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The Caretaker oder The Ballad of Johnny Cash – Teil 3: Boom Chicka Boom

Aus Anlass des 90. Geburtstages von Johnny Cash am 26. Februar begibt sich unser Autor Oliver Kanehl tief ins Cashland und geht in seiner vierteiligen Reihe zum Man in Black der Frage nach, was den Mythos Johnny Cash im Innersten zusammenhält.

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Johnny Cash Johnny Cash. Bildrechte: Andreas Weihs

Viele Rock- und Pophörer sagen: Nein, ich höre keine Countrymusik – außer Johnny Cash. Folgerichtig betonen auch einige Countrymusik-Enthusiasten, dass Cash eigentlich gar kein Countrykünstler sei. Er sei quasi sein eigenes Genre: Johnny-Cash-Musik.

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Es gibt Einiges, was dafür spricht. Ich bin jedoch der Meinung, dass Johnny Cashs Musik durch und durch Countrymusik ist: Der Grund für die abweichenden Sichtweisen liegt vor allem darin begründet, dass Cash einen sehr eigenen Sound hatte, und dass Vieles in seiner Karriere nicht genretypisch vonstattenging. Das gänzliche Fehlen von Fiddle und Steel im frühen Johnny Cash Sound bei SUN Records führt leicht dazu, Cashs Musik dem Genre gar nicht erst zuzuordnen. Doch Cash machte keine Teenagermusik, die man dann Rockabilly und Rock’n’Roll nannte. Nur sehr wenige Songs gingen klar in diese Richtung. Viel mehr schöpfte er immer aus der reichen Folk- und Countrytradition, machte sein eigenes Ding und war strenggenommen Indiemusiker. So gut wie niemand in Nashvilles Country-Mainstream machte Platten mit seinen Tourmusikern. Cash tat in Memphis genau das und das machte ihn so besonders.

Johnny Cash – So Doggone Lonesome: Single

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Die Entstehung und der frühe Erfolg des Johnny Cash Sounds sind in erster Linie Unvermögen geschuldet: Als Cash und seine Tennessee Two, Gitarrist Luther Perkins und Bassist Marshall Grant, ihre ersten Stücke spielten, versuchten sie eigentlich Musik zu spielen, wie sie sie kannten. Sie waren allerdings dadurch limitiert, wie sie es konnten.

Cash und die Tennessee Two versuchten mit stark reduzierten Mitteln Country- und Gospelsongs à la Hank Williams zu spielen und erfanden dabei ihren eigenen Sound. Wenn man bei einigen bekannteren Williams-Nummern mal genau darauf achtet, was jenseits von Fiddle und Steel Guitar passiert, ist man ziemlich nahe dran, das Vorbild für das, was man heute Boom Chicka Boom, den Johnny Cash Sound – nennt, zu entdecken.

Das Neue an Cashs Sound war nicht, bei einer Aufnahme mit Hilfe synkopiert gespielter gedämpfter Einzeltöne auf den Basssaiten der Gitarre, dem Bass mehr Klarheit zu verleihen, wie das etwa zeitgleich auch in Owen Bradleys Nashville Sound mit dem Tic-Tac-Bass geschah, sondern diesen Sound dabei zu belassen. Das war der Sound. Das musste man sich ersteinmal trauen. Reduktion aus Mangel an technischen und personellen Möglichkeiten als popkulturelles Distinktionsmerkmal. Dass so etwas ganz Eigenes entstand, haben Cash und Co. mit vielen Musikern der Popmusikgeschichte gemeinsam. Innovation liegt oft nicht im Können, sondern im genauen Gegenteil: in Vereinfachung und Reduktion.

Nehmen wir z.B. eine Band wie die heutigen Rockdinosaurier U2. In ihrer Anfangsphase in den 1970ern als Schülerband wussten die unbedarften Iren gerade einmal, wie sie ihre Instrumente halten. Alles andere entstand nach dem Prinzip Trial and Error. Sie konnten so wenig, dass sie nicht einmal ihre Vorbilder adäquat kopieren konnten. Daraus entstand, ob man ihn nun mag oder nicht, ein völlig eigenständiger Sound. Auch die Rolling Stones kreierten ihren unvergleichlichen Sound aus dem Unvermögen, eben nicht haargenau Chicago-Blues spielen zu können. Die Beispiele sind zahlreich, insbesondere, was Reduktion angeht, denn z.B. ein moderner Pophit kann auch nur aus einem Beat bestehen und dadurch für den Hörer prägnant und einnehmend sein.

So klingt Luther Perkins harte, stets abgedämpfte Fender Esquire nicht wie eine Gitarre. Sie klingt wie die Maschine, die den Johnny Cash Zug wie ein Uhrwerk antreibt und am Laufen hält. Und im Rattern der Rhythmus-Gruppe, von Tennessee Two und später Tennessee Three – findet Cash erst den Rückhalt, um sich inhaltlich und stimmlich voll zu entfalten.

Der frühe Tod von Perkins hätte im Sommer 1968 womöglich das Ende von Cashs musikalischer Karriere bedeuten können. Bei At Folsom Prison ist Luther noch dabei. Nach dessen tragischem Tod gerät der Cash-Zug kurze Zeit etwas ins Schlingern und Namensvetter Carl Perkins verhindert ein Entgleisen. But That Train Keeps A-Rollin‘ und als Cash sich in At San Quentin kraftvoll zurückmeldet, ist als neuer Maschinist Bob Wootton bereits an Bord geklettert und treibt den Zug verlässlich an, bis Cash sich schließlich 1997 vom Touren endgültig zurückzieht.

Johnny Cash – Man in Black: Single

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Alle Teile des Specials im Überblick:

The Caretaker oder The Ballad of Johnny Cash – Teil 1: CASH
The Caretaker oder The Ballad of Johnny Cash – Teil 2: Home
The Caretaker oder The Ballad of Johnny Cash – Teil 3: Boom Chicka Boom
The Caretaker oder The Ballad of Johnny Cash – Teil 4: The Caretaker

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Über Oliver Kanehl (55 Artikel)
Redakteur. Fachgebiet: Traditionelle Countrymusik von vorgestern und heute (Indie Country, Hillbilly, Honky Tonk u.a.) Rezensionen, Specials.
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