Ryan Bingham: Fear And Saturday Night
Fast zweieinhalb Jahre hat es gedauert, bis Ryan Bingham nun ein Nachfolge-Album für das düstere „Tomorrowland“ veröffentlicht hat. Fear And Saturday Night heißt es, und ist die Rückkehr von Bingham in ein Leben, das nicht nur in blaue und graue Farben eingetaucht ist.
Wir erinnern uns: 2010 wurde der ehemalige Rodeoreiter und jugendliche Rumtreiber Ryan Bingham mit einem Schlag berühmt. Für den Song „The Weary Kind“ aus dem Film „Crazy Heart“ mit Jeff Bridges erhielt der damals 26-Jährige den Oscar. Seine Platten – vorher meist Geheimtipps – wurden plötzlich der Renner und seine Konzerte waren gut besucht. „Junky Star“ erhielt 2010 hymnische Kritiken und Ryan wurde als neuer Star in der musikalischen Linie von Dylan und Springsteen gesehen. Roots-Rock mit Country und TexMex-einflüssen, knochentrocken und voller Wüstensand, wie seine Stimme auch.
2012 jedoch veränderte sich etwas. Ryan trennte sich von seiner Begleitband „The Dead Horses“, verließ das Label „Lost Highway Records“ und brachte seine Album „Tomorrowland“ auf seinem eigenen Label Axster Bingham Records heraus. „Das Album ist daher sein persönlichstes, aber auch traurigstes Album geworden. Ihm wäre zu wünschen, dass er – trotz der stellenweisen Faszination seiner ausweglosen Lyrik – in seinen Songs auch wieder mal Platz für andere Stimmungen lässt“, schrieben wir damals über die Platte. Und tatsächlich, seine Songs waren voller trauriger Gedanken. Trauer über die Entwicklung der amerikanischen Gesellschaft, als auch ganz persönliche Trauer prägten seine Songs. Denn sein Leben war damals vor allem vom Verlust seiner Eltern geprägt. Seine Mutter starb an Alkoholismus, sein Vater beging Selbstmord.
Nun scheint er, gerade auch durch die Ehe mit Anna Axster, wieder in die Spur gefunden zu haben. Seine Songs des neuen Albums „Fear And Saturday Night“ sind zwar meist sehr persönlich, aber sie haben auch deutlich optimistische Seiten. Und das macht sich auch wieder bei der Musik bemerkbar. Sie ist wieder einfacher, wieder ausschließlich in der Songtradition von Country, Folk und Rock verwurzelt. Dazu abwechslungsreicher und knüpft an alte Zeiten mit „The Dead Horses“ an. Wobei dieses Kapitel scheinbar erstmal abgeschlossen scheint, denn für die neue Scheibe hat Bingham u.a. mit Mitgliedern der Blues-Rock-Band „Rose Hill Drive“ musiziert. Produziert hat das übrigens Jim Scott, der u.a mit Tom Petty Wilco zusammen gearbeitet hat.
Entstanden sind die zwölf Songs während einer selbstgewählten Klausur in einem „Airstream“-Trailer in den Bergen Kaliforniens. Mit dem autobiographischen „Nobody Knows My Trouble“ geht das Album sehr hübsch und eingängig los. Die fröhlich hüpfende Melodie kontrastiert sehr schön mit Binghams Erinnerungen an eine schwere Jugend als einsamer Streuner, der bei Rodeos auf Bullen ritt und im Truck schlief. Mit dem zweiten Song geht es dann in die Zukunft. Über einer sehr dylanesken Melodie – sie erinnert eingangs etwas an „The Lonesome Deathe Of Hattie Caroll“ – singt er in „Broken Heart Tatoos“ über sein ungeborenes Kind, fühlt sich hier in die Elternrolle ein. Eine schöne Abgeh-Nummer ist dann der Tex-Mex-Rocker „Adventures Of You And Me“. Ein luftiges Roadmovie mit treibendem Akkordeon, das den Sänger und sein Mädel von New York über Texas und New Mexico nach Kalifornien führt. „Ich bin mir nicht so sicher ob das mit dieser Welt nochmal in Ordnung kommt. Bis dahin freue ich mich einfach, dass Du mein Mädchen bist“, singt Bingham da und man merkt, der Rock’n’Roll hat ihn wieder. Der Titelsong „Fear And Saturday Night“ ist dagegen eine langsame Ballade über Mut, der Furcht vor sich selbst und den Gefahren der Straße. Wieder einmal zeigt Ryan hier seine dunkle, kryptische Seite. Auch „My Diamond Is Too Rough“ ist eine eher introvertierte dunkle Country-Ballade, wenn auch das Tempo etwas anzieht. Die Aussage, dass seine Kunst und sein Talent, dafür steht hier das Bild des „Diamanten“ zu hart, zu ehrlich, zu schonungslos ist, wird von ihm mit einem schönen „Blue Yodel“ unterstrichen. Großartig! Ein Höhepunkt des Albums ist auf alle Fälle „Snow Falls in June“. Hier geht es darum, wie die Liebe Menschen zurück ins Leben holen kann. Und „Darlin“ ist dann natürlich ganz direkt ein Song für seine Frau Anna, die wirklich viel Licht in das Leben Binghams zu bringen scheint. Ein Leben ohne sie ist für ihn unvorstellbar. „Den Abschluss bildet dann mit „Gun Fightin‘ Man“ die Variation eines alten Westernthemas.
Nach den 51:55 ausnahmslos hörenswerten Minuten dieses Albums ist man sich ziemlich sicher: Dieser Mann ist wieder auf einem guten Weg. Musikalisch und persönlich.
Fazit: Eine starke Rückkehr von Ryan Bingham. Großartige Songpoesie trifft hörenswerte Musik. Prädikat: Wieder fest im Sattel!
Künstler / Albumtitel: Ryan Bingham – Fear And Saturday Night
Format / Label / Veröffentlicht: CD, Vinyl & Digital (Axster Bingham Records 2015)
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Trackliste:
01. Nobody Knows My Trouble
02. Broken Heart Tattoos
03. Top Shelf Drug
04. Island In The Sky
05. Adventures Of You And Me
06. Fear And Saturday Night
07. My Diamond Is Too Rough
08. Radio
09. Snow Falls In June
10. Darlin
11. Hands Of Time
12. Gun Fightin Man