Schönen erfreuen, das dieses Land kulturell getan hat.“
Duett mit Eric Church
Und Rhiannon verfolgt dieses Ziel auch ganz persönlich, wenn sie sich wie selbstverständlich in der überwiegend weißen Countryszene bewegt. Legendär ist bereits jetzt ihr Duett mit Country-Superstar Eric Church bei den Country Music Awards im vergangenen November. Gemeinsam sangen sie seinen Song „Kill A Word“, das sich ganz offensiv mit dem Hass in der Sprache auseinandersetzt und damit sehr aktuell ist. Da die Tochter eines weißen Vaters und einer schwarzen Mutter in den Südstaaten aufgewachsen ist, dürften ihr rassistische Beleidigungen leider nicht fremd sein. Umso stärker von beiden, den Song gemeinsam zu performen. Eine starker Auftritt, der allerdings durch den Wirbel um den von Beyonce und den Dixie Chicks etwas überlagert wurde, als sich die Country Music Association von rassistischen Kommentaren gegen Beyonce in den sozialen Netzwerken treiben ließ und ein Video der Nummer zeitweilig von ihren Plattformen nahm. Dennoch zeigen beide Auftritte, dass unter Musikern versucht wird, die Gräben zuzuschütten, die von einigen politischen Kreisen gerade wieder neu gegraben werden.
Das neue Album „Freedom Highway“
So führte ihre eigene künstlerische Entwicklung wie auch die politischen Umstände in den USA fast zwangsläufig und logisch zum neuen Album „Freedom Highway“. Der Titelsong ist eine Kollaboration von Giddens mit dem Musiker Bhi Bhiman aus St. Louis und zugleich eine Neuinterpretation des Songs der Staple Singers aus dem Jahr 1965. Das politisch engagierte, Gospel-inspirierte Stück stammt aus der Zeit der Bürgerrechtsbewegung und war inspiriert vom berühmten 50-Mile-Walk von Selma nach Montgomery, Alabama.
Am Tag nach der US-Wahl schrieb Giddens über den Titeltrack: „Ich bin eine Tochter des Südens; der weißen Arbeiterklasse, der schwarzen Arbeiterklasse; der Demokraten und der Republikaner; der Homo- und Heterosexuellen. Und eines kann ich euch sagen: wir haben weit mehr gemeinsam, als uns teilt. Wir dürfen nicht zulassen, dass der Hass uns spaltet; dass Unwissen uns schmälert; dass jene, die von Gier getrieben sind, uns unser Land wegnehmen. They can’t take U.S. from US – es sei denn, wir lassen sie. Ich habe dies mit Bhi Bhiman aufgenommen, einem durch und durch amerikanischen Singer-Songwriter aus St. Louis, dessen Eltern aus Sri Lanka stammen. Amerikas Stärke sind seine Menschen, egal, ob sie vor 4.000, 400 oder 40 Jahren kamen, und wir dürfen niemanden zurücklassen. Lasst uns gemeinsam den Freedom Highway beschreiten. Geschrieben 1965 von Pops Staples.“
Rhiannon Giddens positioniert sich mit dieser Aussage, dem Song und dem Album eindeutig erneut als politisch bewusste Künstlerin, die sich mit der weiteren Zunahme von Rassismus, Spaltung und Unrecht unter der Präsidentschaft von Donald Trump nicht abfinden will. Der Song „Freedom Highway“ gibt auch dem Album seinen Namen, das ansonsten vornehmlich neue Stücke enthält, die Giddens schrieb oder mitschrieb, während sie und ihre Band mit „Tomorrow Is My Turn“ tourten, dazu kommt ein traditioneller Song und neben „Freedom Highway“ ein weiterer aus der Ära der Bürgerrechtsbewegung, „Birmingham Sunday“. Wie sie den von Richard Farina geschriebenen und von Joan Baez bestens bekannten Song melodisch neu zusammensetzt ist große Klasse sowie ein eindringliches Hörerlebnis und eine Neuentdeckung dieses Folk-Klassikers.
Giddens koproduzierte „Freedom Highway“ mit dem Multi-Instrumentalisten Dirk Powell in dessen Studio in Breaux Bridge, Louisiana. Als Musiker wirkten im Studio unter anderem Rhiannon Giddens‘ herausragende Tourband, lokale Musiker aus dem Bayou, ein soulvolles Bläser-Ensemble aus New York und begabte Familienmitglieder mit.
Nach der perfekt polierten Produktion von T Bone Burnett bei „Tomorrow Is My Turn“ ist Rhiannon mit dem aktuellen Album wieder mehr zurück zu dem erdigen ungeschliffenen Sound der „Carolina Chocolate Drops“ zurückgekehrt. Das passt sehr gut zu dem wofür Rhiannon Giddens steht: Für gesellschaftlich engagierte Musik im Bewusstsein ihrer Wurzeln.
Europatournee
Vom 23. März bis zum 4. April tourt Rhiannon wieder in Europa. Dabei macht sie zweimal in Deutschland Station. Für die Konzerte am 27. März in Köln und am 29. März in Hamburg gibt es noch Karten, während ihre Auftritte in Amsterdam, London und Cambridge (UK) bereits seit längerem ausverkauft sind.
Fazit: Rhiannon Giddens ist unbestritten auf einem ersten Karrierehöhepunkt. Unglaublich wie durchdacht, vielfältig und furios sie alle ihre Aktivitäten durchführt. Diese Frau hat nicht nur Verstand und Können, sie hat auch vor allem viel Energie und einen großen Spirit, der sie derzeit von Höhepunkt zu Höhepunkt führt. Wer sie gerne einmal live erleben möchte, der sollte nicht zögern. Prädikat: Ein beeindruckende Performerin und Musiker-Persönlichkeit. Wirklich eine ganz große Stimme unserer Zeit – The Queen Of American Roots Music!
Freedom Highway – das neue Album
Titel: Freedom Highway
Künstlerin: Rhiannon Giddens
Veröffentlichungstermin: 24. Februar 2017
Label: Nonesuch
Vertrieb: Warner
Formate: CD, Vinyl & Digital
Tracks: 12
Laufzeit: 50:04 Min.
Genre: Americana
Trackliste: (Freedom Highway)
01. At The Purchaser’s Option
02. The Angels Laid Him Away
03. Julie
04. Birmingham Sunday
05. Better Get It Right The First Time
06. We Could Fly
07. Hey Bébé
08. Come Love Come
09. The Love We Almost Had
10. Baby Boy
11. Following The North Star
12. Freedom Highway
Rhiannon Giddens: Europa Tour 2017
Rhiannon Giddens wird die Songs des neuen Albums natürlich auch im Rahmen ihrer Europa-Tour im März und April vorstellen. Ticketbestellung: Rhiannon Giddens: Tour 2017
23. März, Paris
25. März, Amsterdam (ausverkauft)
26. März, Brüssel
27. März, Hamburg
29. März, Köln
30. März, London (ausverkauft)
31. März, Cambridge (ausverkauft)
02. April, Edinburg
03. April, Dublin