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Neil Young: Homegrown

Die nordamerikanische Musiklegende veröffentlicht rund 46 Jahre nach seinem Entstehen sein traurig-schönstes Album.

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Neil Young - Homegrown Neil Young - Homegrown. Bildrechte: Reprise Records (Warner)

Die frühen 1970er Jahre waren Jahre schier überbordender Kreativität für Neil Young. Aber es waren auch Jahre voller dunkler Stimmungen in seiner Musik. 1972 hatte er mit dem Solo-Akustik-Album „Harvest“ einen Meilenstein seiner Karriere veröffentlicht. Der Mainstream-Erfolg ließ ihn jedoch nachdenklich werden, der Tod seines Freundes, des Drummers Danny Whitten, der Niedergang des optimistischen Geistes der Sixties und die Trennung von seiner Freundin Carry Snoddgress führten zu einer düsteren Stimmung, die in die dunklen Lieder von Homegrown mündete. Young zog „Homegrown“, das eigentlich als eine Art Nachfolger von „Harvest“ gedacht war – wieder war Elliot Mazer als Produzent dabei, kurz vor der Veröffentlichung zurück. Es war ihm zu persönlich, soviel von sich wollte er nicht preisgeben.

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Mit den Jahren wurde „Homegrown“ eines seiner mysteriösesten Alben überhaupt. Zwar tauchten einige der Songs von „Homegrown“ später in Neubearbeitung auf anderen Alben von Young auf, das Original jedoch blieb im Archiv und bekam bei den Fans über die Jahre Kultstatus als „verlorenes Album“. Nun, fast 46 Jahre später, entschuldigte sich Neil Young bei seinen Fans: „Das Album ‚Homegrown‘ hätte bereits einige Jahre nach ‚Harvest‘ für euch da sein sollen. Es ist die traurige Seite einer Liebesbeziehung. Der angerichtete Schaden. Der Liebeskummer. Ich konnte es mir einfach nicht anhören. Ich wollte es hinter mir lassen. Also behielt ich es für mich, tief in den Kellergewölben, im obersten Regalfach, im Hinterstübchen meines Kopfes … aber ich hätte es teilen sollen. Es ist tatsächlich großartig, darum nahm ich es ja überhaupt auf. Das Leben schmerzt manchmal. Ihr wisst, was ich meine. Dies ist das eine, das entkam.“

Und Neil hat völlig Recht. Das Album gehört mit zu seinen stärkeren Alben. Da ist er wieder: Der Solo-Folker und sanfte Rumpel-Rocker in Bestform! Mit „Seperate Ways“ geht es schon traurig und programmatisch los, das Schlagzeug stolpert, die Pedal Steel weint. Zart-Bitter-Musik auf höchstem Niveau. „Try“ ist dann der Versuch, die Geliebte zurück zu holen. Mit „Mexico“ folgt eine traurige Klavierballade. Unverhofft fröhlich gerät dann „Love Is A Rose“, das im Gegensatz zu den beiden ersten und einiger weiterer Stücke, die Aufnahme auf späteren Alben fand. Die Melodie ist hinreißend, der Text süßlich, der Vortrag melancholisch. Linda Ronstadt machte daraus später einen richtigen Country-Hit. Rockig mit druckvollem Gitarrenspiel ist dagegen das Titelstück „Homegrown“, das nichts anderes als eine Hymne auf Marijuana aus eigenem Anbau ist. Was dann aber „Florida“ soll, bleibt des Künstlers Geheimnis. Fast drei Minuten erzählt Young seltsames Zeug – zu viel „Selbstangebautes“ konsumiert? – über den „Sunshine State“ und irgendjemand reibt mit dem Finger den Rand eines Glases und erzeugt damit nervende Geräusche.

Von „Florida“ geht es dann nach „Kansas“ und der Staat hat Glück: Neil macht hier wieder Musik, aber die Stimmung bleibt melancholisch, denn wieder ist eine Frau das Thema. Mit „We Don’t Smoke It No More“ will uns Neil dann sagen, für ihn sei das Drogending durch. Wer es hört, kann daran aber zweifeln. Der mit Robbie Robertson produzierte Song „White Line“ zeigt dann Neil in einer ganz anderen, einer entschlossenen und weniger melancholischen, Stimmung. Zornig und verärgert ob des Verlustes der geliebten Personen zeigt sich der Sänger dann in „Vacancy“, einer der bislang unveröffentlichten Songs. „Little Wings“, der Song über den Zugvogel am Ende des Sommers ist in seiner schlichten Schönheit einer der Höhepunkte des Albums, ebenso wie der Abschlusstrack „Star Of Bethlehem“. Hier hat der Sänger seine Bitternis und seine Verlorenheit überwunden und so wird der Song- unterstützt von der zweiten Stimme von Emmylou Harris zu einem versöhnlichen Schlusspunkt des Albums.

Neben Emmylou Harris und Robbie Robertson waren u.a. auch Levon Helm von „The Band“ am Schlagzeug und Tim Drummond, der später in Bob Dylans Gospel-Tour-Band spielen sollte, am Bass mit dabei. Apropos Bob Dylan: Wenn man will, ist „Homegrown“ so etwas wie Neil Youngs „Blood On The Tracks“. Ein traurig-bitter-zorniges Trennungs-Album. Doch während Bob immer in der Lage ist, sich von sich selbst zu distanzieren, und solch ein Album zu veröffentlichen, bleibt Neil vor so viel selbstgewählter Authentizität nur der Rückzug. Er kneift vor der Veröffentlichung und wartet 46 Jahre, bis die Zeit alle Wunden geheilt hat.

Fazit: Das Warten hat sich gelohnt. Man muss jetzt nicht gerade die Neil Young-Geschichte umschreiben, aber es ist auf alle Fälle eines seiner stärkeren Alben und ganz klar ist es sein traurig-schönstes Album. Gut, dass es jetzt endlich veröffentlicht worden ist, und wir alle an seiner Poesie und Musik der Trauer teilhaben können.

Neil Young – Homegrown: Das Album

Neil Young - Homegrown

Titel: Homegrown
Künstler: Neil Young
Veröffentlichungstermin: 19. Juni 2020
Label: Reprise Records
Vertrieb: Warner
Formate: CD, Vinyl & Digital
Tracks: 12
Genre: Folk, Folk-Rock, Americana

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Trackliste: (Homegrown)

01. Separate Ways
02. Try
03. Mexico
04. Love Is A Rose
05. Homegrown
06. Florida
07. Kansas
08. We Don’t Smoke It No More
09. White Line
10. Vacancy
11. Little Wing
12. Star Of Bethlehem

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Über Thomas Waldherr (850 Artikel)
Redakteur. Fachgebiet: Bob Dylan, Country & Folk, Americana. Rezensionen, Specials.
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